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Ohne Vertrauen scheitert das autonome Fahren

Was der TÜV-Experte jetzt von den Herstellern und der Politik erwartet

Richard Goebelt, Leiter des Geschäftsbereiches Fahrzeug und Mobilität VdTÜV Verband der TÜV e.V. Quelle: VdTÜV Richard Goebelt Leiter VdTÜV Verband der TÜV 12.04.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Ohne Vertrauen und Akzeptanz für die neuen Technologien wird die Marktdurchdringung letztendlich scheitern. Die Hersteller müssen transparent die Frage beantworten, wie zuverlässig und sicher ihre automatisierten Fahrsysteme sind und was dafür entwicklungstechnisch geleistet wurde. Zur Schaffung dieses Vertrauens bedarf es der Stärkung einer unabhängigen und neutralen Bewertung dieser Systeme." Das sagt Richard Goebelt, Leiter des Geschäftsbereiches Fahrzeug und Mobilität VdTÜV Verband der TÜV. Die Politik sei zudem jetzt gefordert die vorgenannten technischen Regelwerke mit Hochdruck in Ihrer Ausgestaltung zu begleiten, um zum einen für ein mehr an Verkehrssicherheit zu sorgen, und zum anderen einen wichtigen industriepolitischen Akzent zu setzen.







Knick oder Kick? Verspielt die Industrie gerade unser Vertrauen für das autonome Fahren, nach dem tödlichen UBER-Unfall?
Weder Knick noch Kick, denn auch bei einer vollständigen Durchdringung autonom fahrender Fahrzeuge wird es keine 100%ige Sicherheit geben. Das heißt tödliche Unfälle wird es auch in Zukunft geben, jedoch wird die Beurteilung der technischen Sicherheit von Fahrzeugen ab dem Zeitpunkt der Entwicklung und über den gesamten Nutzungszeitraum umfangreicher und komplexer. Der Vorfall zeigt eindringlich wie die technische Sicherheit und jetzt auch die IT-Security der Fahrzeuge buchstäblich zu einem entscheidend Faktor über Leben und Tod auf der Straße werden. Und entsprechender Handlungsbedarf besteht.

Inwieweit tragen überstürzte Entwicklungen neuer Technologien bei, dass der Mensch nicht mehr mit kommt? Oder anders gefragt, werden Technologien wie das autonome Fahren zu überstürzt eingeführt?
Die Industrie hat ein enormes Tempo bzgl. der Entwicklung neuer Technologien vorgelegt. Wichtig an dieser Stelle ist jedoch die Differenzierung zwischen automatisiertem und autonomem Fahren. Für letzteres gibt es derzeit in Deutschland noch keine Legitimation. Mit der Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes wurden sehr zügig die rechtlichen nationalen Rahmenbedingungen für das automatisierte Fahren geschaffen. Insofern sind die Systeme, die momentan in Deutschland auf dem Markt sind auch nicht überstürzt eingeführt worden. Betrachtet man jedoch das internationale Regelwerk, welches für die Genehmigung und Zulassung automatisierter bis hin zu autonomen Fahrzeugen erforderlich ist, so steht hier ein schwieriger und langwieriger Prozess bevor. In einer digital vernetzten und automatisierten Mobilität spielen die Anforderungen an die IT-Security und der Datenschutz eine maßgebliche Rolle. Hierfür fehlt die Vereinbarung auf einheitliche internationale Standards für das Fahrzeug der Zukunft noch vollständig. Zudem ist in der Tat die die Gefahr groß, dass der Käufer/Nutzer nicht abgeholt/mitgenommen wird, denn der Nutzen und die Anwendbarkeit der Assistenzsysteme ist nicht selbsterklärend. Der Fahrer sollte daher mit modernen didaktischen Methoden hierfür qualifiziert werden.

Was müssen die Hersteller tun, damit wir neuen Technologien wirklich vertrauen?
Ohne Vertrauen und Akzeptanz für die neuen Technologien wird die Marktdurchdringung letztendlich scheitern. Die Hersteller müssen transparent die Frage beantworten, wie zuverlässig und sicher ihre automatisierten Fahrsysteme sind und was dafür entwicklungstechnisch geleistet wurde. Zur Schaffung dieses Vertrauens bedarf es der Stärkung einer unabhängigen und neutralen Bewertung dieser Systeme. Eine Selbstüberprüfung ist nicht ausreichend und birgt enorme Risiken. Die Industrie muss zusammen mit den Prüforganisationen Wege finden, wie solche komplexen Systeme auch künftig auf den Markt gebracht werden und im bewährten System der periodischen Fahrzeugüberwachung auf ihre Funktions- und Wirkungsweise überprüft werden.

Braucht es einen gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen neuer Verkehrstechnologien?
Ein gesellschaftlicher Diskurs ist in vielerlei Hinsicht notwendig. Automatisiertes und vernetztes Fahren beeinflusst viele Rechtskreise wie auch unser alltägliches Leben. Sie reichen von rechtlichen Fragestellungen beispielsweise bei der Schadensregulierung im Falle von Verkehrsunfällen bis hin zu ethischen Diskussionen, wenn autonome Systeme Entscheidungen treffen, die früher in der Hoheit des Fahrers lagen. Zudem sollte in diesem Zusammenhang auch eine breite Debatte über die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit an sich geführt werden. Über 70 Verkehrstote werden pro Tag in der Europäischen Union verzeichnet, die kaum öffentlich wahrgenommen werden. Unter welchen Bedingungen können neue Technologien hier einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung der Verkehrstoten leisten?

Inwieweit sollte sich die Politik in Tempo und Durchsetzung neuer Technologien einmischen? Was würde bsw. ein staatlich verordneter Zwang zum autonomen Fahren bedeuten?
Neue Technologien im Automobilsektor fordern die Einführung neuer Standards und Regeln. Die Politik ist gerade jetzt gefordert die vorgenannten Technischen Regelwerke mit Hochdruck in Ihrer Ausgestaltung zu begleiten, um zum einen für ein mehr an Verkehrssicherheit zu sorgen, und zum anderen einen wichtigen industriepolitischen Akzent zu setzen. Es ist also momentan nicht nur eine sehr spannende und arbeitsintensive Zeit für die Hersteller und Dienstleister im Automobilsektor, sondern auch für die Politik. Staatlich verordnete Quoten oder Zwänge bringen uns nicht weiter und sind auch generell mit unserer Wirtschaftsordnung nicht im Einklang.

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