Neue Zielgruppen, individuellere Lehre, schlankere Verwaltung – wo steht Ihre Hochschule in Sachen Digitalisierung?
Wir haben im Sommersemester 2020 unsere Strategie zur Digitalisierung in der Lehre an der Universität Freiburg verabschiedet. Unser Ziel ist, die Präsenzlehre mit vielfältigen digitalen Lehr- und Lernformen zu bereichern. Damit wollen wir die Qualität der Lehre verbessern, individuell zugeschnittenes Lernen ermöglichen, der Heterogenität der Studierenden begegnen sowie die Chancengleichheit und den Studienerfolg erhöhen. Auch ist digitale Lehre ein unverzichtbares Element unserer Internationalisierungsstrategie. Gerade dieses von der Corona-Pandemie geprägte Semester hat uns gezeigt, welches Potenzial in der digitalen Lehre steckt – aber auch, wo die Grenzen sind. Dies hat der Senat der Universität Freiburg im Juli 2020 in einer Stellungnahme zum Wert der Präsenzlehre klar zum Ausdruck gebracht. In der Forschung verfügen wir über eine hervorragende digitale Infrastruktur: Die Landesstrategie „High Performance Computing“ sieht vor, dass Hochleistungsrechner an verschiedenen Standorten alle Universitäten in Baden-Württemberg mit Rechenkapazitäten für bestimmte Disziplinen versorgen – unser Rechenzentrum ist zuständig für die Mikrosystemtechnik, Neurowissenschaften und Elementarteilchenphysik. Das Datennetz der Universität ist auf einem hohen Stand und mit 100 Gbit/s über das Landesnetz BelWue mit dem Internet verbunden. Darüber hinaus betonen wir in unserer Open-Access-Resolution die Verpflichtung, öffentlich geförderte Wissenschaft der globalen Scientific Community ebenso wie der interessierten Öffentlichkeit frei und transparent zugänglich zu machen. In der Verwaltung haben wir das Programm „Connected Services“ auf den Weg gebracht. Es zielt darauf ab, administrative Prozesse zu vereinfachen und die Zusammenarbeit zu verbessern. Dabei spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Ein noch nicht umgesetzter Baustein ist zum Beispiel die digitale Aktenführung.
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Die Digitalisierung kann den Hochschulbetrieb effizienter machen – zunächst braucht es aber Investitionen. Welche Unterstützung brauchen Hochschulen dabei von der Politik?
Wir benötigen eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung, bezogen auf zwei Aspekte: Zum einen muss die technische Infrastruktur den aktuellen Anforderungen einer Wissenschaft entsprechen, die ihre weltweite Spitzenstellung in Forschung und Lehre erhalten und ausbauen möchte, dabei aber immer stärker auf die Analyse von Big Data angewiesen ist. Zum anderen brauchen wir attraktive Stellen für hoch qualifiziertes Personal, das unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützt und voranbringt. Wir sind für den Moment gut aufgestellt, müssen aber für die Zukunft unsere Konkurrenzfähigkeit vor allem im internationalen Vergleich erhöhen. Insofern hätten wir uns auf dem Gebiet der Digitalisierung vom baden-württembergischen Hochschulfinanzierungsvertrag für die Jahre 2021 bis 2025 mehr erwünscht. Neben der Gewährleistung der finanziellen Ausstattung kann die Politik außerdem dazu beitragen, Kooperationen anzustoßen – auf europäischer Ebene ist dies etwa mit der European Universities Initiative der Europäischen Union beispielhaft gelungen. Wir sind Teil des Konsortiums „European Partnership for an Innovative Campus Unifying Regions“, kurz EPICUR, das 2019 als Europäische Universität ausgewählt wurde. Das Konzept stellt unter anderem die Liberal Arts and Sciences Education, die digitale Transformation der Lehrformen und den Ausbau der Mobilität – auch der virtuellen – für Studierende ins Zentrum. Wir schaffen mit unseren Partneruniversitäten in Deutschland, Frankreich, Österreich, Griechenland, Polen und den Niederlanden einen europaweiten Bildungsraum, der unseren Studierenden nicht nur Fachwissen, sondern auch interkulturelle Kompetenzen vermitteln wird.
Das digitale Lernen braucht technisch gut ausgerüstete Studierende. Wie lässt sich dabei eine Verstärkung der sozialen Spaltung verhindern?
Zunächst ist festzuhalten: Das grundständige Universitätsstudium ist in Baden-Württemberg für Studierende aus der EU gebührenfrei. Studierende aus anderen Staaten zahlen eine Gebühr, die jedoch im internationalen Vergleich moderat ausfällt. Wir verpflichten uns dem Gedanken der Open Educational Resources (OER), gewähren einen freien und inklusiven Zugang zur Hochschulbildung und sehen – wie bereits ausgeführt – in der digitalen Lehre zwar eine wichtige Ergänzung, doch die Präsenzlehre wird weiterhin den Kern unserer akademischen Lehr- und Lernkultur ausmachen. Für das Studium an der Universität Freiburg stehen zudem allen Studierenden umfangreiche digitale Ressourcen offen. Das Medienangebot der Universitätsbibliothek umfasst beispielweise mehr als 130.000 elektronisch verfügbare Zeitschriftentitel. Unser Rechenzentrum stellt in Pool-Räumen mehrere Hundert PC-Arbeitsplätze unter einer einheitlichen Nutzeroberfläche zur Verfügung, in denen außerhalb der gebuchten Lehrveranstaltung eine individuelle Nutzung im Rahmen des eigenen Studiums möglich ist. Im Medienzentrum der Universitätsbibliothek können Studierende Video- und Audiogeräte ausleihen und an entsprechenden Schnittplätzen arbeiten. Es würde jedoch die Möglichkeiten einzelner Universitäten übersteigen, Studierende nach sozialen Kriterien individuell mit technischer Ausstattung zu versorgen. Dafür wäre eine landes- oder sogar bundesweite politische Lösung erforderlich.
Bei der Digitalisierung setzen die Hochschulen häufig auf Kooperationen, zugleich sollen sie aber ihr Profil im Wettbewerb stärken. Wie lässt sich der Widerspruch von Kooperation und Konkurrenz auflösen?
Der Kooperationsgedanke prägt den gesamten Wissenschaftsbetrieb, denn komplexe Probleme können nur selten von einer Person allein gelöst werden. Unsere Forscherinnen und Forscher arbeiten daher mit Kolleginnen und Kollegen weltweit zusammen, und gleichzeitig stehen wir untereinander im Wettbewerb um Studierende, wissenschaftliche Talente und Fördermittel. Was wir auf dem Feld der Digitalisierung beobachten, ist also keine Ausnahme. Angesichts begrenzter öffentlicher Mittel ist es sinnvoll, Synergien anzustreben: ob in der Forschungsinfrastruktur, beispielsweise bei Großgeräten oder Hochleistungsrechnern, oder in der Verwaltung, wenn es etwa möglich ist, administrative Prozesse für Dienstreisen oder für bestimmte Personalangelegenheiten landesweit zu zentralisieren und zu vereinheitlichen. Unterscheidbar bleiben wir auf dem Feld der Ideen – in der Forschung, aber auch in der Lehre, beispielsweise indem wir im Konsortium EPICUR, ausgehend von unserem University College Freiburg, ein Modell für die europäische Liberal Arts and Science Education entwickeln oder mit der Penn State University, unserem strategischen Partner in den USA, virtuelle Kurse zum Thema Nachhaltigkeit auf den Weg bringen. Derartige internationale Kooperationen mit hervorragenden Universitäten eröffnen unseren Studierenden neue Chancen und helfen uns zugleich, Studieninteressierte weltweit für die Universität Freiburg zu gewinnen.
Links zum Interview:
www.lehre.uni-freiburg.de/lehren-pruefen/leitbild-des-lernens-und-lehrens-der-universitaet-freiburg
www.pr.uni-freiburg.de/pm/2020/praesenzlehre-ist-unersetzlich
mwk.baden-wuerttemberg.de/de/forschung/forschungslandschaft/high-performance-computing-und-digitalisierung/
www.ub.uni-freiburg.de/unterstuetzung/elektronisch-publizieren/open-access/open-access-resolution-der-universitaet/
www.dialogwerkstatt.uni-freiburg.de/projekte/connectedservices/connectedservices
www.pr.uni-freiburg.de/pm/2020/verlaesslichkeit-fuer-die-naechsten-fuenf-jahre
epicur.education
www.ub.uni-freiburg.de/ihre-ub/bibliotheksprofil/ub-in-zahlen/
www.rz.uni-freiburg.de/services/pc/pcpools
www.ub.uni-freiburg.de/ihre-ub/bibliotheksprofil/struktur/dezernate/medienzentrum/
www.ucf.uni-freiburg.de
www.pr.uni-freiburg.de/pm/personalia/preise-fuer-herausragende-lehrkonzepte