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Forscher drängt auf Korrekturen am Glücksspielstaatsvertrag

Warum der "gläserne Spieler" tatsächlich droht

Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren - Wissenschaftlicher Direktor, Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, Bonn; Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Quelle: HS BRS Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren Wissenschaftlicher Direktor Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten 12.03.2020
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Bei der Regulierung von Glücks- und Gewinnspielen geht es zweifelsfrei um mehr als „nur“ um die Verhinderung der Entstehung von Glücksspielsucht und Wettsucht", betont Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren vom Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten und kritisiert Details der geplanten Regelungen. Diese könnten zu einer Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Thematik führen.







Mit dem neuen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag (GlüNeuRStV) sollen ein Einsatz-Limit von 1.000 Euro pro Monat für Online-Spieler und eine Spieler-Sperrdatei kommen. Inwiefern schützen die Regeln aus ihrer Sicht vor Spielsucht?
Bei Glücks- und Gewinnspielen ist die Thematik „Spielsucht“ stark emotional besetzt. Die betreffenden Statistiken, sowohl die Deutsche Suchthilfestatistik (DSHS) als auch die öffentlich ausgewiesenen Werte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), sind zum Teil mit „Vorsicht“ zu handhaben, wie auch ein verantwortlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter der BZgA, Markus Banz, im vergangenen Jahr öffentlich erklärte.

Es ist zweifelsfrei exorbitant wichtig, den Spieler vor Spielsucht und deren mögliche, zum Teil ruinöse Folgen zu schützen. Dem folgt auch der Glücksspielstaatsvertrag explizit. Das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht ist zu verhindern und die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Dieses ist eines der fünf gleichrangigen Ziele des Glücksspielstaatsvertrags.

Die Gewährleistung des Jugend- und Spielschutzes ist ein weiteres gleichrangiges Ziel. Für dessen Umsetzung haben wir, Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten sowie andere einschlägige Forscher aus dem In- und Ausland, im Auftrag des Bayerischen Automaten-Verbandes e.V. für das terrestrische Angebot von Geldspielgeräten in Spielhallen und Gaststätten machbare Voraussetzungen in Form einer Zertifizierung von staatlich akkreditierten Prüforganisationen geschaffen. Vergleichbares fehlt bisher für das Online-Glücksspiel. Es fehlt, weil a) adäquate Verantwortliche bei den Anbietern fehlen und b) weil der Markt bisher nicht reguliert ist.

Das soll sich nun glücklicherweise Weise mit Wirksamkeit des neuen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrags (GlüNeuRStV) ändern. Das Einsatz-Limit von 1.000 Euro pro Monat scheint dabei willkürlich gewählt zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu liegen mir nicht vor. Als wir im Juli 2016 für Deutschland erstmalig die Umfänge des nicht regulierten Marktes quantifizierten, bekamen wir auch Einblick in die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Online-Spielern, die sehr heterogen zu sein scheinen. Für pathologisch oder problematisch Spielende dürfte das Limit von 1.000 Euro pro Monat relativ schnell ausgeschöpft sein. Die Gefahr, dass gerade diese Spieler dann erneut in den nicht regulierten Markt abwandern und regulierte Angebote durch illegal angebotene Online-Glücksspiele substituieren, halte ich für sehr groß.

Fakt ist, dass mit der Legalisierung des Onlineglücksspiels, das nachweislich ein sehr hohes Suchtpotenzial (siehe www.asterig.com) in sich birgt, angemessene Schutzmaßnahmen notwendig sind. Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung einer länderübergreifenden Spieler-Sperrdatei zu befürworten. In Hessen hat sich in Spielbanken und innerhalb des terrestrisch angebotenen Automatenspiels in Spielhallen mit dem OASIS-System gezeigt, dass dieses Instrument im Sinne des Jugend- und Spielerschutzes erfolgreich eingesetzt werden kann. Eine Ausweitung auf den Online-Bereich ist dabei nur konsequent. Problematisch ist allerdings, dass neben Selbstsperren auch Fremdsperren vorgesehen sind. Ob solches als Eingriff in das Grundrecht der Menschen auf Selbstbestimmung zu werten ist, haben die zuständigen Gerichte zu klären.

Datenschützer kritisieren, dass durch die Regeln „gläserne Spieler“ entstehen – was sagen Sie dazu?
Es wundert mich schon sehr, dass die Prüfung dessen erst jetzt mit der notwenigen Sorgfalt betrieben zu werden scheint. Auch in der Verbändeanhörung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei zum geplanten GlüNeuRStV scheint dieser Thematik – auch seitens der Wissenschaft - zu wenig Bedeutung beigemessen worden zu sein.

Peter Schaar, von 2003 bis 2013 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, bemerkte jüngst gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), dass, was als Schutz vor der Spielsucht gedacht sei, nun möglicherweise zu einer Totalüberwachung und Bevormundung führen könnte. Die fürsorgliche Beobachtung durch den Staat geht ihm und auch mir zu weit.

Auch hier scheint die Verhältnismäßigkeit zu fehlen zwischen den angedachten Vollzugsinstrumenten des Glücksspielstaatsvertrags innerhalb seiner gleichrangigen Ziele. Erneut scheint die Suchtprävention eine herausragende Rolle beim Vollzug der gesetzlich verankerten Ziele des Glücksspielstaatsvertrags gegenüber anderen – ich betone: gleichrangigen – Zielen zu spielen. Aber solche Verzerrungen sieht das Gesetz eben nicht vor. Im Gegenteil: der Glücksspielstaatsvertrag fordert vollkommen eindeutig eine gleichrangige Umsetzung der dort benannten Ziele. Jeder, der der deutschen Sprache mächtig ist, dürfte solches im Grunde verstehen. Bei der Regulierung von Glücks- und Gewinnspielen geht es zweifelsfrei um mehr als „nur“ um die Verhinderung der Entstehung von Glücksspielsucht und Wettsucht.

Hier geht es auch – wie ich seit vielen Jahren mathematisch, und damit vollkommen unstreitig, herausarbeite – um die Verhinderung des Schwarzmarktes, was weit mehr bedeutet als fiskalische Verluste für die Gesellschaft, denn das nicht regulierte Glücks- und Gewinnspiel stärkt vor allem eines: die Illegalität mit zum Teil mafiösen Strukturen. Doch der Versuch, die Gleichwertigkeit dessen einmal den Verantwortlichen der deutschen Suchthilfe zu erklären, scheitert leider und mündet oftmals in unsachliche Stellungnahmen, die Eitelkeiten vermuten lassen, die in einer wissenschaftlich sachlichen Auseinandersetzung einfach nichts zu suchen haben. Statt sich über die eigene Disziplin hinaus um ganzheitliche Lösungen zu bemühen, die den verschiedenen Zielen des Glücksspielstaatsvertrages insgesamt gerecht werden, machen einige Wissenschaftskollegen, möglicherweise gefangen in ihrem paternalistischen Denken, zu und argumentieren einseitig befangen bis hin zur Unsachlichkeit. Dabei würde ein Blick ins Gesetz ausreichen. Aber regelmäßig rückt die Suchtprävention in den Vordergrund, was einerseits dem Glücksspielstaatsvertrag und seinen explizit formulierten Zielen ganz klar widerspricht und andererseits ordnungspolitisch kontraproduktiv ist, weil es die Ganzheitlichkeit der hier zu regulierenden Problematik zweifelsfrei verletzt. Wie bereits gesagt, die Thematik „Spielsucht“ ist stark emotional besetzt, auch breit unterstützt von den Medien. Denn auch die Vertreter der Medien wissen oft nicht, was sie da tun.

Die Entwicklung nicht regulierter Märkte und ob Spieler mangels unvollständiger oder unsachgemäßer Regulierung dort hineingedrängt werden, scheint auch vielen Suchtforschern, also auch Wissenschaftlern von zum Teil renommierten Universitäten, weniger wichtig zu sein, als Suchtprävention. Ich rede von Deutschland, nur von Deutschland, denn unsere Zusammenarbeit mit einschlägig renommierten und weltweit anerkannten Suchtforschern aus der Psychologie oder der Medizin aus Australien, Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Spanien oder den USA funktioniert einwandfrei und einvernehmlich konstruktiv, denn rein sachlich, weitestgehend frei von Emotionalitäten.

So oder so ähnlich scheint das auch im vorliegenden Fall zu sein, d. h. der Schutz des Spielers vor Beeinträchtigungen seiner Privatsphäre durch unbefugte Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Daten, die seine Person betreffen, scheint von der Suchtprävention verdrängt worden zu sein. Anders vermag ich mir den Status Quo bei der Formulierung des neuen Glücksspielstaatsvertrags nicht zu erklären. Der Datenschutz scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Ein solches Verhalten widerspricht zweifelsfrei dem Willen des Gesetzgebers, so dass ich mich Peter Schaar und anderen Fachexperten zweifelsfrei anschließe und eine Entwicklung zum „gläsernen Spieler“ selbstverständlich ablehne. Wer sensible Daten von Spielern in welchem Umfang nutzen darf, scheint bisher nicht hinreichend geklärt zu sein. Zum anderen sehe ich durch eine solche Überwachung, wie aktuell angedacht, die Autonomie und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung massiv eingeschränkt, was nicht im Sinne einer freiheitlich demokratischen Grundordnung und m.E. zu einer Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Thematik führen wird, wenn nicht zuvor erhebliche Korrekturen dieses flächendeckenden, alle online Glücks- und Gewinnspielenden betreffenden Überwachungswahns von den Ländern vorgenommen wird. Ich verstehe wirklich nicht, dass solches nicht bereits vorgenommen wurde.

Geplant ist eine zentrale Glücksspielbehörde der Länder. Wie bewerten Sie das?
Vor meiner Berufung als Professor und Hochschullehrer im Jahr 1993 war ich mehrere Jahre als Ministerialbeamter im Bundesministerium für Wirtschaft beschäftigt. Auch für den Bundesminister der Verteidigung oder für das Auswärtige Amt war ich regelmäßig mit hoheitlichen Aufgaben betraut, so dass ich mit der Arbeit von Behörden hinreichend erfahren sein dürfte. Der Markt für Glücks- und Gewinnspiele – besonders der Online-Bereich – ist überaus komplex. Zudem handelt es sich hier zweifelsfrei um demeritorische Güter, so dass Politik und Gesellschaft sicherlich einer zentralen staatlichen Institution bedürfen, die sich um die Regulierung dieses Marktes sowie um den Vollzug des Gesetzes länderübergreifend kümmert.

Der Ruf nach der Schaffung einer solchen zentralen Behörde liegt also auf der Hand. Doch damit sind die gegenwärtig herrschenden Probleme noch lange nicht gelöst. Das sogenannte Glücksspielkollegium als bisheriges Koordinierungsgremium der Bundesländer in der Glücksspielregulierung, dürfte vor allem auch deshalb versagt haben, weil es im Zweifel über viele Jahre die Gleichrangigkeit der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht hinreichend beachtet hat. Einzelne Ziele, allen voran die Entstehung von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, wurden auch hier möglicherweise dominiert, was ggf. auch der Zusammensetzung des entsprechenden Fachbeirats zu schulden ist.

Grundsätzlich ist es oft so, dass die Mitglieder von sog. Fachbeiräten interessengetrieben sind. Sie erklären öffentlich ihre Unabhängigkeit, hängen jedoch wie z. B. Forschungsinstitute an den Universitäten Hohenheim oder Bochum unmittelbar, d. h. permanent, an den Tröpfen von Glücks- und Gewinnspielanbietern, wozu auch der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) und staatliche Spielbanken zu zählen sind. Die Schaffung eines wissenschaftlichen Beirates einer zentralen Glücksspielbehörde der Länder darf auch deshalb auf gar keinen Fall statisch oder minder dynamisch erfolgen. Auch während meiner Zeit als Ministerialbeamter habe ich den wissenschaftlichen Beirat des Bundesministers für Wirtschaft nicht gerade als dynamisch oder innovativ erleben dürfen. Aus solchen Erfahrungen sollte man lernen, wie eine solche zentrale Glücksspielbehörde der Länder zu organisieren ist.

Ideen und Innovationen werden in der Regel am Markt, d. h. durch die Marktteilnehmer selbst, generiert, nicht in statischen Kollegien oder Kommissionen. Eine zentrale Glücksspielbehörde sollte deshalb in ihrer Struktur weitestgehend dynamisch bleiben. Keinesfalls sollte sie mit statischen Beiräten arbeiten. Vielmehr sollte sie eine wissenschaftliche Plattform bilden, die der gesamten Wissenschaftlichkeit erlaubt, sich auf wissenschaftlich, sachlicher Ebene aktiv einzubinden. Dazu gehören für mich auch Wissenschaftler/innen aus dem Ausland.

Außerdem hat eine solche Behörde weitestgehend frei von Politik und Lobbyismus zu arbeiten. Würde sie politisch zu stark beeinflusst werden, so bestünde, ähnlich wie in der Vergangenheit bei der Priorisierung singulärer Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, erneut die Gefahr, dass Diskussionen zur ordnungspolitischen Regulierung von Glücks- und Gewinnspielen zu einseitig oder ggf. sogar ideologisch verklärt fortgesetzt werden würden. Dies kann nicht nur zu politischen Fehlentscheidungen führen, sondern könnte letztendlich dem Verbraucher und der gesamten Gesellschaft, auch dem nicht glücksspielenden Teil der Bevölkerung, signifikanten Schaden zuführen.

Eine zentrale Glücksspielbehörde der Länder hat - vergleichbar mit den Bundesministerien - eine staatliche Institution zur Regulierung für den deutschen Glücks- und Gewinnspielmarkt zu sein und nicht gegen den Erhalt sowie gegen die Schaffung regulierter Angebote von Glücks- und Gewinnspielen. Aufgabe einer solchen Behörde hat es zu sein, den regulierten Markt hinreichend zu qualifizieren und gegenüber nicht regulierten Angeboten zu stärken sowie den für Deutschland relevanten, nicht regulierten Markt zu reduzieren, wobei besonders der Ent¬wicklung und Ausbreitung von unerlaubten Schwarzmärkten wirksam ent-gegenzuwirken ist.

Die Werberegeln für Glücksspiele sollen eingeschränkt werden – beispielsweise im Rundfunk auf die Nachtzeit. Was halten Sie von diesen Vorgaben?
Eine solche Regelung würde ich für sämtliche Glücks- und Gewinnspiel begrüßen, auch für sogenannte Soziallotterien, eine spezielle Form von Lotterien, die im Zweifel gegenwärtig missbraucht zu werden scheint. Werberegeln sollten innerhalb des Glücks- und Gewinnspielmarktes kohärent gestaltet sein. Sämtliche Glücks- und Gewinnspiele sind demeritorische Güter, die zwar zweifelsfrei zur Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs unbedingt reguliert in einem ausreichenden Umfang angeboten werden sollten, aber dafür öffentlich zu werben, halte ich für falsch. Werbung für demeritorische Güter sollte grundsätzlich verboten werden, auch zur Nachtzeit und innerhalb sämtlicher Medien. Dazu gehören auch sogenannte Aufklärungskampagnen, in denen, zum Teil durch Testimonials, für ein Fairplay oder Ähnliches geworben wird. Solches lehne ich grundsätzlich ab.

Der neue Glückspielsstaatsvertrag soll Mitte 2021 in Kraft treten. Welche Regeln müssen aus Ihrer Sicht unbedingt noch aufgenommen oder entfernt werden? 
Ein großes Problem des herrschenden Glückspielstaatsvertrags ist es, dass sein Vollzug stark defizitär ist. Auch der vorliegende Entwurf dürfte sich nur schwer vollziehen lassen. D. h. die im GlüNeuRStV-Entwurf vorgesehenen Regelungen, die den Vollzug betreffen, dürften weitgehend unzureichend sein.

Für den Bereich des gewerblichen Geldspiels, also für Geldspielgeräte, die reguliert in Spielhallen und Gaststätten aufgestellt sind, hat das Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten im Auftrag des Bayerischen Automaten-Verbandes e.V. bereits in den Jahren 2013/2014 eine Zertifizierung entwickelt, die von staatlich akkreditierten Prüforganisationen, wie z. B. den TÜV, seit 2014 erfolgreich durchgeführt wird. Solches hilft in praxi, Jugend- und Spielerschutz ordentlich, d. h. im Sinne des Gesetzgebers, zu vollziehen.

Exorbitant wichtig ist es, dass solche Zertifizierungen per Gesetz nur von staatlich akkreditierten Prüforganisationen durchgeführt werden dürfen. Der Begriff „akkreditiert“ ist im Gegensatz zu „zertifiziert“ gesetzlich geschützt, d. h. gesetzlich definiert. Gerade in jüngster Zeit wurden die von uns entwickelten Programme im Bereich des Jugend- und Spielerschutzes von Anbietern vorwiegend aus dem Ausland kopiert, die weder in Deutschland noch innerhalb der EU staatlich akkreditiert zu sein scheinen. Vor allem Aufsteller von Geldspielgeräten in Gaststätten aber auch staatliche Spielbanken, die privat betrieben werden, bedienen sich jedoch diesen Anbietern. Akkreditieren darf in Deutschland nur die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS). Alles andere wäre nicht in meinem Sinne als Erfinder und Urheber solcher Zertifizierungen.

Die Bundesländer verfolgen aus meiner Sicht den Qualitätsgedanken in der Glücksspielregulierung noch nicht ausreichend genug. So steht beispielsweise im §29 Abs. 4 des aktuellen Entwurfs, dass Bestandsspielhallen mit einer Mehrfachkonzession erhalten werden können, wenn die Spielhallen regelmäßig von akkreditierten Prüforganisationen zertifiziert werden, die Inhaber einen Sachkundenachweis vorweisen können und die Mitarbeiter besonders geschult wurden. Diese überaus sinnvolle Regelung, die qualitativ höherwertige Angebote schafft und in Folge dessen gezwungenermaßen den Spielerschutz stärkt, wird jedoch - und das ist mir vollkommen unverständlich - nur wenigen Bundesländern eingeräumt. Es erschließt sich mir nicht, warum nicht alle Länder daran teilnehmen. Kleine Spielhallen, also Spielhallen mit Einzelkonzessionen kleiner und mittelständischer Unternehmer, wären bei diesem qualitativen Ansatz gesetzlich sogar gänzlich außen vor. Da sollten sich die Länder wirklich höhere Ziele setzen zum Wohle des Verbrauchers aber auch zur nachhaltigen qualitativen und existenziellen Sicherung von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Zudem wurden im letzten Entwurf - entgegen früherer Entwürfe - die Zertifizierung von Spielhallen zur Sicherung des Jugend- und Spielerschutzes durch staatlich akkreditierte Prüforganisationen von ehemals § 25 „Beschränkungen von Spielhallen“ auf § 29 „Übergangsregelungen“ verschoben. Hierdurch würde sich der praktische Schutz von Spielern und Jugendlichen über die Dauer der Gültigkeit des GlüNeuRStV signifikant verschlechtern. Die Sicherung des Jugend- und Spielerschutzes innerhalb des gewerblichen Geldspiels in Deutschlands und damit der von staatlich akkreditieren Prüforganisationen begleitete Vollzug des GlüNeuRStV sollte nicht nur innerhalb von Übergangsregelungen, d.h. bei Härtefällen (§ 29 Abs. 4), greifen, sondern grundsätzlich innerhalb des gesamten gewerblichen Geldspiels, d. h. in allen in Deutschland betriebenen Spielhallen und darüber hinaus auch in Gaststätten, in denen gewerbliche Geldspielgeräte reguliert aufgestellt sind.

Innerhalb des gewerblichen Geldspiels könnte eine mögliche gesetzliche Zertifizierungsregelung z. B. in § 24 Abs. 2 GlüNeuRStV als neue Sätze 4 und 5 mit folgender oder ähnlicher Formulierung festgeschrieben werden: „Eine Erlaubnis wird vorläufig unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass die Spielhalle innerhalb von sechs Monaten nach vorläufiger Erlaubniserteilung von einer akkreditierten Prüforganisation im Hinblick auf die Einhaltung der Ziele des § 1 zertifiziert worden ist und die Zertifizierung in regelmäßigen Abständen, mindestens alle zwei Jahre, wiederholt wird. Die Erlaubnis wird nach erfolgreich bestandener Zertifizierung endgültig erteilt; § 24 Abs. 2 bleibt unberührt. Wird die Zertifizierung nicht in regelmäßigen Abständen wiederholt und werden die bestandenen Zertifizierungen der Erlaubnisbehörde nicht nachgewiesen, soll die Erlaubnis widerrufen werden.“  

Das Beratungs- und Behandlungszentrum für Suchterkrankungen (BBS) der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) fordert generell mehr an Qualitätskriterien ausgerichtete Vorgaben sowie Zertifizierungen für alle Glücksspielsparten, die in allen Bundesländern angewendet werden sollten. Dieser Forderung schließe ich mich an. Es kann nicht sein, dass solche Qualitätssicherungen zum Schutze des Verbrauchers nur innerhalb des terrestrisch regulierten Geldgewinnspiels und solches vornehmlich nur in Bayern genutzt werden. Hier ist im Sinne einer kohärenten Regulierung aller Glücksspielangebote eine bundesweit verpflichtende gesetzliche Regelung – ausschließlich an Qualitätskriterien ausgerichtet – unbedingt geboten.

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