Wie weit ist die Digitalisierung in der Branche schon fortgeschritten?
Die verschiedenen Technologien der Digitalisierung und Vernetzung finden im Industrieservice ein breites Anwendungsfeld. Dabei erscheinen die Potenziale dieser Technologien noch lange nicht ausgeschöpft. Viele Industriedienstleister sind mit ihren Kunden, den produzierenden Unternehmen bereits eng vernetzt und tauschen digital ihre Daten aus. Das können z.B. Zustandsdaten der Anlage oder Auftragsdaten zu erforderlichen Instandhaltungsleistungen sein. Viele Anlagenhersteller bieten zudem einen Remote-Service mit einer Online-Datenerfassung an, mit Hilfe dessen jederzeit der Zustand der Anlage überwacht und im Störungsfall schnell aus der Ferne Störungen behoben werden können.
Allerdings sind solche Technologien noch lange nicht bei allen Industriedienstleistungen im Einsatz. In vielen Fällen werden auch noch klassische Auftragspapiere ausgetauscht. Hierbei sind es aber in der Regel die Produzenten, die einem digitalen Datenaustausch noch kritisch gegenüberstehen. Zum einen sind dabei die Schnittstellen zwischen den Systemen der Industriedienstleister und der Produzenten noch nicht standardisiert. Zum anderen verhindert die Sorge um unkontrollierten Datenzugang und den Missbrauch der Daten den Einsatz von digitalen Lösungen im Industrieservice.
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Welche Bedeutung hat bei dieser Entwicklung die Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Dienstleistern?
Die vollständigen Potenziale der Digitalisierung und Vernetzung können nur dann genutzt werden, wenn Produzenten und Industriedienstleister vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wenn dieses Geschäftsverhältnis lediglich zu einer kurzfristigen Kosteneinsparung genutzt werden soll, können die Technologien der Digitalisierung kaum sinnvoll eingesetzt werden. Den vollen Nutzen erzielen solche Technologien nur dann, wenn das Verhältnis zwischen Produzenten und Dienstleistern als möglichst langfristige Service-Partnerschaft verstanden wird.
Dabei wird der Digitale Zwilling einer instand zu haltenden Anlage eine zentrale Rolle spielen. Mit ihm lassen sich alle relevanten Daten und Informationen über die Anlage in einer Quelle speichern und nach Möglichkeit für den jeweiligen Dienstleister zur Verfügung stellen. Voraussetzung ist, dass der Produzent dem Dienstleister vertraut und so bereit ist, die Daten des Digitale Zwillings zu teilen.
Diese Veränderungen verlangen auch nach mehr Qualifizierung beim Personal. Wie regelt man das?
Eine wichtige Grundlage für die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist ein neues Mindset bei allen Beteiligten. Dieses Mindset beinhaltet das Bewusstsein, die Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Dienstleistern als langjährige Partnerschaft zu beidseitiger Wertsteigerung zu verstehen. So werden nicht nur Daten des Digitalen Zwillings vom Produzenten bereitgestellt, sondern mit der erfolgten Dienstleistung werden neue Daten durch den Dienstleister in den Digitalen Zwilling zurückgespielt. So wächst der Digitalen Zwilling mit jeder erfolgten Dienstleistung.
Dieses Bespiel zeigt, wie wichtig zukünftig auch die Informatik-Kompetenzen für Industriedienstleister werden. Umfangreiche Datensätze müssen dabei verarbeitet werden können, insbesondere wenn eine vorausschauende Instandhaltung erwartet wird. Gleichzeitig müssen die Beteiligten kompetent in der IT-Security sein, um ungewollte Zugriffe zu verhindern.
Wir haben hierzu ein umfassendes Kompetenzmodell aufgestellt, nachdem wir an der DHBW Mannheim die Ausbildung im Studiengang Service Engineering ausrichten.
Welche Möglichkeiten bei der weiteren Digitalisierung von Wartung und Instandhaltung sind derzeit absehbar?
Die Potenziale der Datenauswertung werden derzeit noch lange nicht ausgeschöpft. In vielen Unternehmen existieren zu einer Anlage viele unstrukturierte Datensammlungen in unterschiedlichen, isolierten Datenbanken. Zwischen diesen Datensammlungen besteht in der Regel kein systematischer Austausch. Wir sind also noch weit davon entfernt, dass der Digitale Zwilling als „one single source of truth“ – also als die eine, zuverlässige Informationsquelle – im Unternehmen und in der Geschäftsbeziehung zwischen Produzenten und Industriedienstleister verstanden wird.
Es muss daher unser Ziel sein, diesen Digitalen Zwilling als zentralen Datensatz mit allen relevanten Informationen zur Anlage zu etablieren, in dem der Abnutzungszustand einer Anlage möglichst vollständig beschrieben ist. Anhand dieser Daten lassen sich dann mit Hilfe intelligenter KI-basierter Algorithmen Prognosen zur weiteren störungsfreien Laufzeit der Anlage treffen. So können Produzenten und Industriedienstleister gemeinsam die Instandhaltung der Anlage optimieren.