NFT-zertifizierte digitale Werke erzielen zum Teil Millionen-Erlöse. Inwieweit können solche NFT-Zertifikate dem Kunstmarkt eine digitale Zukunft geben?
Der Kunstmarkt kennt die sogenannte Digital Art oder auch Medienkunst seit den 2000er Jahren. Künstler haben sich stets mit Innovationen und neuen Techniken auseinandergesetzt und diese in ihrem Werk hinterfragt und manchmal aber auch weiterentwickelt. Hito Steyerl ist aktuell eine der bekannteren Künstlerinnen, die sich kritisch mit neuen Technologien auseinandersetzen, ebenso der US-amerikanische Medienkünstler Seth Price. Vor fünf Jahren gab es dann einen Hype um die sogenannte Post-Internet-Art, deren Kunstwerke sich fließend zwischen den Räumen bewegen. Sie erscheinen mal auf einem Bildschirm, mal in einer Galerie. Insofern war der Kunstmarkt bereits digital, bevor es NFTs gab. Die NFT-Zertifikate bieten ja letztendlich nur die Möglichkeit, einem digitalen Kunstwerk Einzigartigkeit zu verleihen. Und das ist natürlich für jeden Sammler ein wichtiges Kriterium. NFTs sind aber nur ein Baustein in dem großen Spektrum Digitaler Kunst, die aber mit Sicherheit in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle auf dem Kunstmarkt spielen wird. Das hängt auch damit zusammen, dass die Auktionshäuser und Galerien mit der Kryptotechnologie völlig neue und vor allem junge und kaufkräftige Käufergruppen akquirieren können. Das führt zu einer Veränderung bzw. Verschiebung des Angebots hin zu neuen Ausdrucksformen, da der Kunstmarkt dieses Käuferpotential natürlich nicht allein Plattformen wir Nifty Gateway oder Foundation überlassen will. Noch ist das alles neu und aufregend, die Frage ist, ob der Hype von Dauer sein wird.
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Befürworter halten der Technologie zugute, dass sie die Künstler unabhängiger von den großen Netzplattformen machen können – wie sehen Sie das?
Für einige wenige Künstler mag das gelten, wirklich unabhängig sind die meisten Künstler aber weiterhin nicht. Auch NFT-Auktionsplattformen verlangen Gebühren und die Aufnahme in eine solche Auktion ist auch nicht einfach für Künstler. Da sind die Hürden vergleichbar hoch wie im klassischen Kunstmarkt. Insofern hat sich der Markt mit all seinen Regeln und Zugangsbeschränkungen einfach nur in den digitalen Raum verlagert, was immer wieder Kritik hervorruft. Einen viel größeren Beitrag zur Unabhängigkeit von Künstlern haben meines Erachtens die Sozialen Netzwerke geleistet, insbesondere Instagram, das zu einer wichtigen Plattform für Künstler geworden ist, die dort ohne größere Kosten eine große Reichweite erzielen können.
Kritiker wenden ein, dass sich auch die „Einzelstücke" einfach digital reproduzieren lassen. Welchen Sinn haben NFT-Zertifikate angesichts dessen?
Der Witz an NFTs ist ja gerade, dass sie Einzigartigkeit künstlich erzeugen bei einem Werk, das aufgrund seiner Beschaffenheit nicht einzigartig sein kann. Ursprünglich wurden NFTs ja entwickelt, um das Problem des Signierens von PDFs zu lösen. Das Verlangen des Kunstmarkts nach Einzigartigkeit ist aber so groß, dass die NFTs quasi wie eine Erlösung gefeiert werden, da nun endlich wieder das Original eine Bedeutung erlangt. Dies ist ja seit der Frühen Neuzeit ein Kriterium für die Beurteilung von Kunst, wenn nicht sogar das Kriterium schlechthin. Somit bekommt der Sammler sein Original und gleichzeitig existiert das Werk in vielfacher Weise weiter und das ist auch so gewollt, da das Werk dadurch höhere Bekanntheit erlangt. Aber nur einer besitzt das Original und niemand kann es ihm wieder wegnehmen. Dadurch wird eine Verknappung generiert, was wiederum die Preise steigen lässt. Und darum geht es letztendlich.
Inzwischen sind auch herkömmliche Auktionshäuser in das Geschäft mit NFT-zertifitzierten Unikaten eingestiegen – kann sich die Technologie auch außerhalb der digitalen Sphäre dauerhaft etablieren?
Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht final beantworten, vieles deutet aber darauf hin, dass die Akzeptanz der Kunstkritik und der etablierten Marktteilnehmer die anfängliche Skepsis, die trotz oder gerade wegen der Millionenzuschläge dominierte, sich wandelt. Es findet mittlerweile eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Werken einzelner Krypto-Künstler statt, was anfänglich nicht der Fall war. Da wurde diese Art, Kunst zu produzieren, einfach pauschal abgelehnt. Insofern wird die Debatte noch eine ganze Weile anhalten und die Kunstgeschichte wird sich inhaltlich mit dieser Kunstform auseinandersetzen müssen. Ob diese dann am Ende für gut oder schlecht befunden wird, lässt sich noch nicht sagen. Spannend ist diese Debatte allemal und ein wichtiger Impuls für die Entwicklung aktueller Kunst.