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Grundlegende Reformprobleme werden beim EU-Urheberrecht nicht angegangen

Was in Europa Recht werden sollte - und was nicht

Prof. Dr. jur. Ansgar Ohly, LL.M. (Cambridge),  Ludwig-Maximilians-Universität München Quelle: Klaus Weddig Prof. Dr. Ansgar Ohly Rechtswissenschaftler LMU München 09.08.2018
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"Schon jetzt ähnelt das EU-Urheberrecht einem Haus, an das immer wieder hier ein Schuppen, da ein Balkon oder Turm angebaut wurde", bemängelt der Münchner Professor Ansgar Ohly. "Mit der Richtlinie soll wieder ein Erker hinzugefügt werden, der das Gesamtbild noch unübersichtlicher macht."







Das EU-Parlament hat die umstrittene Urheberrechts-Richtlinie vorerst abgelehnt – wie bewerten Sie das?
Wesentliche Teile des EU-Urheberrechts stammen aus der Zeit um die Jahrtausendwende und sind reformbedürftig. Aber die Urheberrechts-Richtlinie soll das bisherige Recht nicht ändern, sondern nur hier und da ergänzen. Grundlegende Reformprobleme werden dadurch nicht angegangen. Schon jetzt ähnelt das EU-Urheberrecht einem Haus, an das immer wieder hier ein Schuppen, da ein Balkon oder Turm angebaut wurde. Mit der Richtlinie soll wieder ein Erker hinzugefügt werden, der das Gesamtbild noch unübersichtlicher macht.

Ein besonders umstrittener Punkt war das sogenannte Leistungsschutzrecht – wie sollte dieses aus Ihrer Sicht ausgestaltet sein?
Ich halte das Leistungsschutzrecht für Presseverleger gemeinsam mit der großen Mehrheit aller europäischen Urheberrechtswissenschaftler für überflüssig und potentiell gefährlich. Es überlagert sich mit dem Urheberrecht der Journalisten, weil es denselben Gegenstand (vor allem Texte und Fotos) schützt und Presseverlegern auch da ein ausschließliches Recht verschafft, wo die Journalisten ihre Texte und Bilder noch anderweitig verwerten wollen. Zwar kann das Recht gegen Journalisten nicht ausgeübt werden, aber was ist, wenn Journalisten anderen Personen Rechte einräumen oder ihre Texte sogar frei zur Verfügung stellen? Außerdem haben wir in Deutschland ein solches Recht bereits, und es läuft in der Praxis leer. Die Verlage haben erkannt, dass sie über Nachrichtenportale wie Google News viele zusätzliche Leser bekommen, die sie nicht hätten, wenn Google nicht mehr auf die Websites der Zeitungen verlinken würde. Deshalb haben sie Google eine Gratis-Lizenz eingeräumt. Das Recht funktioniert praktisch also nicht.

Daneben gab es viel Kritik für die Upload-Filter, mit denen Plattform-Betreiber das Hochladen urheberrechtlich geschützter Inhalte verhindern sollen. Welche Regelung wäre dafür die richtige?
Das Recht muss den Spagat zwischen der Bekämpfung illegaler Angebote und der Gewährleistung von Meinungs- und Informationsfreiheit hinbekommen. Wenn Plattform-Betreiber nur auf konkrete Hinweise zu reagieren brauchen und anschließend Filter einsetzen müssen, um gleichartige Verletzungen (selber Verletzer oder selbes Werk) aufzufinden, entspricht die Rechtslage dem bisherigen deutschen Recht. Das halte ich im Grundsatz für angemessen, auch wenn man an dem Regelungsvorschlag im Detail Einiges kritisieren kann und man deutlicher die Rechte von Internet-Nutzern im Fall eines „Overblockings“ regeln sollte.

Im September will sich das EU-Parlament erneut mit der Urheberrechts-Richtlinie befassen. Welche Regeln sollten unbedingt europäisches Recht werden?
Erstens ist es richtig, dass der Richtlinienentwurf den Urheber im Verhältnis zu Medienunternehmen schützt und ihm beispielsweise vor allem einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung gewähren soll, wenn das Werk sich als Bestseller erweist. Solche Vorschriften gibt es in einigen nationalen Rechtsordnungen, zum Beispiel in Deutschland, schon. Es wäre gut, wenn sie europaweit gelten würden. Man könnte sich den Schutz des Urhebers dabei noch stärker vorstellen, als in den gegenwärtigen Entwürfen beabsichtigt.

Zweitens sollten im Gegenzug Verleger an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können. Das geht derzeit wegen eines EuGH-Urteils nicht. Dieses Urteil sollte mit der Richtlinie korrigiert werden. Drittens halte ich es eigentlich für richtig, die Haftung der Plattformbetreiber zu regeln. Dafür müsste man aber zwei grundlegende Richtlinien ändern: Die Richtlinie über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft und die E-Commerce-Richtlinie. Das Recht sollte einen Rahmen für die Pflichten der Plattformbetreiber vorgeben. Außerdem sollte die Haftung von Plattformbetreibern und anderen Intermediären klar von der Haftung derjenigen unterschieden werden, die unmittelbar selbst verletzen, zum Beispiel weil sie illegal Filme hochladen.

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