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Interview17.05.2023

Mit neuen Regeln die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken

Was das Recht auf Reparatur bringen kann

Prof. Dr. René Repasi - MdEP, Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten Quelle: S&D René Repasi Mitglied des Europäischen Parlaments Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

Für den EU-Parlamentarier René Repasi ist ein Recht auf Reparatur "wirtschaftlich wie ökologisch sinnvoll". Der Sozialdemokrat ist für den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission federführender Verhandler im Europäischen Parlament - und er hat durchaus noch Anregungen für die endgültigen Regeln.





Die EU-Kommission will ein Recht auf Reparatur von Waren über den Garantie-Zeitraum hinaus einführen. Wie wichtig ist ein solches Recht aus Ihrer Sicht ganz grundsätzlich?
Dies ist ein enorm wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft, in dem sich alle am Kampf gegen den Klimawandel beteiligen können. Nur um dies mit ein paar von der Europäischen Kommission erhobenen Zahlen zu belegen: der verfrühte Austausch von Kaufgütern durch Verbraucher führt zu einem Mehrausstoß an CO2 der fast ein Zehntel der jährlichen Emissionen der Bundesrepublik entspricht, nämlich 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, einem Achtel der Aluminiumproduktion und fast drei Prozent der Rohstahlproduktion der EU. Ganz unabhängig von den wirtschaftlichen Verlusten die aus dem verfrühten Konsum entstehen.

Gerade der Ansatz der Europäischen Kommission, für bestimmte große oder teure Konsumgüter, die Reparatur anstatt Neukauf über den Gewährleistungszeitraum hinaus zu etablieren, ist wirtschaftlich wie ökologisch sinnvoll. Bei solchen Produkten können am ehesten Ressourcen gespart und breite neue Anreize für die wirtschaftliche Entwicklung, auch für den Mittelstand, im Rahmen der Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Die Sorge, dass dies zu überbordenden Kosten und Nachteilen für die heimischen Unternehmen führen würde, teile ich nicht. Im Gegenteil, ich sehe einen Wettbewerbsvorteil für europäische und andere hochwertige Hersteller. Deren Reparaturkompetenzen würden gestärkt und die Produkte im Wettbewerb mit billiger Produktion gestärkt. Anstelle von billigstem Preis würden andere Qualitäten, wie Schnelligkeit bei der Reparatur, Ersatzteilverfügbarkeit und klassischer Kundenservice als Verkaufsargument hervorgehoben werden.

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Reparaturen sollen nur verpflichtend sein, wenn der Ersatz nicht teurer ist. Wie bewerten Sie diese Einschränkung?
Ich vertrete die grundsätzliche Sichtweise, dass das Verbraucherrecht dazu da ist, Verbraucher:innen zu stärken. In diesem Fall bei der Umgestaltung der Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Produkte, statt sie zu ersetzen, repariert und länger genutzt werden. Insofern herrscht nun Klarheit für Händler, wann die Reparatur bei der Nacherfüllung zu leisten ist. Offen ist für mich noch, nach welchen Gesichtspunkten Verbraucher:innen hiervon abweichen können sollen. Denn, wenn die Reparatur zu großen Unannehmlichkeiten, wie beispielsweise unverhältnismäßige Wartezeit auf das reparierte Produkt, führt, könnten Verbraucher:innen die Nacherfüllung auch durch Ersatz des Produktes verlangen. Ich könnte mir hier vorstellen dem Verbraucher entgegenzukommen und das Anreizmodell der Gewährleistungsfrist weiter zu verändern, wenn sich die Verbraucher:innen aktiv für die Reparatur entscheiden.

Die Idee, dass die Reparatur nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden kann, stammt aus dem existierenden Kaufrecht. Bereits hier heißt es ja, dass Händler den Reparaturwunsch nur ablehnen können, wenn dieser nicht möglich ist. Rein ökonomische Gründe sind dabei explizit ausgenommen. Wie dies nun auch im Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung eines Rechts auf Reparatur vorgegeben ist.

Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet soll Reparaturen vor Ort vermitteln. Was halten Sie von diesem Instrument?
Die Idee, durch die Vernetzung von Reparatur-Anbietern und Verbraucher:innen zur niedrigschwelligen Reparatur hinzuführen, begrüße ich. Dadurch wird Reparatur für Verbraucher:innen attraktiver und hoffentlich zu einem Gewohnheitswechsel und der längeren Nutzung von Geräten führen. Eine solche Plattform bietet hierfür viele Vorteile. So ist man unabhängiger davon wo man sich geographisch befindet, wo es eine Reparaturinfrastruktur gibt, kann sich jede und jeder informieren. Unsere Welt wird immer digitalisierter und anstelle von langem Suchen im Telefonbuch, ist die niedrigschwellige Vermittlung im Internet eine gute Idee. Fragezeichen habe ich noch bei der Umsetzung, gibt es dann in Deutschland eine Plattform oder für jedes Bundeslang eine eigene? Doch könnte so eine Informationsseite auch zu einer Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen führen, denn sie benötigen keine eigene und teure, sondern können diese öffentliche digitale Infrastruktur nutzen. Letztlich ließe sich dadurch Reparierbarkeit von Produkten ermöglichen, die noch nicht im Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie sind oder von der Europäischen Kommission bedacht wurden. Insofern sehe ich viele positive Effekte dieser Idee der Europäischen Kommission.

Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in einer endgültigen Richtlinie stehen - und was keinesfalls?
Als federführender Verhandler im Europäischen Parlament gibt es einige offene Fragen die mich umtreiben. Da ist natürlich zum einen der Anwendungsbereich des Vorschlages der Europäischen Kommission, der auf jeden Fall eine gute Grundlage ist. Jedoch frage ich mich, ob man diesen nicht auf weitere Produktkategorien ausweiten könnte, da diese einfach reparierbar sind. Produkte wie Computer oder Laptops sind hier gute Beispiele für diese Kategorien. Zum anderen hätte ich mir gewünscht, das sich die Europäische Kommission bereits Gedanken zu Vorgaben für die Mitgliedsstaaten macht, dass diese ökonomische Anreize für Verbraucher:innen und die Reparaturwirtschaft bereitstellen müssen. Dies ließe sich überaus einfach umsetzen, zum Beispiel über verringerte Mehrwertsteuersätze aber auch durch Reparaturgutscheine wie in Österreich.

Darüber hinaus gibt es natürlich grundlegende Diskussionen die wir im Rahmen der Kreislaufwirtschaft führen sollten. Ich denke hier an den Umgang mit digitalen Gütern oder solchen die eingebundene Software haben. Denn es gibt Bestrebungen, die Dauer, in der Updates zur Verfügung gestellt werden, ungünstig kurz zu beschränken und damit der Ambition dieses Legislativvorschlages, der längeren Nutzungsdauer von Produkten, entgegenstehen.

Am Ende hoffe ich mit der Gesetzgebung einen Beitrag zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und der Kreislaufwirtschaft ‚made in Europa‘ geleistet zu haben. Das Potential hat der Richtlinienvorschlag für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren allemal.

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