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Interview11.09.2020

Digitales Studium braucht überregionale, attraktive Lehr-/Lernplattformen

Wie die Uni Kassel sich der digitalen Transformation stellt

Prof. Dr. René Matzdorf - Vizepräsident für Studium und Lehre, Universität Kassel Quelle: Sonja Rode Prof. Dr. René Matzdorf Vizepräsident für Studium und Lehre Universität Kassel
INITIATORIN DIESER FACHDEBATTE
Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
Meinungsbarometer.info
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Die Uni Kassel setzt bei der Digitalisierung auf Zusammenarbeit - intern und mit anderen Einrichtungen. Prof. Dr. René Matzdorf, Vizepräsident für Studium und Lehre, betont dabei den Vorteil einer zentralen Einheit, die Lehrende beim Einsatz digitaler Formate unterstützt - das Service Center Lehre, das bundesweit Vorbildcharakter habe.





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Neue Zielgruppen, individuellere Lehre, schlankere Verwaltung - wo steht Ihre Hochschule in Sachen Digitalisierung?
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern schafft neue Möglichkeiten – in der Lehre beispielsweise Möglichkeiten, individueller auf die Bedürfnisse und das Wissensniveau von Studierenden einzugehen. Im Hochschul-Verbund „Digital gestütztes Lehren und Lernen in Hessen“ entwickeln wir gemeinsam mit anderen hessischen Hochschulen seit Anfang 2019 digitale Formate. Dadurch konnten wir zu Beginn der Coronakrise auf Vorerfahrungen aufbauen. Die Erfahrungen dieses Corona-Sommers nutzen wir, um ein dauerhaftes Konzept für die sinnvolle Verzahnung von Präsenzlehre mit digitalen Angeboten zu entwickeln.
 
Sehr hilfreich ist es, dass wir eine zentrale Einheit haben, die Lehrende beim Einsatz digitaler Formate unterstützt: unser Service Center Lehre, das bundesweit Vorbildcharakter hat. Auch wegen des Servicecenters Lehre konnten wir im Frühjahr schnell digitale Plattformen für Seminare und Vorlesungen ausrollen.
 
In der Verwaltung bietet die Digitalisierung eine Gelegenheit, Abläufe zu hinterfragen und effizienter zu organisieren. Unser Kanzler hat schon vor einigen Jahren damit begonnen. Das hat es der Zentralverwaltung ermöglicht, auch in der Coronakrise den Betrieb weitgehend reibungslos weiterzuführen.
 

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Die Digitalisierung kann den Hochschulbetrieb effizienter machen - zunächst braucht es aber Investitionen. Welche Unterstützung brauchen Hochschulen dabei von der Politik?
Digitale Formate bieten ein großes Spektrum an zusätzlichen hochschuldidaktischen Möglichkeiten, die Präsenzlehre gerade im Bereich des Selbststudiums sehr gut ergänzen können. Daher bedarf es langfristiger und gemeinsamer Anstrengungen z.B. in landesweiten Projekten, um solche wertvollen Angebote zu entwickeln. Dazu gehören z.B. interaktive Aufgabentools für eine Rückmeldung zum eigenen Leistungsstand, Visualisierungen und Erklärungen einzelner Sachverhalte als kurze Videos zur Wiederholung oder Vertiefung, die auf unterschiedlichem Wissensstand aufbauen, Möglichkeiten zur individuellen Vertiefung in einzelne Themen für interessierte und leistungsstarke Studierende, etc. Solche Angebote sollten bis hin zur digitalen Präsentationen aktueller Forschungsprojekte reichen, mit denen man die Third Mission, den Wissenstransfer und die Einführung Studierender in Forschungsfragen verbinden könnte. In Hessen hilft uns der Digitalpakt des Landes, der 112 Mio. Euro für die digitale Transformation der staatlichen Hochschulen bereitstellt. Wir werden unseren Anteil für solche digitalen Lehrangebote nutzen, aber auch für die Digitalisierung der Verwaltung und um die Verarbeitung von Forschungsdaten den aktuellen Anforderungen an die Wissenschaft anzupassen. Zusammenarbeit ist dabei wichtig: Die Schaffung vielfältiger Angebote an Selbstlerngelegenheiten in Ergänzung zur Präsenzlehre können Lehrende nicht einzeln innerhalb ihrer Lehrverpflichtung leisten. Sie sollte in landes- oder bundesweiter Zusammenarbeit entstehen und auf überregionalen, attraktiven Lehr-/Lernplattformen zur Verfügung gestellt werden. Auch die Möglichkeit zur Anrechnung solcher Entwicklungen auf das Lehrdeputat würde die Entstehung beschleunigen. Finanzierung von Personen zur praktischen Unterstützung der Lehrenden bei der Schaffung von digitalen Angeboten wäre sehr hilfreich.

Das digitale Lernen braucht technisch gut ausgerüstete Studierende. Wie lässt sich dabei eine Verstärkung der sozialen Spaltung verhindern?
Um digitale Angebote nutzen zu können, brauchen die Studierenden selbstredend entsprechende Endgeräte. Gerade die flexible orts- und zeitunabhängige Nutzung kann durch Computerpools an Hochschulen nur teilweise aufgefangen werden. Daher haben wir zu Beginn der Krise über den AStA mehrere Dutzend Laptops an Studierende ausgegeben. Auf der anderen Seite liegen die Kosten für ein geeignetes Laptop, im mittleren dreistelligen Bereich und für manche Lehr-/Lern-Angebote können auch vorhandene Smartphones genutzt werden. Die Anschaffungskosten für ein so umfassend nutzbares Gerät muss man im Vergleich zu Anschaffungskosten von Büchern und monatlichen Lebenshaltungskosten und zu den Kosten eines Studiums insgesamt bewerten.

Einen Engpass stellt schon eher die Infrastruktur dar. Gute Internetverbindungen sind wichtig. Aber insbesondere auf dem Land, wo nicht wenige unserer Studierenden wohnen, lässt das häufig noch zu wünschen übrig. Wir ermuntern unsere Lehrenden unter anderem deshalb, Videos asynchron bereitzustellen, also als Datei, die die Studierenden beliebig aufrufen können. Dann verpasst man bei einem Hänger oder einem Absturz nichts.

Bei der Digitalisierung setzen die Hochschulen häufig auf Kooperationen, zugleich sollen sie aber ihr Profil im Wettbewerb stärken. Wie lässt sich der Widerspruch von Kooperation und Konkurrenz auflösen?
Exzellente Lehre, die persönliche und digitale Lehrformate in ausgewogener und sich ergänzender Weise nutzt, muss Ziel für alle Hochschulen sein. Hochschulen sollten sich über Forschungsprofile unterscheiden, im Bereich der Lehre aber eher kooperieren, um so den Nachwuchs in der ganzen Breite exzellent zu bilden. In grundständigen Studiengängen sind die Themen bundesweit sehr ähnlich und wir können in Kooperation vielfältige und qualitativ hochwertige Lerngelegenheiten schaffen. In weiterführenden Masterstudiengängen können sich die Hochschulen dann zunehmend auch in der Lehre ausdifferenzieren und die Studierenden an ihre Forschungsprofile heranführen.

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