Theater, Opern- und Konzerthäuser stehen für eine gewachsene Traditionspflege. Inwieweit wirkt sich die digitale Transformation unserer Gesellschaft auf Ihre Spielpläne und inhaltlichen Formate aus?
Unsere diesjährige Uraufführung „Die Akte Bern“ von Tobi Müller, ein Stückauftrag, beschäftigt sich genau mit diesem Thema, auch in der Oper haben wir nächste Saison ein Stück zum Thema im Programm. Für uns entscheidend bei der digitalen Entwicklung ist aber die Transformation der Kommunikation, der Mediennutzung und damit auch der Medienlandschaft. Wurde unsere Arbeit früher über die Kritiken in den Feuilletons der meinungsbildenden Zeitungen in die Öffentlichkeit getragen, vervielfältigen sich heute die Bilder über uns, weil jeder jederzeit seine Eindrücke für jeden einsichtig veröffentlichen kann. Das ist die größte Veränderung für Kulturhäuser. Diese gehen wir an, indem wir unser digitales Angebot im Laufe der nächsten Spielzeit massiv erweitern. Wir setzen uns aber auch in Hinsicht auf das Urheberrecht dafür ein, digitale Zugänge zu Theater und Konzert zu erleichtern.
Welche digitale Ton-, Video und Bühnentechnik setzen Sie in Ihrem Haus ein – und wofür?
Wir haben gerade vier Jahre der Sanierung unseres großen Hauses hinter uns – die Digitalisierung der Technik war dabei ein großes Thema. Jetzt durchziehen Glasfaserkabel das Haus, das gebaut wurde, als die Stadt noch mit großflächiger Elektrifizierung oder Wasserversorgung beschäftigt war. Livevideo, das nur über starkes WLAN funktioniert, gehört heute genauso zum Standard wie ein Scheinwerfer. Unsere Licht, Video- und Tontechnik arbeitet also ebenso digital wie die Steuerung bestimmter Bühnenteile digital funktioniert.
Welche digitalen Werbemittel, -medien oder -träger setzen Sie ein?
Wir arbeiten mit allen gängigen digitalen Plattformen und daran, sie zielgruppengerecht einzusetzen. Theater, Tanz und Konzert bestehen im Kern aus dem unmittelbaren, vor Ort gemeinsam stattfindenden Erleben. Die Herausforderung für uns besteht darin, diese einmalige menschliche Kulturleistung digital zu vermitteln. Wie gerade angesprochen, bereiten wir seit längerem eine sichtbare Vergrösserung und Veränderung in diesem Bereich vor und werden im Herbst damit online gehen. Sie können also gespannt sein.
Häufig werden Bundles aus Reisen, Übernachtungen und Kulturevents angeboten. Gibt es solche vernetzten Angebote auch bei Ihnen? (bzw.: Planen Sie dergleichen?)
Das tun wir bislang leider nur hie und da – aktuell etwas stärker, weil unser Orchester sanierungsbedingt in einem Saal eine Ausweichspielstätte gefunden hat, die zu einem großen Hotel gehört. Hier bieten wir Packages an, zu denen die Übernachtung über den Dächern Berns mit oder ohne Abendessen gehört. Vor Ort stellt sich außerdem gerade die Tourismusorganisation der Stadt Bern neu auf, und wir sind in Gesprächen, hier präsenter als Highlight von Bern beworben zu werden. Hier sehen wir für uns wie für die Stadt noch viel Potential.
Abschließend gefragt: wieviel Digitalisierung braucht und verträgt der Hochkultur-Betrieb?
Der „Hochkultur“-Betrieb verträgt genauso viel Digitalisierung wie der Mensch. Wir befinden uns am Anfang einer historischen Transformationsphase, und ob diese ältesten Formen von kollektiver künstlerischer Selbstvergewisserung, die Konzert und Theater darstellen, überleben, hängt davon ab, ob die Menschen sie als für sie wichtig erachten. Wenn wir in der digitalen Welt nicht auftauchen, werden wir verschwinden. Aber das Theater hat schon so viele radikale kulturelle Umbrüche durch- und überlebt – an der Digitalisierung wird es nicht zugrundegehen.