Mit dem neuen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag (GlüNeuRStV) sollen ein Einsatz-Limit von 1000 Euro pro Monat für Online-Spieler und eine Spieler-Sperrdatei kommen. Inwiefern schützen die Regeln aus ihrer Sicht vor Spielsucht?
Zunächst einmal begrüßen wir das Vorhaben der Länder, ein bundesweites anbieter- und spielformübergreifendes Sperrsystem einzuführen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines umfassenden Spielerschutzes. Die Einführung eines pauschalen Limits - auch wenn es sich im Entwurf nicht um ein Einsatz- sondern ein Einzahlungslimit handelt - ist hingegen der falsche Weg. Zum einen bildet es nicht die individuellen und höchst unterschiedlichen Lebensverhältnisse der Verbraucher ab. Zum anderen ist wissenschaftlich belegt, dass ein verpflichtendes, individuelles und vom Spieler selbst zu bestimmendes Einzahlungslimit wirkungsvoller ist, damit dieser sein Ausgabeverhalten reflektiert.
Datenschützer kritisieren, dass durch die Regeln „gläserne Spieler“ entstehen – was sagen Sie dazu?
Dem Sammeln von Daten über das Verbraucherverhalten stehen wir als DOCV kritisch gegenüber, insbesondere wenn es keinem der Ziele des Staatsvertrages dient. Es muss unbedingt sichergestellt sein, dass der Datenaustausch zwischen der Aufsichtsbehörde und den Anbietern mittels eines anonymisierten Verfahrens abläuft. Dazu muss zunächst eine Datenbank mit personenbezogenen Daten aufgebaut werden. Eine herausfordernde Aufgabe. Es kommt entscheidend darauf an, dass für den Verbraucher maximale Transparenz herrscht. Er muss jederzeit Kenntnis über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten haben. Der Gesetzentwurf lässt hier viele Fragen offen.
Geplant ist eine zentrale Glücksspielbehörde der Länder. Wie bewerten Sie das?
Eine zentrale Glücksspielbehörde ist unabdingbar. Umso wichtiger, dass endlich der Startschuss für deren Aufbau fällt. Es muss sichergestellt sein, dass eine Lizenzvergabe für die Veranstaltung virtueller Automatenspiele auch tatsächlich mit Inkrafttreten des Vertrages erfolgen kann. Jede Verzögerung ginge zu Lasten der regulierungswilligen Anbieter und auch der Verbraucher, denen trotz bestehender Rechtsgrundlage ein legales Angebot virtueller Automatenspiele auch weiterhin verwehrt bliebe. Zudem wird durch die Fülle an Detailregelungen der Handlungsspielraum der zukünftigen Aufsichtsbehörde wesentlich und unnötigerweise eingeschränkt. Dem dynamischen Online-Glücksspiel-Markt wird nur eine entsprechend dynamische Regulierung gerecht. Nur sie gewährleistet die Erreichung der Ziele des Staatsvertrages, insbesondere das Kanalisierungsziel.
Die Werberegeln für Glücksspiele sollen eingeschränkt werden – beispielsweise im Rundfunk auf die Nachtzeit. Was halten Sie von diesen Vorgaben?
Eine erfolgreiche Kanalisierung kann es nur geben, wenn lizenzierte Anbieter in einem ausreichenden Umfang auf ihr Produkt aufmerksam machen können. Andernfalls überlässt man das Feld dem Schwarzmarkt. Denn insbesondere im Internet konkurrieren die lizenzierten Angebote mit illegalen Angeboten. Jede Einschränkung von verantwortungsvoller Werbung behindert diese Kanalisierung in den legalen Markt.
Der neue Glücksspielstaatsvertrag soll Mitte 2021 in Kraft treten. Welche Regeln müssen aus Ihrer Sicht unbedingt noch aufgenommen oder entfernt werden?
Regulierungsziel muss ein zeitgemäßes starkes legales Angebot für virtuelle Automatenspiele sein, damit Schwarzmarktangebote für den Verbraucher unattraktiv sind. Doch sowohl die Flexibilisierung des Limitsystems als auch die Anpassung des Höchsteinsatzes je Spiel soll frühestens im Jahr 2023 möglich sein. Es drohen eklatante Verdrängungseffekte in unregulierte Angebote. Um das zu verhindern, muss eine Flexibilisierung schon mit der Lizenzvergabe möglich sein.
Außerdem braucht es auch für Online-Casinospiele wie Roulette oder Black Jack ein Erlaubnismodell. Der Gesetzentwurf sieht stattdessen (Länder-)Monopole vor. In der heutigen digitalen Welt ist das geradezu absurd.
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