Welche Aufgaben stehen generell zur Lösung an, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Deutschland bzw. Europa zu etablieren?
Nur wenn bestehende Produktions- und Konsummuster nachhaltiger gestaltet und Ressourcen effizienter genutzt werden, können wir uns dem Ideal einer Kreislaufwirtschaft, in der möglichst wenig Primärrohstoffe verbraucht werden, weiter annähern. Konsum und Produktion müssen raus aus der „Einbahnstraße Einweg“. Produkte müssen von den Herstellern generell so konzipiert und produziert werden, dass sie die Kriterien langlebig, widerstandsfähig und recycelbar erfüllen.
Die Entsorgungs- und Recyclingbranche nimmt hierzu eine entscheidende Schlüsselrolle in der Kreislaufwirtschaft ein. Um dieses etablierte und effektive System weiter auszubauen, müssen einerseits Voraussetzungen dafür geschaffen werden, diesem mehr hochwertiges und recyclingfähiges Material zuführen zu können. Andererseits müssen Abnehmermärkte weiter ausgebaut und gefördert werden, die aufbereitetes Sekundärmaterial auch wieder einsetzen, damit ein echter Kreislauf entstehen kann. Und das global!
Dazu bedarf es der gemeinsamen Anstrengung aller an der Kreislaufwirtschaft Beteiligten. Vom Produzenten über den Handel, die Konsumenten bis hin zur Entsorgungs- und Abfallwirtschaft. Auch Gesetzgeber sind gefragt, mit lenkungswirkenden Instrumenten auf nationaler, EU-weiter und globaler Ebene, die Kreislaufwirtschaft sowie die gesetzten Ziele zum Klima- und Ressourcenschutz zu unterstützen.
Kann die Digitalisierung der Informations- und Distributionswege allein schon die Recyclingwirtschaft effektiver und effizienter machen?
Der Bundesverband Sekundärstoffe und Entsorgung sieht die digitale Transformation durchaus als Chance auf dem Weg zu einer umfassenden, nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und als möglichen Brückenbauer für einen verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen. Die meisten Branchenunternehmen nutzen die Digitalisierung bereits, um ihre Effektivität erfolgreich zu steigern.
Allerdings ist der Digitalisierungsgrad in den Unternehmen je nach Unternehmensstruktur und Geschäftsbereich heute noch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während die Aufbereitungs- und Verwertungsunternehmen den Digitalisierungsfokus auf weitere Automatisierung und den Ausbau von Unternehmensanlagen legen, um Kapazitäten zu erhöhen, setzen Entsorger überwiegend auf Optimierungen in die Arbeitsabläufen, insbesondere in der Logistik, Echtzeitinteraktion mit Kunden, und die Neuanordnung von Wertschöpfungsketten durch Plattformen.
Das weitere Entwicklungspotenzial der Digitalisierung wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit es sich für die Unternehmen letztendlich auch lohnt, hohe Investitionen, beispielsweise in Systemumstellungen und in Mitarbeiterschulung, zu tätigen. Der übergreifende Erfolg der Digitalisierung in der Kreislaufwirtschaft hängt unseres Erachtens zudem entscheidend davon ab, das vor allem Hersteller umfassende Informationen zu ihren Produkten in ein digital vernetztes System einspeisen. Nur mit detaillierten Informationen (beispielweise zur Zusammensetzung von Produkten, Anfallstellen und Mengen) kann die Effektivität für Arbeitsprozesse im Recycling und für das Wertschöpfungspotenzial gesteigert sowie eine schnellere Weiterleitung der Sekundärrohstoffe von den Aufbereitern an die Abnehmer aus der Industrie möglich gemacht werden.
Inwiefern, wenn überhaupt, benötigt die Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit den Druck bzw. die Unterstützung von Politik und Gesellschaft?
Das Recycling und die Kreislaufwirtschaft insgesamt funktionieren nicht ohne die Unterstützung aller Wirtschaftsbeteiligten. Vor allem Hersteller und Konsumenten können mit bewusst nachhaltigen Produktions- bzw. Kaufentscheidungen und einer konsequenter Abfalltrennung noch viel verstärkter ökologische Verantwortung und damit einen entscheidenden Einfluss auf eine positive Trendwende nehmen. Der Politik obliegt es, die Kreislaufwirtschaft mit einem verlässlichen Rechtsrahmen, lenkungswirkenden Gesetzen und investitionsfördernden Maßnahmen zu unterstützen. Erste Schritte wurden mit dem Verpackungsgesetz und der EU-Abfallrahmenrichtlinie bereits eingeleitet. Es bedarf jedoch noch weiterer Vorgaben, um verlässliche Märkte für Sekundärrohstoffe zu etablieren und Recyclingquoten weiter zu steigern.
Bekommen wir mit einem umfassenden Kreislaufwirtschaftssystem die Umweltprobleme, die sich aus dem Abfall ergeben, schon in den Griff?
Zunächst muss Abfall nicht zwangsläufig ein Umweltproblem bedeuten! Durch fachgerechte Aufbereitung und Verwertung verwandelt die Recyclingbranche einen Großteil der Abfälle schon heute in die Sekundärrohstoffe von morgen. Sie spart natürliche und energetische Ressourcen, vermeidet klimaschädliche CO2-Emissionen, sorgt mit einer sicheren Schadstoffentfrachtung für den Schutz von Mensch und Umwelt. Diesen hohen ökologischen Nutzen gilt es aber weiter auszubauen.
Entscheidend dafür, die Umweltprobleme insgesamt in den Griff zu bekommen, wird jedoch sein, dass sich die Konsumgesellschaft weltweit der begrenzten Ressourcen ihres Lebensraumes und ihrer eigenen Verantwortung für den Umweltschutz bewusst wird und jeder einzelne entsprechend nachhaltig handelt.