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Interview27.10.2017

Pseudo-Digitalisierung bagatellisiert Musik

Wo die Kölner Philharmonie moderne Technologien einsetzt - und wo nicht

Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Quelle: Matthias Baus Louwrens Langevoort Intendant Kölner Philharmonie
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
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"Obwohl wir seit Erfindung des ersten Tonträgers in der Lage sind, uns Musik an (fast) jeden Ort mitzunehmen, gibt es noch nichts, das die Kraft des Livekonzerts entfalten kann", so Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie. "Wenn man allerdings von der Digitalisierung unseres Metiers spricht, dann nur, weil man mal mehr, mal weniger sinnvolle Ergänzungen zum Konzertereignis schafft. Wir streamen bspw. seit vier Jahren ausgewählte Konzerte in höchster Qualität live ins Internet." Unnötig sei dagegen eine Pseudo-Digitalisierung des Livekonzerts, nur um „hip“ sein zu wollen. "Es raubt nicht nur den einzigartigen Moment des Musikhörens, es bagatellisiert zugleich das Produkt Musik."





Konzerthäuser stehen für eine gewachsene Traditionspflege. Inwieweit wirkt sich die digitale Transformation unserer Gesellschaft auf Ihre Spielpläne und inhaltlichen Formate aus?
Der Einfluss der Digitalisierung auf unser Programm bleibt ein indirekter, so wie alles in unserer Gesellschaft durch den digitalen Wandel beeinflusst wird. Das Konzerterlebnis ist zum Glück noch analog. Obwohl wir seit Erfindung des ersten Tonträgers in der Lage sind, uns Musik an (fast) jeden Ort mitzunehmen, gibt es noch nichts, das die Kraft des Livekonzerts entfalten kann. Wenn man allerdings von der Digitalisierung unseres Metiers spricht, dann nur, weil man mal mehr, mal weniger sinnvolle Ergänzungen zum Konzertereignis schafft. Wir streamen bspw. seit vier Jahren ausgewählte Konzerte in höchster Qualität live ins Internet. Dieses Angebot ist eine Ergänzung zum Konzert, kein Ersatz. Gleichzeitig empfinden bspw. Menschen, die nicht mehr so mobil sind, eine solchen Stream deswegen als Gewinn, weil sie weiter am kulturellen Leben teilnehmen können. Ein Livestream wäre – abgesehen von der Finanzierbarkeit – vor 10 oder 20 Jahren nicht nur unmöglich, sondern auch unnötig gewesen, da kaum einer ihn hätte nutzen können. Unnötig ist eine Pseudo-Digitalisierung des Livekonzerts, nur um „hip“ sein zu wollen, bspw. durch die aktive Aufforderung ans Publikum, aus dem Konzert heraus zu twittern oder live YouTube-Videos des Konzerts zu schalten. Es raubt nicht nur den einzigartigen Moment des Musikhörens, es bagatellisiert zugleich das Produkt Musik. Viele Menschen setzen digital mit neu und gut und analog mit alt und schlecht gleich und verkennen, dass es einen Grund gibt, warum Menschen zum Beispiel zur Langspielplatte als Tonträger zurückkehren. Gerade als Konzertveranstalter sollte man stolz darauf sein, dass man etwas anbieten kann, was niemand zu kopieren in der Lage ist!

Welche digitale Ton-, Video und Bühnentechnik setzen Sie in Ihrem Haus ein – und wofür?
Erst in diesem Sommer haben wir die zurzeit wohl beste auf dem Markt verfügbare Beschallungsanlage gekauft, die uns für alle Konzerte, die Verstärkung benötigen, einen großartigen Sound liefert. Auch unsere Bühnenlichtanlage ist natürlich digital, ebenso wie die Übertragungstechnologie, die wir für Livestreams einsetzen.

Welche digitalen Werbemittel, -medien oder -träger setzen Sie ein?
Als eines der führenden Konzerthäuser Europas kann man es sich nicht leisten, in diesem Bereich hinterherzuhinken. Deswegen investieren wir viel Zeit und Geld in unseren Internetauftritt und unsere Social-Media-Präsenz  auf Facebook, Twitter, Google+, Instagram etc. Aber auch im Bereich der herkömmlichen Werbung setzen wir deutlich stärker auf digitale Werbemittel als auf analoge. Das betrifft im Außenwerbungsbereich die digitalen Screens ebenso wie im Anzeigenbereich das Online-Marketing, das sich auch für uns deutlich auf das Segment „mobile“ verlagert. Zudem haben wir viele Werbe- und Informationsflächen in unserem Haus in den letzten Jahren Schritt für Schritt digitalisiert. Dennoch haben Druckerzeugnisse und auch Print-Werbung immer noch ihren angemessenen Platz.

Häufig werden Bundles aus Reisen, Übernachtungen und Kulturevents angeboten. Gibt es solche vernetzten Angebote auch bei Ihnen? (bzw.: Planen Sie dergleichen?)
Ein Konzert in der Kölner Philharmonie findet in der Regel einmal statt. Reiseveranstalter können damit nicht planen, daher sind solche Kooperationen eher etwas für Musical-Theater, Museen o. ä.

Abschließend gefragt: wieviel Digitalisierung braucht und verträgt der Hochkultur-Betrieb?
Die sogenannte Hochkultur war immer ein Abbild der Gesellschaft. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es leichter zu trennen zwischen dem Publikum, das „Klassik“ konsumiert und dem, das Pop, Global Music, Electro etc. hört. Den Unterschied zwischen E und U macht das heutige Publikum eigentlich nicht mehr. Zudem ist selbst der vehementeste Klassik-Hörer nicht gleichzeitig ein Technologie-Verweigerer und der Pop-Fanatiker ist nicht gleich der digitale Nerd. Dennoch schätzen all diese unterschiedlichen Hörergruppen die analoge Welt eines Konzerterlebnisses, ganz gleich, mit wie viel Digitalisierung sie tagtäglich leben. Vielleicht tun sie das, weil ein Konzert so echt und unverfälscht ist. Mit ihm bewahrt man einen der wenigen Rückzugsorte, in denen der Mensch ganz bei sich selbst sein kann. Das gilt es zu erhalten.

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