Das klassische lineare radiohören ist noch immer eine Erfolgsformel. Passt das angesichts von Streaming und Co. noch in unsere digitale und individualisierte Medienwelt?
Die Frage muss heißen wie passt dies noch in die digitale, individualisierte Medienwelt? Sehr gut, unter gewissen Voraussetzungen. Radio lebt im Gegensatz zu Streamingangeboten, die ausschließlich auf musikalischen oder Wortcontent setzen, von der persönlichen Ansprache und der Möglichkeit mit dem Sender, und indirekt anderen Hörern, zu interagieren. Hier hat sich zwar in den letzten Jahren ein deutliches Defizit in der Moderation aufgetan, dies muss jedoch nicht so bleiben. Ähnliches gilt meines Erachtens für die Musikauswahl und Präsentation. Die Moderation muss wieder deutlich mehr den Hörer in den Fokus nehmen, Stichwort Personality. Will heißen mehr Kommunikation und weniger Teasing. Außerdem muss Radio sich bewusstwerden, welche Informationen der Hörer, tatsächlich noch will oder braucht, via Radio. Wer unter 70 bezieht seine Wettervorhersage noch aus dem Radio/TV? Ich kenne niemanden, jeder, wirklich jeder den ich kenne verweist beim Thema Wetter auf seine Smartphone App. Ähnlich verhält es sich mit minutenlangen Verkehrshinweisen. Weg damit, beziehungsweise reicht ein Hinweis auf die sendereigenen Onlineangebote mit diesen Services. Die Musik wird sich auf Dauer von dem Dogma „You have to tighten up your format“ aus den 90ern verabschieden müssen. Radio kann und wird Hörer niemals so viral erreichen können, wie Streamingdienste, aber Radio kann Musik verkaufen, sie emotional aufladen und ihr wieder neue Relevanz verleihen. Wenn Radio sich auf diese seine Stärken besinnt und die auch wieder deutlich in den Vordergrund schiebt, dann muss Radiomachern um das Medium nicht bange sein.
Schon bald sollen Köpersensoren nicht mehr nur unsere körperliche Belastung auswerten, sondern auch unsere Stimmungslage analysieren und daraufhin die passende Musik abspielen? Wie bewerten Sie solche Trends?
Das wird nicht zu verhindern sein, also geht es hier nicht um gut oder schlecht, sondern wie werden wir damit umgehen. Wer ausschließlich Musik hören will der wird in Zukunft verstärkt auf Streamingdienste und generated Playlists zurückgreifen. Das lässte sich nicht verhindern, solange Radio die anderen Bedürfnisse s.o. adäquat befriedigt geht Beides nebeneinander.
Welche Möglichkeiten haben die Radiomacher individueller auf Hörerbedürfnisse einzugehen, bsw. während der Autofahrt?
Es wird ja seit geraumer Zeit mit der Möglichkeit Songs oder Inhalte zu skippen experimentiert, das wird sich technisch sicher realisieren lassen, ob dies zielführend ist, wage ich zu bezweifeln. Egal wie sehr wir uns bemühen wird Radio ein ähnlich individualisiertes Angebot wie Algorithmen gesteuerte Onlinedienste nicht anbieten können. Jedoch können wir unser Angebot breiter aufstellen und mit Podcast Angeboten, die mit der Marke des Senders korrelieren, oder individuell gestalteten Serviceangeboten, sowie interaktiven Programmen, Hörer weiterhin binden.
Revolutionäre Software, wie Googles Duplex im Zusammenhang mit KI könnten bald sogar den Job eines Radiomoderators übernehmen. Machen Ihnen solche Trends Angst oder stimulieren sie das Produkt Audio und Radio?
Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Insofern Nein, es muss jedoch ein Ansporn sein stärker auf Personality im Radio zu setzen, dann wird die KI deutlich länger brauchen reale Moderatoren zu ersetzen. Ob und wann KI in der Lage sein wird emotional und mit Persönlichkeit zu kommunizieren, wage ich nicht zu prognostizieren. Wenn wir jedoch an den Claim- und Linercardlesern als Moderatoren festhalten geschieht es deutlich schneller.