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Online-Plattformen und Streamingdienste rechtlich gleichstellen

Wie das EU-Urheberrecht Musikschaffende stärken soll

Désirée Vach, Vorstandsvorsitzende VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. Quelle: Anke Peters Désirée Vach Vorstandsvorsitzende Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. 10.08.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Online-Plattformen wie YouTube sind bisher nicht verpflichtet, Lizenzen zu erwerben, stattdessen beteiligen sie „freiwillig“ Künstler_innen und ihre Partner_innen an ihren Werbeeinnahmen", beklagt Désirée Vach, Vorstandsvorsitzende VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.. Daher bekommen die Urheber viel weniger als bei voll lizenzierten Streamingdiensten. Das müsse sich ändern.







Das EU-Parlament hat die umstrittene Urheberrechts-Richtline vorerst abgelehnt – wie bewerten Sie das?
Aus Sicht des VUT hat das Abstimmungsergebnis gezeigt, dass viele Abgeordnete hinter dem Vorschlag des Rechtsausschusses stehen. Abgeordnete, die mit Nein gestimmt haben oder der Abstimmung ferngeblieben sind, sind nicht zwangsläufig gegen den kompletten Vorschlag des Rechtsausschusses. Zum Teil möchten sie sich gern eingehender mit der Richtlinie befassen, andere sehen weiteren Gesprächsbedarf, um sich eine abschließende Meinung zu bilden. Somit steht ihnen nun mehr Zeit dafür zur Verfügung. Der Kompromissvorschlag des Berichterstatters Axel Voss (MdEP, CDU), genauer Artikel 2 und 13, ist sehr präzise und damit geeignet, den sogenannten Value Gap zu schließen, ohne in andere Rechte wie Meinungsfreiheit etc. einzugreifen. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Mehrheit der Abgeordneten für den Vorschlag gestimmt hätte, denn erst wenn das Parlament Position bezogen hat, kann der Trilog beginnen.

Die Desinformationskampagne im Vorhinein der Abstimmung war jedoch besorgniserregend. Sie hat deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich darüber sprechen müssen, wie wir mit Plattformen umgehen, die die öffentliche Meinung massiv beeinflussen können. Wir zählen auf die Abgeordneten, sich für die Stärkung der Verhandlungsposition der Kreativschaffenden gegenüber Online-Plattformen und damit für einen fair gestalteten digitalen Binnenmarkt einzusetzen.

Daneben gab es viel Kritik für die Upload-Filter, mit denen Plattform-Betreiber das Hochladen urheberrechtlich geschützter Inhalte verhindern sollen. Welche Regelung wäre dafür die richtige?
Zunächst einmal kommt das Wort „Uploadfilter“ in der Richtlinie nicht vor. Außerdem werden die Mitgliedsstaaten nicht zur Erlassung von Gesetzen verpflichtet, die Plattformen dazu zwingen, Uploadfilter einzusetzen. YouTube oder Facebook sperren auch heute schon bewusst Inhalte nach oder sogar vor dem Upload, weil sie der eigenen Unternehmenspolitik nicht entsprechen.
 
In Artikel 13 des Kompromissvorschlages steht, dass Plattformen für urheberrechtlich geschützte Inhalte Lizenzen erwerben müssen. Sie müssen demnach bei urheberrechtlich geschützten Inhalten prüfen, ob sie die nötigen Lizenzen besitzen und „geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen“ gegen eine Nutzung ohne Lizenz ergreifen. Das ist der Inhalt von Artikel 13, wie er dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorliegt. Die geeignetste Maßnahme ist folglich der Erwerb einer Lizenz, die ihnen die Rechteinhaber erteilen werden. Uploadern der wenigen überhaupt betroffenen Plattformen steht selbstverständlich der Beschwerde- und Rechtsweg offen, sollte eine Plattform ungerechtfertigt aus urheberrechtlichen Gründen angebotene Inhalte ablehnen. Auch das ist in der Richtlinie klar geregelt.
 
Aus unserer Sicht ist die vorliegende Regelung sinnvoll, um Online-Plattformen wie YouTube in die Verantwortung zu nehmen und sie Streamingdiensten wie Spotify und Deezer rechtlich gleichzustellen, ohne unzumutbar in Rechte, insbesondere der Verbraucher_innen, einzugreifen. Online-Plattformen wie YouTube sind bisher nicht verpflichtet, Lizenzen zu erwerben, stattdessen beteiligen sie „freiwillig“ Künstler_innen und ihre Partner_innen an ihren Werbeeinnahmen – und vergüten damit die Musiknutzung deutlich geringer als die voll lizenzierten Streamingdienste.

Außerdem ist in Artikel 2 des Kompromissvorschlags sehr genau definiert, welche Plattformen unter die neue Regelung fallen. Nämlich die Plattformen, deren Geschäftsmodell darauf basiert, Inhalte, die von User_innen hochgeladen wurden, zu optimieren und die so aufbereiteten Inhalte im Internet wieder zum Abruf anzubieten. Ausgenommen von der Regelung sind beispielsweise nicht-kommerzielle Plattformen wie Wikipedia und Open-Source-Plattformen zur Softwareentwicklung. Der Kreis der betroffenen Plattformen ist also sehr eng gefasst und sehr präzise definiert. Ausschließlich kommerzielle Plattformen wie YouTube oder Facebook sind von der neuen Regelung betroffen. Darum ist dies aus unserer Sicht eine klare Regelung, die dazu beiträgt, den Value Gap zu schließen.
 
Im September will sich das EU-Parlament erneut mit der Urheberrechts-Richtline befassen. Welche Regeln sollten unbedingt europäisches Recht werden?
Aus unserer Sicht wie oben beschrieben Artikel 2 und 13 der Richtlinie. Damit würden Online-Plattformen wie YouTube oder Facebook, die von Nutzer_innen bereitgestellten Content wie Videos oder Fotos verwerten, rechtlich voll lizenzierten Streamingdiensten gleichgestellt. Wir gehen davon aus, dass sich dann ein marktgerechter Preis für das Streaming von Musik entwickeln kann. Denn dann können Plattformen wie YouTube nicht mehr nur einen Bruchteil dessen zahlen, was Spotify und Deezer an die Kreativschaffenden ausschütten. Diese Änderung ist dringend nötig, denn die Rechtslage für YouTubes Sonderrolle stammt aus den 90er Jahren, somit ist es nur richtig, hier endlich eine zeitgemäße Regelung zu schaffen, die die Verhandlungsposition der Kultur- und Kreativschaffenden stärkt.

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