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Interview20.07.2018

Technische Lösungen sind die Zukunft gegen Tachobetrug

Warum die geplanten Datenbanken dennoch gut sind

Dr. Dieter-L. Koch, Mitglied Europäisches Parlament, stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr Quelle: EP Dr. Dieter-L. Koch Mitglied Europäisches Parlament
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Der Europaabgeordnete Dieter-Lebrecht Koch (CDU) unterstützt das Vorhaben der EU, mit einer Speicherpflicht gegen Tachobetrug vorzugehen. "Es handelt sich 1. um ein erprobtes, unbürokratisches, ausgereiftes Verfahren, das 2. schnell in die Praxis umsetzbar ist", erklärt er.





Die EU will künftig mit einer Speicherpflicht gegen Tachobetrug vorgehen. Was halten Sie von dieser Idee?
Ich finde diese Idee hervorragend und unterstütze sie aus zweierlei Gründen gern. Es handelt sich 1. um ein erprobtes, unbürokratisches, ausgereiftes Verfahren, das 2. schnell in die Praxis umsetzbar ist. Wir müssen schnell handeln und zu Lösungen kommen, dürfen nicht auf komplizierte technische Erfassungssysteme - Stichwort: Block-Chain-Technologie - warten, die auch im Gespräch sind. Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden besteht bereits eine solche Speicherpflicht. In Belgien z.B. verfügt jeder Gebrauchtwagen über einen Car-Pass, der den Kilometerstand bei jeder Wartung, Instandhaltung, Reparatur oder regelmäßigen Überwachungen des Fahrzeugs sowohl in Papierform als auch elektronisch erfasst. In diesen beiden Ländern ist es dadurch geglückt, den Tachobetrug beinahe komplett zu unterbinden. Wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen. In Anbetracht der Tatsachen, dass einerseits der grenzüberschreitende Gebrauchtwagenmarkt zwei bis drei Mal so hoch ist, wie der Neuwagenhandel und andererseits der Anteil der manipulierten Fahrzeuge, die grenzüberschreitend verkauft werden, bei 30-50 % liegt, besteht wirklich dringender Handlungsbedarf! Schließlich geht es um mehr als ein Kavaliersdelikt. Es geht um Betrug! Betrug an gutgläubigen Käufern. Sie zahlen drauf bei den Anschaffungskosten und den Folgekosten für Wartung und Instandsetzung. Schließlich wird der wirtschaftliche Gesamtschaden in der EU auf 5,6 - 9,6 Mrd. EUR geschätzt. Schlimmer ist noch, dass der nicht erkennbare, erhöhte Verschleiß von Fahrzeugen mit manipulierten Kilometerzählern eine echte Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit darstellt!

Welche Vorteile hätte ein Datenbanksystem gegenüber einer technischen Lösung?
Eine Datenbank könnte zeitnah eingesetzt werden, es gibt sogar schon eine, die europaweit dafür genutzt werden könnte, EUCARIS. Mehr dazu unter Frage 3. Diese könnte sogar zur sofortigen Anwendung kommen. Eine Speicherpflicht von Daten der Nachbarstaaten ist auch unproblematisch im Einsatz. Es werden dabei keine Personen bezogene Daten erfasst!

Technische Lösungen sind natürlich die Zukunft, es gibt heute schon „Hardware-Sicherheitsmodule“ und „sichere Hardware-Erweiterungen“, um Motorsteuergeräte vor Manipulation zu schützen. Jedoch sind diese noch lange nicht in allen Neuwagen eingebaut und eine Nachrüstpflicht für auf dem Markt befindliche Fahrzeuge ist undenkbar. Deshalb sind Entwicklungen technischer Lösungen noch unklar.

Inwieweit können die geplanten nationalen Datenbankregelungen etwaigen Missbräuchen beim grenzüberschreitenden Handel entgegenwirken?
Die Idee ist zunächst nationale Datenbanken zu erstellen, mit dem Ziel, diese natürlich nachfolgend miteinander zu vernetzen. Gute Erfahrungen mit diesem Prinzip gibt es bereits beim Europäischen Fahrzeug- und Führerschein Informationssystem (EUCARIS). Dieses System ist eine zentrale EU-Plattform, die die Infrastruktur und die Organisation für den Austausch von Fahrzeug- und Fahrerlaubnisdaten zwischen berechtigten öffentlichen Stellen ermöglicht. Dabei werden die zentralen nationalen Verkehrsregister im Rahmen von EUCARIS miteinander vernetzt. Es wird heutzutage beispielsweise zur grenzüberschreitenden Aufdeckung von Fahrzeugdiebstählen oder der Terrorismusbekämpfung genutzt.

Welche Regeln halten Sie darüber hinaus im innereuropäischen Handelsmarkt für Gebrauchtwagen am dringendsten?
Zunächst einmal sollte die Manipulation des Kilometerstandes eine Straftat darstellen und nicht nur ein Vergehen, welches keine größeren Folgen nach sich zieht. Nur in sechs Mitgliedstaaten gilt die Tacho-Manipulation heute als Straftat.

Viele der Gebrauchtwagen werden heutzutage online gekauft und hier sollten die Verbraucherrechte gestärkt werden. Momentan kann man europaweit beim Onlinekauf die zweijährige Gewährleistungszeit auf ein Jahr reduzieren, was in der Regel auch so gehandhabt wird beim Gebrauchtwagenkauf. Das EU-Parlament hat sich im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie zu Aspekten des Warenhandels, in einer Abstimmung im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dafür ausgesprochen, diese Gewährleistungsverkürzung nur zu erlauben, wenn die Ware in Augenschein genommen werden kann. Wenn sich das durchsetzen ließe, würde dies bedeuten, dass bei Onlinekäufen, bei denen die Ware nicht in Augenschein genommen werden kann, die reguläre Gewährleistung von zwei Jahren nicht reduziert werden dürfte. Die weiteren Verhandlungen mit den Rat werden noch zeigen, ob sich diese Haltung durchsetzen kann oder nicht.

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