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Umsatzeinbußen von teilweise mehr als 80% erwartet

Vor welchen Herausforderungen die mitteldeutschen Privatradios stehen - und welche Hilfe sie brauchen

Dr. Daniel Brückl - Vorsitzender, VMPR Verband Mitteldeutscher Privatradios Quelle: privat Dr. Daniel Brückl Vorsitzender VMPR Verband Mitteldeutscher Privatradios 17.04.2020
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Dipl.- Journ. Thomas Barthel
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"Inzwischen geht es nicht mehr um die Frage, ob man am Jahresende ein gutes oder schlechtes Ergebnis einfährt, sondern schlicht um die Gewährleistung einer überlebensnotwendigen Zahlungsfähigkeit", sagt der VMPR-Vorsitzende Dr. Daniel Brückl. Er appelliert an die Politik, schnell und nachhaltig Unterstützung zu leisten.







Die Privatrundfunkanbieter beklagen dramatische Umsatzeinbußen durch die Corona-Krise. Wie ist die Situation in Ihrer Region?
Nicht anders als in vielen Bereichen der Wirtschaft führt die Corona- Krise auch bei den Mitteldeutschen Privatradios zu dramatischen Einnahmeausfällen. Die Mitteldeutschen Privatradios finanzieren sich fast ausschließlich aus Werbeeinnahmen. Niemand bewirbt aber Produkte oder Dienstleistungen, die er aufgrund hoheitlicher Anordnungen derzeit nicht oder kaum vermarkten können wird. Diese Situation wird sich nicht zeitnah verbessern. Nach einer Lockerung oder Aufhebung von Anordnungen müssen die Werbekunden liquide Mittel für den Neustart oder zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs aufwenden, bevor wieder an Werbung gedacht werden kann. Unsere Mitgliedsunternehmen erwarten deswegen auch in den nächsten Monaten Umsatzeinbußen von teilweise mehr als 80%. Wie Sie sich vorstellen können, ist das eine Größenordnung, die kein Unternehmen einfach so kompensiert, insbesondere nicht, wenn dies unerwartet und innerhalb kürzester Zeit geschieht. Inzwischen geht es nicht mehr um die Frage, ob man am Jahresende ein gutes oder schlechtes Ergebnis einfährt, sondern schlicht um die Gewährleistung einer überlebensnotwendigen Zahlungsfähigkeit.

Bei aller wirtschaftlichen Dramatik stemmen die Mitteldeutschen Privatradios unter deutlich erschwerten Bedingungen gleichzeitig ein Angebot, das jetzt erst recht dem erhöhten Informationsbedürfnis der Hörer gerecht werden muss. So arbeiten große Teile der Mitarbeiterschaft dezentral aus Home- Offices. In den Funkhäusern sind lediglich noch die für den unmittelbaren Sendebetrieb unabdingbaren Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

Genau hier setzt die dringende Bitte des VMPR e. V. um finanzielle Unterstützung an. In normalen Zeiten ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit der privaten Hörfunkveranstalter Grundlage für das Angebot publizistisch erfolgreicher Radioprogramme. Diese Basis ging aktuell von heute auf morgen verloren. Trotzdem müssen die Mitteldeutschen Privatradios den gesetzlich und lizenzrechtlich auferlegten Programmerfordernissen genügen.

Im Unterschied zum beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen die Mitteldeutschen Privatradios eine schnelle und bedarfsgerechte Unterstützung durch Bund und/oder Länder. Dabei muss in Art und Höhe berücksichtigt werden, dass die wirtschaftliche Misere nicht im Sommer beendet sein wird. Die aktuell nicht realisierten Umsätze sind in der Regel verloren und werden auch in einer mittelfristigen Betrachtung zu einer deutlichen Schwächung der Mitteldeutschen Privatradios führen. 

Die privaten Hörfunkveranstalter werden nicht zuletzt wegen ihrer hohen und unmittelbaren Informationskompetenz als "systemrelevant eingestuft". Nun bedarf es einer konkreten Antwort auf die Frage, was es hiermit auf sich hat.

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Zur Bewältigung der Krise wird u.a. eine Beteiligung am Rundfunkbeitrag angeregt. Was halten Sie davon?
Zunächst einmal gibt es keine Denkverbote, vor allem in solch herausfordernden Situationen, wie wir sie aktuell vorfinden. Es gilt sämtliche Möglichkeiten zu beleuchten, die ein wirtschaftliches Überleben der privaten Hörfunkveranstalter ermöglichen.

Aktuell können wir in der Frage, aus welcher Richtung wir eine schnelle Unterstützung erhalten sollten, nicht wählerisch sein. Ich bin allerdings skeptisch, ob diese Idee tatsächlich nachhaltig sein kann. Die Höhe des stets heftig diskutierten Rundfunkbeitrages soll sich doch an einem tatsächlichen Finanzbedarf der Rundfunkanstalten bemessen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dort in den Planungen eine bislang unentdeckte Budgetposition auftaucht, die den Mitteldeutschen Privatradios weiterhelfen könnte. Aber man weiß ja nie...

Der VMPR hat seinen offenen Brief vom 02.04.2020 bewusst einem großen Adressatenkreis in der Politik zugeleitet, um einerseits sein Anliegen in aller Dramatik zu unterstreichen und andererseits die Diskussion über das „wie“ möglichst schnell und gemeinsam zu lösen. Schließlich muss eine Unterstützung auch rechtssicher sein. Sonst wäre im Ergebnis nichts gewonnen.

Als eine Möglichkeit wird ebenfalls die vorübergehende Entlastung von den Programmzuführungs- und Verbreitungskosten ins Feld geführt - sehen Sie darin eine Möglichkeit, den privaten Rundfunk zu unterstützen, oder wird damit das Problem lediglich auf die Netzbetreiber abgewälzt?
Die existenzbedrohlichen Einnahmeausfälle für alle privaten Hörfunkveranstalter können durch Rücklagen und Kurzarbeit nicht kompensiert werden. Sie benötigen Hilfe. Allerdings geht es dabei weniger um die Kompensation entgangener Einnahmen. Insoweit unterscheiden sich die privaten Hörfunkveranstalter kaum von anderen Branchen. Vielmehr braucht es einer Unterstützung der Medienbranche im Bereich ihrer öffentlichen Aufgabe im Dualen System.

Die Kosten für den Sendernetzbetrieb inklusive der Signalzuführungen für UKW und DAB+ stellen in der Regel den größten Kostenblock in den Budgets dar. Eine Entlastung an dieser Stelle wäre deswegen wünschenswert, denn hier kann auch nicht gespart werden. Allein die Programmangebote der Mitteldeutschen Privatradios erreichen über den terrestrischen Verbreitungsweg in Mitteldeutschland täglich mehr als 4 Mio. Menschen. Das allein ist ja schon ein überragendes Argument für eine zielgerichtete Unterstützung durch Übernahme dieser Kosten.

Ob und inwieweit die Sendernetzbetreiber einspringen können, ist schwer zu beurteilen. Die Sendernetzbetreiber stehen ihrerseits in Vertragsverhältnissen mit den Antenneneigentümern und am Ende darf man auch die Betreiber der Sendetürme nicht vergessen, deren Mietpreise einen beträchtlichen Teil der Gesamtkosten ausmachen.

Sie sehen also eine Kette von Abhängigkeiten, die mit langen Laufzeiten vertraglich fixiert sind. Umso mehr müssen alle Beteiligten ein großes Eigeninteresse daran haben, dass kurzfristig eine Lösung gefunden wird. Ich glaube allerdings nicht, dass man zwischen einer staatlichen Förderung oder einer Abwälzung die Sendernetzbetreiber entscheiden kann. Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Mitteldeutschen Privatradios sind keine Frage von ein paar Monaten. Es geht um einen deutlichen längeren Zeitraum der Erholung. Hier scheint zuvörderst eine staatliche Förderung unter Einbeziehung aller weiteren Beteiligten vonnöten.

Inzwischen gibt es auch Stimmen, die europäische Hilfen für die Privatrundfunkanbieter wegen ihrer Systemrelevanz fordern. Wie beurteilen Sie diese Forderungen?

Eine globale Krise erfordert europäische Abstimmungen. Es gilt zu verhindern, dass die Corona-Krise zu einem europaweiten Sterben in der privaten Rundfunklandschaft führt. Das würde faktische Nachteile für die Meinungs- und Medienfreiheit bewirken. Es ist wichtiger denn je, die Unabhängigkeit und Lebensfähigkeit der privaten und von allen Seiten akzeptierten systemrelevanten privaten Medienveranstalter zu schützen. Dafür sind Sofortmaßnahmen finanzieller, aber auch regulatorischer Art unerlässlich, um dieses hart erkämpfte mediale Gut in der gesamten EU zu bewahren.

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