Menue-Button
← FACHDEBATTE
Interview17.07.2018

Tachomanipulationen verursachen jährlich Milliarden-Schäden

Was aus Sicht des TÜV wirklich helfen würde

Richard Goebelt, Member of the Management Board and  Director of the Division: Automotive & Mobility VdTÜV - Verband der TÜV e.V. Quelle: VdTÜV/ Thomas Rosenthal Richard Goebelt Leiter VdTÜV Verband der TÜV
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Nationale Datenbanken sind sicher ein erster guter Schritt Tachomanipulationen besser zu erkennen", sagt der TÜV-Experte Richard Goebelt. Doch sein Verband schlägt noch weitergehende Lösungen vor.





Die EU will künftig mit einer Speicherpflicht gegen Tachobetrug vorgehen. Was halten Sie von dieser Idee?
Wir unterstützen daher jede effektive Schutzmaßnahme gegen systematische Tachomanipulationen. Von Manipulationen des Gesamtkilometerstands sind nach Schätzungen der Europäischen Kommission bis zu 12 Prozent aller Gebrauchtwagengeschäfte betroffen, bei grenzüberschreitenden Geschäften sollen es sogar bis zu 50 Prozent sein. Das hat dramatische Auswirkungen nicht nur für betrogene Käufer, die einen viel zu hohen Kaufpreis zahlen. Kilometerstände dienen zudem nicht nur der Bewertung des Verkaufswerts eines Gebrauchtwagens, sondern sind auch als Referenzwert in sicherheits- und umweltrelevanten Bauteilen wichtig. Die Motorsoftware nutzt ihn beispielsweise, um zu ermitteln, ob die Tankfüllung mit AdBlue zur Neige geht oder der Partikelfilter in den Regenerationsmodus fallen soll. Europaweit verursachen Tachomanipulationen jährlich einen Schaden von bis zu 9,6 Milliarden Euro.
 
Welche Vorteile hätte ein Datenbanksystem gegenüber einer technischen Lösung?
Nationale Datenbanken sind sicher ein erster guter Schritt Tachomanipulationen besser zu erkennen. Die obligatorische Aufzeichnung der Stände von Kilometerzählern, wie sie in der EU- Richtlinie 2014/45/EU zur periodischen technischen Überwachung der Fahrzeuge gefordert wird, haben einige EU-Staaten in der Vergangenheit bereits aufgegriffen. So führten die Niederlande und Belgien elektronische nationale Register ein, in die bei jedem Werkstattbesuch oder einer Hauptuntersuchung der jeweilige Kilometerstand eingetragen wird. Die Einführung entsprechender Datenbanken in Belgien und den Niederlanden haben die Manipulationsfälle deutlich reduzieren können.
 
Inwieweit können die geplanten nationalen Datenbankregelungen etwaigen Missbräuchen beim grenzüberschreitenden Handel entgegenwirken?
Viele Datenbank-Anbieter, die Zertifikate für Kilometerstände ausgeben, sichern nicht gegen beispielsweise falsch angegebene Kilometerstände juristisch ab. Zudem stoßen einzelstaatliche Maßnahmen gegen Tachomanipulationen im grenzüberschreitenden Verkehr an ihre Grenzen. Viele Datenbank-Eintragungen beginnen zudem erst mit der ersten Hauptuntersuchung, bei der das Fahrzeug bereits drei Jahre alt ist. Dem Kunden ist in diesen Fällen letztlich nicht geholfen. Sinnvoll ist hier sicher eine gesamteuropäische Datenbankinfrastruktur, die auch für die Kunden zugänglich ist. Die Wirksamkeit aller bisher implementierten Verfahren und rechtlichen Möglichkeiten verhindern einen systematischen Tachobetrug in der EU jedoch nicht.
 
Welche Regeln halten Sie darüber hinaus im innereuropäischen Handelsmarkt für Gebrauchtwagen am dringendsten?
Vielversprechend sind Forderungen der EU-Kommission entsprechend der neuen EU-Verordnung 2017/1151, nach der nun die Automobilhersteller gegenüber der Genehmigungsbehörde verpflichtet werden, eine Beschreibung der getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung eines unbefugten Eingriffs oder einer Veränderung an dem Kilometerzähler einschließlich der Aufzeichnung der Werte des Kilometerstands offenzulegen. Konkrete Ausführungsbestimmungen von möglichen Maßnahmen von Seiten der EU-Kommission zur Verhinderung von Tachomanipulationen bzw. Prüfverfahren im Rahmen der Hauptuntersuchung fehlen allerdings noch. Der TÜV-Verband setzt sich bereits seit langem für eine zeitnahe gesetzliche Grundlage ein, mit der alle relevanten Softwareinformationen den Prüforganisationen für die elektronische Prüfung beispielsweise auch des Tachometers mit dem HU-Adapter von den Fahrzeugherstellern bereitgestellt werden. Mit Blick in die weitere Zukunft hat der TÜV-Verband in diesem Zusammen hang im vergangenen Jahr mit der Automotive Security Platform eine einheitliche Sicherheitsarchitektur in neuen Fahrzeugen vorgeschlagen, um die Manipulationssicherheit der elektronischen Steuergeräte wie auch des Tachometers zu verbessern. Zum Einsatz könnten sogenannte Hardware-Security-Module (HSM) oder Secure Elements kommen, die in Standard-Mikrocontrollern im Fahrzeug integriert werden.

UNSER NEWSLETTER
Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN
■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Dieter-L. Koch
Mitglied
Europäisches Parlament

Dr. Dieter-L. Koch, Mitglied Europäisches Parlament, stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr
EU | Autohandel

Technische Lösungen sind die Zukunft ■ ■ ■

Warum die geplanten Datenbanken dennoch gut sind

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Dieter-L. Koch
Mitglied
Europäisches Parlament

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Karoline Graswander-Hainz
MdEP
Europäisches Parlament, Fraktion der S&D

Karoline Graswander-Hainz, MdEP
EU | Autohandel

Datenbanken und Technik gegen Tachobetrug

Was schon beim EU-Gebrauchtwagen-Handel passiert ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Karoline Graswander-Hainz
MdEP
Europäisches Parlament, Fraktion der S&D

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Marion Jungbluth
Leiterin Mobilität und Reisen
Verbraucherzentrale Bundesverband

Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen, Geschäftsbereich Verbraucherpolitik, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
EU | Autohandel

Der sichere Tacho ist die ■ ■ ■

Warum die geplante Datenbank-Lösung ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Marion Jungbluth
Leiterin Mobilität und Reisen
Verbraucherzentrale Bundesverband

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.