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Psychologe fordert dringend Nachbesserungen bei neuen Glücksspiel-Regeln

Warum der neue Staatsvertrag so nicht in Kraft treten sollte

Dr. Günter Toth - Leiter Institut für Prävention, Jugendschutz und Glücksspiel Quelle: ipjg Dr. Günter Toth Leiter Institut für Prävention, Jugendschutz und Glücksspiel 10.03.2020
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Wenn es noch einen kleinen Funken Anstand in den Gremien der Länderverantwortlichen gibt, dann muss unbedingt nachgebessert werden", sagt Dr. Günter Toth, Leiter des Instituts für Prävention, Jugendschutz und Glücksspiel mit Blick auf die geplanten Regeln des neuen  Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag (GlüNeuRStV). Er hat einen umfangreichen Forderungskatalog.







Mit dem neuen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag (GlüNeuRStV) sollen ein Einsatz-Limit von 1000 Euro pro Monat für Online-Spieler und eine Spieler-Sperrdatei kommen. Inwiefern schützen die Regeln aus ihrer Sicht vor Spielsucht?
a) Limit von 1.000EUR
Die Einführung von einem Einsatz-Limit in der genannten Höhe und dies auch noch bezogen auf die Online-Angebote der Branche sind nichts weiter als eine nach außen zur Schau gestellte Selbstbeschränkung, die im Kern nicht den ge-ringsten Wert hat. Jeder weiß, dass ein Suchtkranker enorm findig ist, wenn es darum geht, seine Sucht auszuleben. Dem Anbieter ist es dabei egal, woher das Geld kommt, denn es wird immer vom Spieler beschafft. Der Anbieter gibt ihm nur die Plattform, es wieder loszuwerden.

Spieler, die das Online-Spiel für sich entdeckt haben, finden eine ganze Reihe von Möglichkeiten, solche lächerlich einfachen Beschränkungen zu umgehen. Ob diese Wege legal sind, spielt im Augenblick des Suchtdrucks keine Rolle für den Spieler. Dies zu überwachen ist nur zum Teil möglich und die Verantwor-tung für die Überwachung wird in der Regel von den Betreibern nicht wirklich angenommen. Die Branche nützt auch in keiner Weise die technisch verfügba-ren Möglichkeiten aus, wenn es um den Schutz der Spieler geht.

Im Gegenteil: Bisher wird gegen jede logische Nachvollziehbarkeit das illegale Online-Spiel in sämtlichen Fernseh-Kanälen beworben. Darüber hinaus wird für den Spielerschutz dort nichts unternommen. Dass sich das ändern soll, ist meines Erachtens reines Wunschdenken.

Dabei ist es auch belanglos, ob Einsatz-Limits eingeführt werden oder nicht. Allein der Betrag von 1.000 EUR monatlich ist schwindelerregend. Hierzu ist nur mal zu erfragen, wie viele Spieler es gibt, die tatsächlich eine Summe von 1.000 EUR mtl. in der Weise zur Verfügung haben, dass sie das Geld einfach entbehren können. Die meisten der Spieler sind nicht vermögend und gehören maximal dem Mittelstand an. 12.000 EUR im Jahr sind der Betrag, den viele Menschen im Niedriglohnsektor im Jahr zur Verfügung haben. Wenn dieser Betrag als Limit dient, dann scheinen die Regierungen der Länder von bedeu-tend divergierenden Einkommen auszugehen, die Einwohner ihrer Länder für gewöhnlich zur Verfügung haben.

b) Sperrdatei etc.
Die Einführung einer Sperrdatei ist nur dann eine wirkungsvolle Maßnahme, wenn diese bundesweit – besser noch europaweit – einheitlich, verbindlich und funktionsfähig installiert wird. Die Kosten für eine funktionierende Sperrdatei sind enorm und die logistischen Aufwendungen sind gigantisch. Deswegen wird auch nie eine Sperrdatei in Deutschland existieren, die tatsächlich funkti-oniert. Wir kennen das aus dem Bereich des gewerblichen Spielhallenbetriebs. Hier gibt es bisher nur in wenigen Bundesländern eine auf das Land be-schränkte Sperrdatei, die aber schon deswegen nicht funktioniert, weil die Sperre eines Spielgastes in der Regel auf Freiwilligkeit beruht (derzeit in Bay-ern) und die Kontrolle durch eine übergeordnete Aufsichtsbehörde nicht gege-ben ist. In Bayern kann sich ein Spielgast beispielsweise für seine Spielhalle sperren lassen, hat aber keine Probleme, in eine andere Halle eingelassen zu werden. Die Frage nach dem Sinn einer solchen Sperre drängt sich unmittelbar auf!

Die Glücksspielbranche (vor allem im Online-Angebot) hat im Grunde genommen an einer solchen funktionierenden Sperrdatei auch kein tatsächlich glaubwürdiges Interesse! Wäre dem so, hätte die Branche von sich aus im Rahmen der vorhandenen technischen Möglichkeiten schon sämtliche Register gezogen, um sich hier nicht angreifbar zu machen. Dem ist aber nicht so und die Glaubwürdigkeit der Online-Anbieter ist nicht gerade dazu angetan anzuwachsen, wenn man sich die aggressive Werbekam-pagne betrachtet, mit der teils schon vormittags für illegales Handeln geworben wird. Auch hier ist ein Totalversagen der Aufsichtsbehörden (Landesmedien-anstalten) feststellbar, da das Bewerben illegaler Handlungen nicht gestattet ist.

Es ist also deutlich ersichtlich, dass ein wirksamer Schutz vor Spielsucht durch diese Regeln nicht gegeben ist. Soll so ein Schutz tatsächlich erzielt werden, so ist nur eine Lösung denkbar: Die Aufrechterhaltung des Verbots von Online-Casinos und die strikte Novellierung des GlüStV für die gewerblich betriebenen Spielhallen hinsichtlich tatsächlich effektiv wirkender Regularien und nicht nur von Technischen Regulierungsmaßnahmen (TR), von denen zuletzt die TR 5 im November 2018 die Spielgäste in Scharen ins illegale Online-Spiel trieb.

Dass die Online-Anbieter nicht auch nur einen einzigen Cent ausgeben, der nicht wieder in ihre Taschen zurückkehrt, darf ganz getrost unterstellt werden. Deswegen ist dem Missbrauch auch hier wieder Tür und Tor geöffnet.

Datenschützer kritisieren, dass durch die Regeln „gläserne Spieler“ entstehen – was sagen Sie dazu?
Der Datenschutz ist in der Online-Welt ohnehin ein sehr schwieriges Thema. Wenn man diesen nun als Co-Bewertungsfaktor im Sinne einer Entscheidungsfindung für ein regulär zu betreibendes Glücksspiel im Internet anlegen will, dann wird das zum Ausschlusskriterium. Denn das Online-Spiel hat bis heute nicht wirksame Möglichkeiten genutzt, beispielsweise Minderjährige, die sich illegal Zugang zum Online-Casino verschafft haben, zu identifizieren. Seriöse Alterskontrollen oder die Überwachung von Zugangskriterien sind nicht vorhanden und werden auch nie funktionierend installiert werden. Das widerspricht dem ureigenen Interesse des Betreibers. Gerade im Online-Sektor ist der Betreiber nicht auf gesunde Spielgäste angewiesen. Der Betreiber einer Spiel-halle, der seine Existenz und die Gesundheit seiner Gäste ernst nimmt, hinge-gen schon. Das macht die Online-Zockerei noch gefährlicher, weil niemand überwacht, wer da gerade spielt.

Dass ein Spielgast gläsern wird, ist dabei die geringste Gefahr. Schließlich ist es bis heute sehr gut gelungen, die Durchsichtigkeit insoweit in Grenzen zu hal-ten, dass nicht exakt zu beziffern ist, wie hoch die Umsätze im bis heute illega-len Online-Casino tatsächlich sind und wie viele Milliarden an Steuern dem Staat Jahr für Jahr tatsächlich verloren gegangen sind.

Fakt ist, dass es dann, wenn es um den Spielgast geht, der Schutz der persönlichen Daten nicht so großgeschrieben wird, wie wenn es um den Abfluss der Gewinne von Betreibern ins steuergünstige Ausland geht. Auch hier gilt eine klare Prioritätensetzung, die heute praktiziert wird und von der nicht anzuneh-men ist, dass sie morgen besser werden wird. Die Erfahrung lehrt, dass der Wolf nie richtig satt wird. Der Datenschutz im Online-Spiel wird immer eine Farce bleiben.

Geplant ist eine zentrale Glücksspielbehörde der Länder. Wie bewerten Sie das?
So sehr einen Aufsichtsbehörde für das Glücksspiel in Deutschland benötigt würde und so sehr diese auch wünschenswert wäre, ist zu fragen, ob das tatsächlich kommen wird. Denn Tatsache ist, dass das Glücksspiel in Deutschland seit vielen Jahren üble Auswüchse angenommen hat und seit ca. 2012 unter Aufbietung von viel Mühe in seinem Wildwuchs zumindest ein wenig zurückgeschnitten worden ist. Dabei wurde aber seitens des Gesetzgebers viel Luft gelassen für neue Umtriebe, so dass die intern sprudelnden Geldquellen immer weiter sprudeln können und die Branchengiganten immer weiter abzocken können. Die bisher zuständigen Behörden schlafen während dessen fest und tief! Andernfalls wären mindestens die Hälfte der Spielhallen in Deutschland schon deswegen geschlossen worden, weil die zweijährig fällige Unterrichtung ihres Personals zu „Prävention und Spielerschutz“ (§6 GlüStV) nicht von externen und unabhängigen Anbietern durchgeführt wurde, sondern von Mitarbeitern sogenannter Präventionsunternehmen, die in der Regel 100%ige Töchter der Großketten sind oder sich in der Betreiberschaft von Angehörigen, Abhängigen, Beschäftigten etc. der Glücksspiel-Branche befinden. Hier eine Unabhängigkeit zu unterstellen bzw. für sich in Anspruch zu nehmen ist derart unverfroren, dass es jeder Fachaufsicht den Schweiß auf die Stirn treiben müsste.

Diese Vorgehensweise wird im Online-Sektor noch schlimmer. Steht nämlich potenziell in der Spielhalle, die sich an die Regeln hält und dem Spielgast ein möglichst hohes Optimum an Sicherheit im Spiel ermöglicht, eine Art „Beschütztes Umfeld“ zur Verfügung, ist das im Internet nie zu gewährleisten. Der Gast spielt von zu Hause aus und dort ist er nur auf sich allein gestellt. Daran wird auch kein Einsatz-Limit oder eine Ausweiskontrolle oder eine Sperrdatei etwas ändern.

Die einzige denkbare Form eines minimal funktionierenden Systems wäre, wenn sich jeder Spieler nach den Regeln der aktuell schon von Banken praktizierten Legitimierung unterziehen müsste und eine persönliche Identifikation mit einer entsprechenden Registrierung durchgeführt werden würde. Dies würde zumindest den Nutzen haben, dass das Prozedere viele Spieler abschrecken würde, weil sie dann auch offiziell registriert wären.

Würde diese Registrierung über eine zentrale Aufsichtsbehörde durchgeführt oder zumindest gesteuert, würde sich sofort die Kostenfrage stellen. Denn sicher ist, dass die Branche für diese Kosten natürlich nicht aufkommen will. Und nach der gegenwärtigen Lage ist bereits heute nicht genug Personal in den Aufsichtsämter vorhanden, um die Kontrollen durchzuführen, die nötig wären. Der Vorsatz zur Schaffung einer solchen Behörde ist sehr gut – aber es wird ein Vorsatz bleiben. Die Kosten für die Schaffung und den Betrieb der Behörde müssten ohnehin zu 100 Prozent den Betreibern auferlegt werden, da sie schließlich die einzigen Profiteure von diesem Geschäft sind und sich bisher auch immer nur durch Unglaubwürdigkeit ausgezeichnet haben. Die tatsächliche Installation eines solchen Amtes wird also nie stattfinden! Damit ist wieder ein großer Stein aus dem Weg geräumt, der der Branche Probleme bereiten könnte. Und das, noch ehe die Idee überhaupt real umgesetzt ist. Auf diese Weise gelingt es der Branche seit Jahren, die Politik und nicht zuletzt den Steuerzahler hinters Licht zu führen. Der Anschein, dich um die Belange der Prävention und des Spielerschutzes zu kümmern, dient nur als Feigenblatt. Der Alltag in der Spielhalle sieht anders aus – und der am Online-Spiel-Platz erst recht!

Die Werberegeln für Glücksspiele sollen eingeschränkt werden – beispielsweise im Rundfunk auf die Nachtzeit. Was halten Sie von diesen Vorgaben?
Wir wissen aus vielen Studien, dass die Werbung für bestimmte Produkte mit Suchtpotenzial aus gutem Grunde verboten worden sind. Dies hat nicht nur Sinn, sondern hat auch einen deutlichen Rückgang der Suchterkrankungen bei diesen Substanzen zur Folge gehabt. Beispielsweise das Werbeverbot für Zigaretten würde heute niemand mehr als sinnlos bezeichnen. Beim Alkohol hat diese Vernunft bis heute noch nicht Einzug ins Verständnis der politisch Verantwortlichen gehalten!

Wenn man die häufig genutzte Argumentation der Politik ernst nehmen will, dass das bloße Angebot von Glücksspiel suchtfördernd sei und dass deswegen den gewerblichen Spielhallen ein generelles Werbeverbot auferlegt wird, dann kann nicht rational nachvollzogen werden, wieso die Anbieter von Online-Glücksspiel diesem Werbeverbot nicht unterliegen sollen.

Der zweite Gedanke ist folgender: Jede Werbung für illegales Handeln oder illegale Substanzen ist in den öffentlichen Medien verboten. Niemand käme auf die Idee, für Kokain Werbespots im Fernsehen oder Rundfunk laufen zu lassen. Trotzdem ist die Glücksspielindustrie seit langer Zeit noch nie dafür abgemahnt oder abgestraft worden, ohne Rücksicht auf die Tageszeit Werbespots zu schalten, obwohl das Glücksspiel im Internet in Deutschland bis heute verboten ist. Der Zusatz, dass sich die Spieler in Schleswig-Holstein aufhalten müssen, ist erst seit Ende 2019 neu angefügt worden. Dennoch laufen die Spots in der ganzen Republik und bewerben damit illegales Spielen.

Der Gesetzgeber schaut weg und die Aufsichtsbehörden wollen davon nichts wissen. Weder die Landesmedienanstalten haben nähere Kenntnis davon, noch weiß die BaFin etwas über illegale Geldflüsse nach Malta etc. Das heißt konkret: Werbung für Glücksspiel muss verboten werden und darf nicht in Breitenmedien salonfähig gemacht werden. Daran darf nicht gerüttelt werden und Verstöße müssen hart geahndet werden!

Der neue Glücksspielstaatsvertrag soll Mitte 2021 in Kraft treten. Welche Regeln müs-sen aus Ihrer Sicht unbedingt noch aufgenommen oder entfernt werden?
In erster Linie muss umgehend dafür Sorge getragen werden, dass die bestehenden Regelun-gen im GlüStV eingehalten werden und dass die massiven Verstöße gegen geltendes Recht geahndet werden bzw. auch die unterschiedliche Behandlung von Betreibern des Online-Spielens und denen von Spielhallen ein Ende haben muss. Dies erstreckt sich auf mehrere As-pekte, die sich alle samt negativ auf die Spielgäste auswirken und damit zu einem guten Teil in der Summe als suchtfördernd herausstellen können!

a) Spielerschutz und Prävention
Die im GlüStV verankerte und zweijährig verpflichtend zu Wiederholung aufgeführte Präventionsschulung für die Beschäftigten in Spielhallen muss zum einen auf alle Beschäftigten in Spielhallen ausgeweitet werden, die in irgendeiner Form Zugang zu Spielgästen haben. Dabei ist die Beschäftigungsform (Vollzeit, Teilzeit, Geringfügig-keit, etc.) völlig unerheblich.

Die personelle Aufsichtsstruktur der Spielhallen ist analog auch im Online-Spiel sicherzustellen und dabei ist für einen analogen Bezugspersonenschlüssel Sorge zu tragen. Minimal ist zu fordern, dass nicht mehr als 20 Spieler online von einer besonders zu schulenden Kraft betreut und beobachtet werden. Diese Aufsichtspersonen sind ge-nau wie die Mitarbeitenden in Spielhallen in Mindestabständen von 2 Jahren durch externe, fachlich geeignete und mit Praxisbezug zu suchttherapeutischer Berufserfahrung im Hinblick auf Prävention, Jugendschutz und Sensibilisierung im Bereich der Abhängigkeit zu unterweisen! Der Spielerschutz darf nicht mehr von fachlich unqualifiziertem und ohne jegliche suchttherapeutische Erfahrung umherirrende Anbieter durchgeführt werden! Der entstehende Schaden für die unterwiesenen Mitarbeitenden, die Unternehmen, die die Dienstleistung in Anspruch nehmen und die Spielgäste, die einem erhöhten Risiko und fachunkundige Schulungsgestaltung ausgesetzt werden, ist unkalkulierbar! Eine medizinisch-psychologische Untersuchung kann schließlich auch nicht jeder Fahrschullehrer abnehmen. Deswegen muss hier sofort Sorge getragen werden, dass ausschließlich Psychologen und vergleichbares Fachpersonal mit Berufserfahrung in Suchtfragen mit der Durchführung der Schulungen betraut werden dürfen.

b) Verantwortung der Unternehmen und Verbände
Jede gesetzgeberisch zugebilligte Form der Eigenverantwortlichkeit, die den Betreibern von gewerblichem Glücksspiel (online oder niedergelassen) zugebilligt worden ist, muss widerrufen und behördlicher Kontrolle unterworfen werden. In gleichem Maße wie die Dachverbände der Glücksspielanbieter und Unterhaltungsindustrie ihre Verantwortung der Beliebigkeit anheimstellen, muss dieser Verantwortungslosigkeit auch Einhalt geboten werden! Dieser Maßstab ist genau wie bei jeder anderen Branche auch anzusetzen!

c) Haftung auf für Dachverbände
Die Dachverbände sind nicht nur anzuhalten, sondern auch mit haftbar zu machen, wenn sie die Einhaltung der geltenden Regelungen nicht in ausreichendem Maße anmahnen und entsprechend über die Folgen von Verstößen aufklären. Die Mitglieder der Verbände, die einzelunternehmerisch tätigen Betreiber von Spielhallen, müssen sich auf die Auskünfte der Lobbyisten verlassen können. Ist dies nicht der Fall, müssen die Verbände in Haftung genommen werden können.

d) Werbeverbot
Jedwedes Glücksspiel ist dem kategorischen Werbeverbot zu unterwerfen. Hierzu gehört sowohl die Werbung für Lotto, Toto, etc. wie auch die Werbung für Online-Spielen, Spielhallen oder staatliche Spielbanken! Jede Werbung muss hier kategorisch un-tersagt werden und darf nicht dazu verleiten, Menschen zu der irrigen Auffassung zu verleiten, Glücksspiel sei eine Möglichkeit der Geldeinnahme. Dies wird durch die gängige Reklame suggeriert und weist nie auf die hohe Wahrscheinlichkeit des finan-ziellen Verlustes hin. Dementsprechend müssen die Hinweise zum Glücksspiel auch klar negativ formuliert werden! (Glücksspiel kann süchtig machen! Die Wahrscheinlichkeit des Verlierens liegt bei 1: 80 000 000, etc.)

e) Beteiligung an den Rehabilitationskosten für Spieler
Die häufig von der verantwortungsfrei betriebene Geschäftspraktik des Online-Glücksspiels wird in zunehmendem Maße die bereits jetzt schon horrenden Kosten für die ambulante und stationäre Rehabilitation bei pathologischem Spielen (F 63.0) in die Höhe treiben und damit für höher Ausgaben der Sozialversicherungssysteme sorgen. An diesen Kosten ist das Online-Glücksspiel mit mindestens 20% des Brutto-Umsatzes zu beteiligen. Die Ermittlung der genauen Beträge muss von den zuständigen Finanz-behörden vorgenommen und damit – anders als bisher – genau überwacht werden. Die Beteiligung der Betreiber von Online-Spiel kann dann um maximal 2 % abgesenkt werden, wenn tatsächlich dargelegt werden kann, dass zusätzliche, nachweisbar wirksame Individualmaßnahmen zum effektiven Schutz der Spieler zum Einsatz kommen.

f) Regelmäßige Inspektion durch fachkundiges Personal
Sowohl die Spielstätten und als auch die Internetplattformen der Anbieter müssen mindestens alle 6 Monate von fachkundigem Personal hinsichtlich der tatsächlichen Zustände während des Spielbetriebs und der angetroffenen Spielumstände unangemeldet und kostenpflichtig hinsichtlich einer Gefährdungslage im Sinne einer Abhängigkeitserkrankung für Spielgäste persönlich in Augenschein genommen werden. Die Auswahl des zu beauftragenden fachkundigen Personals trifft ausschließlich eine aufsichtführende Behörde, die auch mit der Erteilung der Lizenzen für die Spielhallen und die Online-Portale betraut ist. Die Ergebnisse der Überprüfung haben in fachkundiger Art dokumentiert zu werden und sind mit einer Handlungsempfehlung an die Auftrag erteilende Behörde zu melden! Es ist zu empfehlen, dass die Behörden den Handlungs-empfehlungen den Fachkundigen Stellen Folge leisten.

g) Differenzierung zwischen Spielhalle und Online-Anbieter
Grundsätzlich muss zwischen dem bewährten Angebot der allgemein bekannten Spielhalle mit dem Automatenspiel und den dort sehr streng reglementierten Gewinnmöglichkeiten bzw. Einsatz-Möglichkeiten eine starke Differenzierung vorgenommen werden. Sind die Gewinn- und Verlustbeträge in der niedergelassenen Spielhalle seit Jahren immer mehr reglementiert worden und stellen in der durchschnittlich erzielbaren Spielweise eine fest kalkulierbare Summe dar, so ist das im Online-Angebot absolut nicht der Fall. Allein die Tatsache, dass trotz der bekannten restriktiven Vorgaben für legale Spielhallen das illegale Spiel nun ein Monatslimit von 1.000 EUR je Spieler zugebilligt bekommen soll, lässt erkennen, wie wenig sich die Verantwortlichen mit dem erforderlichen Spielerschutz und den Gegebenheiten auf dem Markt auseinandergesetzt haben. Wie bereits in der Eingangsfrage erläutert, steht vielen Spielgästen im Monat nicht einmal ein Nettogehalt von 1.000 EUR zur Verfügung. Das würde zur Folge haben, dass sich genau diese Menschen über alle Maßen verschulden könnten. Das Argument, dass sich diese Personen ja auch nicht mit derart hohen Beträgen am Spiel beteiligen können, würde nach den heute geltenden und herrschenden Umstän-den in keinem Falle zum Tragen kommen können, da heute ein unlimitiertes Spiel im Online-Casino möglich ist und jegliche Kontrolle hinsichtlich Personalien, Alter oder Einkommensgrenzen nur oberflächlich vorgenommen wird.
Es ist klar zu betonen, dass der Spielhalle, die für den Gast noch eine gewisse Form des beschützten Bereichs darstellt, weil während der gesamten Öffnungszeit eine persön-liche Betreuung durch das Hallenpersonal gegeben ist und die Gäste nie sich selbst überlassen sind. Darüber hinaus hat sich die Spielhalle an Sperrzeiten zu halten, die im Internet wiederum nicht realisierbar sind und denen sich dort auch niemand unter-werfen will.

Die Notwendigkeit der Regulation des natürlichen Spieltriebs ist durch das Angebot von einem Mindestmaß an Gewinnspielen nachvollziehbar. Ein komplettes Verbot des Glücksspiels würde fatale Folgen im Sinne des illegalen Spiels nach sich ziehen und nach dem Beispiel früherer Praktiken in die Hinterzimmer dubioser Spelunken abwan-dern. Deswegen ist dem bedeutend leichter kontrollierbaren und offen regulierbaren Angebot der Spielhalle ganz offen der Vorzug zu geben vor dem undurchschaubaren und nur sehr begrenzt (hinsichtlich Einhaltung von Bestimmungen, Umsatzdeklarie-rungen, etc.) verifizierbaren Online-Zocken.

Der Betreiber einer seriösen Spielhalle hat verstanden, dass es nicht zuletzt dem Schutz seines eigenen wirtschaftlichen Interesses und Überlebens dient, den Schutz der Spielgäste und die regelmäßige Ansprache von Gästen (vor allem von auffälligen Spielern) zu einer tragenden Säule seines Geschäfts zu erheben und darauf zu achten, dass seine Gäste gesund bleiben. Tut er dies nicht, riskiert er, dass sich in seiner Halle nur noch Glücksritter aufhalten, die keinen Bezug mehr zum Spiel haben und nur noch dem Verlust hinterherjagen. Der Online-Betreiber ist von dieser Einsicht weit entfernt und kann allein deswegen keine Befürwortung aus fach-licher Sicht für sich erwarten.

Hier steht dieselbe Haltung einer Befürwortung entgegen wie bei den heute schon existierenden Betreibern von Spielhallen, die den Spielerschutz als Feigenblatt hochhalten und hinter vorgehaltener Hand ihren Gewinn als einzige Maxime erkennen. Es ist deswegen sehr wichtig, auch im Bereich der Spielhallen deutliche Veränderungen einzufordern, die sich im neuen Staatsvertrag niederzuschlagen haben, wenn diese Farce nicht weiter als Posse gespielt werden soll:

Es müssen für die gewerblichen Spielhallen
- die Teilnahmebescheinigungen für den Besuch von Präventionsseminaren nur noch von tatsächlich unabhängigem Fachpersonal/ -stellen für den Betrieb und zum weiteren Betrieb von Spielhallen gültig sein dürfen.
- die erstellten Zertifikate für die Mitarbeitenden in Spielhallen umgehend ihre Gültigkeit verlieren, sofern sie nicht von unabhängigen Institutionen und Anbietern erstellt wurden. Die Gewerbeaufsichtsämter müssen dieser Überprüfung sofort nachkommen.
- die aufsichtführenden Behörden angewiesen werden, die Gültigkeit von Bescheinigungen für den laufenden zweijährigen Geltungszeitraum zu überprüfen und entspre-chend der Ergebnisse die Anerkennung zu verweigern bzw. zu widerrufen.
- die halbjährliche unangemeldete Begehung von Spielhallen hat umgehend zur Pflicht zu werden. Die aufsichtführenden Ämter haben die Stellen zu benennen und zu beauftragen.
- die Unabhängigkeit eines Anbieters von Präventionsschulungen regelmäßig nachgewiesen werden. Dabei ist der Begriff der Unabhängigkeit nicht nur an die nominale Firmierung zu knüpfen, sondern auch die personelle und ggf. familiäre Verbindung hinter der Firmenleitung zu analysieren und als automatisches Negativkriterium für den Ausschluss einer Zulassung oder Anerkennung deutlich zu kennzeichnen!
- die sofortige Aberkennung sämtlich zugelassener „Anbieter“, die in jedweder Verbindung zu Betreibern und Anbietern von Glücksspiel stehen oder von solchen in welcher Art auch immer abhängig oder verpflichtet sind. Deren ausgestellte Bescheinigungen sind auf Grund der fachlich nicht relevanten Personalbesetzung grundsätzlich als ungültig einzustufen.
- alle erteilten (offiziellen oder inoffiziellen) Zulassungen als anerkannte Fachstellen für die Prävention haben sofort zu erlöschen, weil es dem Bürger den Eindruck vermittelt, diesen Firmen sei etwas im Sinne der Prävention angelegen. Hier wird systematisch bewusste Täuschung des Gesetzgebers und der Öffentlichkeit und zugleich sittenwidrige Bereicherung betrieben. Dem Betroffenen und seinen Angehörigen wird aber weder die erhoffte Hilfen zuteil, noch sind die Stellen überhaupt in der Lage, den Hilfe-suchenden in irgendeiner Art beizustehen oder Hilfskonzepte anzubieten.

Die Argumentation, dass die Rechtssicherheit in diesem Falle für die Betreiber gefährdet sein könnte, weil die Mitarbeitenden dann nicht auf gültige Unterweisungen zurückgreifen können, ist nicht zulässig. Schließlich war den Betreibern bewusst, dass sie keinerlei qualifiziertes Personal und keinerlei seriöses Tun mit der Prävention verbunden haben, sondern nur die Gelegenheit zur persönlichen Bereicherung gesehen haben.

Spielhallenbetreibern, die nicht gleichzeitig als Betreiber solcher Kooperationspartner, Tochterfirmen etc. auftreten, soll die Möglichkeit gegeben werden, die Schulungen bei einem seriösen Anbieter innerhalb einer Frist von maximal 6 Monaten nachholen zu können. Diesen Un-ternehmen sollte die Möglichkeit eines Schadensersatzes eröffnet werden, wenn der Anbieter nicht nachweisen kann, dass er die Präventionsschulung rechtmäßig angeboten hat.

Das ipjg sieht in der Handlungsweise dieser fachlich nicht bzw. kaum vorgebildeten Personen und Unternehmensbetreiber keine Grundlage dafür, im seriösen Sinne dem Willen des Gesetzgebers gerecht zu werden, aktive Prävention zu betreiben. Die Geschäftspraktiken müssen deswegen umgehend eingedämmt werden.

Eine Legalisierung des Online-Spiels zeigt wieder einmal, wie sehr die deutsche Politik vor dem Diktat der wirtschaftlichen Macht und ihrer rücksichtslosen Interessen in die Knie geht. Dass hier alles vor dem Deckmäntelchen des Spielerschutzes aufgeblasen wird und von die-sem Schutz am Ende nichts übrigbleibt als die knallharten Interessen von raffgierigen Magna-ten, fällt nur jenen auf, die sich intensiv mit der Materie befasst und kritisch auseinanderge-setzt haben. Ein Gesetz, das in der vorliegenden Form in Kraft treten kann, ist eine Schande für jeden, der sich mit den Problemen von Spielern und deren Angehörigen befasst.

Zusammenfassung
Der GlüNeuRStV ist in Hinblick auf die Interessen der Online-Glücksspiel-Lobby die Erfül-lung der gesamten Wunschliste, die die Anbieter der ohnehin schon im Automatengeschäft übermächtigen Konzerne wie Novomatik, Löwenplay, Gauselmann, Schmidt-Gruppe etc. und deren Geschäftsführenden. Wenn es um die Interessen der Spielgäste geht oder gar um den Gedanken der Prävention zu suchtgefährdetem Spielverhalten, dann ist dieser Staatsvertrag die dokumentierte Bankrotterklärung eines Staates vor den Lobbyisten. Es ist eine Schande, mitansehen zu müssen, dass sich eine Handvoll geldgieriger Zocker über Ethik und Moral hinwegsetzten dürfen und dabei auch noch die schützende Hand von Aufsichtsbehörden über ihren steinreichen Köpfen wissen. Wenn es noch einen kleinen Funken Anstand in den Gremien der Länderverantwortlichen gibt, dann muss unbedingt nachgebessert werden und die Handschrift der Marktliberalen, die schon mehrfach für dergleichen gesetzliche Freifahrtscheine der Wirtschaft verantwortlich gezeichnet haben, aus diesen Verträgen getilgt werden.

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