Ende 2019 ist das dritte Smart Meter Gateway zertifiziert worden. Wie läuft aus Ihrer Sicht der Smart Meter Roll out?
Die Branche hat Anfang dieses Jahres wirklich aufgeatmet: Nach einer langen Hängepartie ging es endlich los. Die Corona-Krise hat nochmals etwas gebremst. Gerade in diesen Wochen nimmt der Rollout aber spürbar an Fahrt auf. Noch gibt es wichtige Lücken in der Definition von Sicherheitsprofilen, diese werden aber Ende des Jahres geschlossen sein. Für den Rollout spielt das aber keine Rolle: Über Updates erfüllen die Gateways dann auch alle Erwartungen an die Funktionalitäten, insbesondere das Steuern von Geräten.
Wir sind in einer Situation, die vergleichbar ist mit der Einführung der ersten Smartphones. Mit der technologischen Basis entwickelt sich eine ungeahnte Vielfalt von Diensten. Im Laufe des kommenden Jahres erwarte ich, dass nicht mehr nur überwiegend dort Smart Meter installiert werden, wo die gesetzliche Pflicht greift, sondern zunehmend auch attraktive Mehrwertdienste angeboten werden, für die dann auch marktgetrieben intelligente Messsysteme verbaut werden.
Dazu wird auch die Reform der Netzentgelte beitragen, die gerade diskutiert wird. Schon bald sollen dann geringere Netzentgelte einen Anreiz dafür bieten, dass ein Energiemanagementsystem nicht nur Photovoltaik-Anlage, Wärmepumpe und das Laden des Elektroautos hinter dem Hausanschluss optimal kombiniert, sondern über das Smart Meter Gateway auch zur Stabilität des Verteilnetzes beiträgt.
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Neben den klassischen Netzbetreibern dürfen nun auch wettbewerbliche Messstellenbetreiber Smart Meter betreiben. Wie hat sich der Markt aus Ihrer Sicht entwickelt?
Wettbewerbliche Messstellenbetreiber mischen schon heute den Markt auf und schaffen mit unzertifizierten Smart Metern die Grundlage für neue Geschäftsmodelle und Mehrwertdienste. So gibt es zum Beispiel schon heute für jedermann Angebote, in denen der Stromlieferant monatsgenau abrechnet und Stromfresser im Haushalt identifiziert.
Wenn nun mit dem Smart Meter Rollout nach und nach die technische Infrastruktur wächst, wird sich die Marktdynamik deutlich intensivieren. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass Messdienstleister aus dem Wärmebereich ihr Angebot auf andere Medien ausweiten. Wir werden also rund um das digitale Stromnetz eine neue Anbietervielfalt und völlig neue Dienste erleben.
Bei einer Untersuchung in Süddeutschland gaben über 2/3 der Befragten an, noch nicht von Smart Metern oder Intelligenten Messsystemen gehört zu haben. Wie bewerten Sie das?
Das verwundert nicht. Schließlich ging es mit dem gesetzlichen Rollout erst Anfang des Jahres los. Außerdem greift die gesetzliche Pflicht erst ab einem Verbrauch von 6000 kWh pro Jahr. Zum Vergleich, ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt kommt gerade einmal auf 4000 kWh pro Jahr. Das heißt die meisten normalen Haushalte sind davon aktuell nicht betroffen. Mit der Verbreitung von Photovoltaik-Anlagen, E-Autos und dem Heizen mit Strom werden dennoch immer mehr Haushalte eingebunden. Dort wo die gesetzliche Pflicht dann greift, können einfach und kostengünstig zusätzliche Dienste angeboten werden. Und diese führen dazu, dass immer mehr Menschen mit den neuen Möglichkeiten in Berührung kommen, und viele auch freiwillig ein Gateway installieren und damit die Bekanntheit wiederum weiter steigt.
Derzeit ist die künftige Verwendung von Smart Metern erst ab einer bestimmten Stromverbrauchsmenge vorgeschrieben – inwieweit lassen sich damit die Einsparungs- und Optimierungspotenziale von Smart Metern ausschöpfen?
Die Schwelle von 6000 kWh hat der Gesetzgeber bewusst gesetzt. In der Regel überspringt man sie erst, wenn eine Wärmepumpe oder eine Ladestation für das E-Auto installiert werden. Das sind genau die neuen Stromverbraucher im Privathaushalt, die eine Verantwortung für das Gesamtsystem haben. Sie können nämlich anders als ein Fernseher so gesteuert werden, dass sie zu einer bestimmten Zeit Strom verbrauchen und zu einer anderen nicht. Im Fall des Elektroautos kann die Batterie des Fahrzeugs sogar bei Bedarf Strom zurückspeisen. Wenn unsere Energieversorgung künftig vor allem aus Sonne und Wind kommt, ist genau diese Flexibilität wichtig um wetterbedingte Erzeugungsschwankungen auszugleichen. Das ist die Sektorkopplung für den Privathaushalt und die funktioniert nur mit einem Daten- und Informationsaustausch, also dem Smart Meter Gateway.
Und wenn dann auch noch eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ist, wird künftig in aller Regel ein Energiemanagementsystem installiert. Stromfressende Geräte werden nicht mehr unentdeckt bleiben, das Bewusstsein für den Energieverbrauch geschärft und aus dem Bürger als reinem Stromverbraucher, dem Konsumenten, wird ein Prosumer, der einen wichtigen Beitrag für das Gesamtsystem leisten kann.