Neue Zielgruppen, individuellere Lehre, schlankere Verwaltung – wo stehen die deutschen Hochschulen in Sachen Digitalisierung im internationalen Vergleich?
Deutschland kommt bei der Digitalisierung generell nur schleppend voran. Die Hochschulen bilden dabei keine Ausnahme. Im internationalen Vergleich haben sie nach Einschätzung vieler Beobachter weiterhin Luft nach oben. Für viele Hochschulen ist die Entwicklung von Online-Vorlesungen personell, technisch und didaktisch sehr aufwendig. Auch die Studierenden zeigen sich bislang zurückhaltend z.B. gegenüber Inverted-Classroom-Modellen, in denen Studieninhalte mit E-Learning-Angeboten vorbereitet werden. Die gegenwärtige Covid-19-Pandemie könnte aber eine neue Digitalisierungsdynamik auslösen. Bundesweit setzen Hochschulen derzeit alles daran, um das in seiner Durchführung gefährdete Sommersemester so umfassend und gut wie möglich durch digitale Lehr- und Prüfungsformate zu überbrücken. Zwangsläufig wird es dabei häufig nach dem Prinzip von „Trial and Error“ gehen müssen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass digitale Lehr- und Prüfungsformate kein Allheilmittel darstellen. Auch noch so virtuose Tools werden die menschliche Begegnung zwischen Lehrenden und Studierenden sowie der Studierenden untereinander nie vollends ersetzen können. Erkenntnis wird vor allem im Dialog, im unmittelbaren Austausch und in der Begegnung von Lehrenden und Lernenden gewonnen. Gerade nach der Covid-19-Pandemie wird es darum gehen müssen, traditionelle und „digitale" Lehrformate besser zu verzahnen. Beide bilden keinen unvereinbaren Gegensatz, sondern können und sollen sich gegenseitig ergänzen und bereichern.
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Die Digitalisierung kann den Hochschulbetrieb effizienter machen - zunächst braucht es aber Investitionen. Welche Unterstützung brauchen Hochschulen dabei von der Politik?
Mangelnde Personalressourcen und eine unzureichende Budgetierung bleiben die Haupthindernisse für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Digitalisierung an Hochschulen. Die bisher insbesondere befristet vergebenen Fördermittel bremsen einen nachhaltigen Umstellungsprozess aus. Die augenscheinliche und gute Idee, parallel zum Digitalpakt Schule auf Bund-Länder-Ebene einen Digitalpakt Hochschule aufzulegen, wird von der Politik bislang leider nicht aufgenommen. Die Digitalisierung des strukturell unterfinanzierten deutschen Hochschulsystems ist aber eine Aufgabe, die sich auf Dauer nicht verschieben lässt. Zu Recht hat die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Forschung und Innovation bereits vor einem Jahr die Einführung einer „Digitalisierungspauschale“ angeregt. Hochschulen sollen demnach pro Studentin bzw. Student einen bestimmten Betrag zum Ausbau und Unterhalt ihrer digitalen Infrastruktur und Anwendungen sowie zum Ausbau ihrer digitalen Lehr- und Lernangebote erhalten. Insgesamt ging die Kommission im Jahr 2019 von einer Größenordnung von 260 Millionen Euro pro Jahr bei 2,8 Millionen Studierenden aus.
Das digitale Lernen braucht technisch gut ausgerüstete Studierende. Wie lässt sich dabei eine Verstärkung der sozialen Spaltung verhindern?
Die Gefahr, dass die Digitalisierung zur Reproduktion bisheriger Ungleichheiten führt, ist nicht von der Hand zu weisen. Der leider nur außerordentlich mühsam anlaufende Digitalpakt Schule nährt die Hoffnung, dass junge Menschen bereits früh in den Umgang mit digitalen Instrumenten eingeübt werden können. Aber nicht nur die technische Ausrüstung ist vom gesellschaftlich-wirtschaftlichen Status abhängig. Gleiches gilt auch für die jeweiligen digitalen Fähigkeiten. Statusbedingte Unterschiede in der Nutzung und Anwendung zu minimieren, bleibt eine Herausforderung des gesamten Bildungssystems. Sowohl für die Hochschulen selbst als auch für Bildungsstiftungen eröffnet sich hier in Form von Unterstützungsangeboten wie z. B. Mentoringprogrammen ein Betätigungsfeld.
Bei der Digitalisierung setzen die Hochschulen häufig auf Kooperationen, zugleich sollen sie aber ihr Profil im Wettbewerb stärken. Wie lässt sich der Widerspruch von Kooperation und Konkurrenz auflösen?
Diesen Widerspruch gibt es so nicht. Hochschulübergreifende Kooperationen bei der Digitalisierung sind allein schon aus Kosten- und Effizienzgründen sinnvoll. Unabhängig davon ist jede einzelne Hochschule aufgerufen, eine auf ihren inhaltlichen Schwerpunkten aufbauende Digitalisierungsstrategie zu verankern. Ihrem Profil verleihen sie dadurch Schärfe.