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Interview11.03.2024

Man kann Wissen nicht einfach downloaden

Warum „smarte Hochschulen“ und Präsenzlehre kein Widerspruch sind

Dr. Thomas Brunotte - Geschäftsführer, Hochschullehrerbund hlb - Bundesvereinigung e. V. Quelle: hlb/Barbara Frommann Dr. Thomas Brunotte Geschäftsführer Hochschullehrerbund hlb
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
Meinungsbarometer.info
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"Der Campus ist erst dann „smart“, wenn sich Präsenzlehre und Digitalität verbinden und einander ergänzen", erklärt Dr. Thomas Brunotte vom Hochschullehrerbund. In Sachen Finanzierung der Transformation fordert er ein Gesamtkonzept, das unter anderem die Stärken eines jeweiligen Hochschulstandorts beachtet.





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Die hiesigen Hochschulen sind auf dem Weg zu smarten Hochschulen - zugleich herrscht nach der Pandemie wieder vielerorts die Präsenzlehre vor. Wieviel digital und wie viel analog macht einen Campus smart?
Zunächst einmal sind „smarte Hochschulen“ und Präsenzlehre kein Widerspruch. In Platons Dialog „Symposion“ gibt es ein schönes Bild, das zeigt: Wissen fließt eben nicht, getrieben durch die Kapillarkraft über einen Wollfaden aus dem volleren in ein leereres Wassergefäß – eine antike Bewässerungstechnik. Heute würde man sagen, man kann Wissen nicht einfach downloaden. Das gilt für die Präsenzlehre wie für die digitale Lehre. Entscheidend ist, dass die Hochschulen einen Raum bereitstellen, in dem sich Menschen zu gemeinsamen Lehren und Lernen begegnen können. Das kann in Präsenz gelingen, und die persönliche Begegnung von Lehrenden und Lernenden bleibt immer ein sehr wichtiges und unverzichtbares Gut in der Hochschullehre. Diese kann jedoch sinnvoll mit digitalen Möglichkeiten erweitert werden. Doch auch für die digitalen Formate gilt, dass sie „gelebt“ werden müssen, also in soziale Kontexte des Lehrens und Lernens eingebettet sein müssen. Das kann die unkomplizierte Einbindung von Expertinnen und Experten vom anderen Ende der Welt sein, es können aber auch spielerische Lernformate oder ganz neue Formen der Aufarbeitung und Ordnung von Wissen sein, die eben nur mit digitalen Mitteln gelingen. Im Unterschied zur Digitalisierung bedeutet Digitalität eben die Gestaltung der Lebenswelt mit digitalen Hilfsmitteln, Daten oder Geräten – und eben nicht die bloße Übersetzung von etwas, das vorher physisch vorhanden war, in ein digitales Format. Der Campus ist erst dann „smart“, wenn sich Präsenzlehre und Digitalität verbinden und einander ergänzen.

KI hat das Potenzial, Studium und Lehre grundlegend zu verändern. Wie gehen die hiesigen Hochschulen damit um?
Die Mitglieder des Hochschullehrerbunds hlb haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und inzwischen schon das zweite Positionspapier* dazu vorgelegt. Länder wie die USA oder China sind uns, was die Grundlagen der KI betrifft, weit voraus; auf dem Feld der Entwicklung von Anwendungen können wir aber hierzulande noch viel erreichen. Wichtig ist ein möglichst freier und offener Zugang zu den neuen technischen Möglichkeiten für die Forschung, die Lehrenden und für die Studierenden. An den Hochschulen muss es möglich sein, vor dem Hintergrund noch ungeklärter Rechtsfragen im Bereich des Grundrechts-, Daten- oder Urheberschutzes, KI-Forschung auf den Weg zu bringen. Natürlich werden sich auch Prüfungsformate verändern, z. B. das Prüfungsgespräch mehr Bedeutung gewinnen als eine schriftliche Hausarbeit. Die Diskussionen dazu sind im vollen Gang. Manchmal habe ich den Eindruck, dass man in der öffentlichen Debatte nur auf mögliche Tricksereien oder Schummeleien seitens der Studierenden schaut. Der eigentliche Punkt ist aber doch, wie die neuen Möglichkeiten sinnvoll für das Forschen und Lernen eingesetzt werden können. Diesen Impuls hat der hlb klar gesetzt.

Hochschul-IT-Systeme gelten aufgrund ihrer Größe und der vielen Zugänge als besonders schwer zu sichern - welche Anstrengungen sind in Sachen Cybersicherheit nötig?
Das stellen wir leider in unserer täglichen Arbeit immer wieder fest. Mitglieder sind wochenlang per E-Mail nicht erreichbar, weil die Server ihrer Hochschule gehackt worden sind. Das darf natürlich nicht sein. Mein Eindruck ist, dass wir als Gesellschaft insgesamt viel zu sorglos mit dem Thema umgehen. Das zeigt sich nicht nur an den Hochschulen. Und eben dies machen sich die Angreifer zu Nutze. Die technischen Abwehrmaßnahmen sind das eine, wichtiger aber noch sind wachsame Nutzerinnen und Nutzer. Am meisten würde es wohl helfen, gesamtgesellschaftlich mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.

Digitalisierung bindet Geld und Ressourcen - wie sollte die Politik die Hochschulen in dieser Frage unterstützten?
Wie immer bei großen Ausgaben und weitreichenden Vorhaben bedarf es eines Gesamtkonzepts, hier meine ich eine Hochschulentwicklungsplanung, die in jedem Bundesland durchgeführt werden sollte, die die Stäken eines jeweiligen Hochschulstandorts identifiziert, Synergien mit anderen herausarbeitet und gemeinsame Ziele setzt. Darin einbeziehen sollte man nicht nur die Investitionen in die notwendige digitale oder technische Infrastruktur, sondern auch bauliche Maßnahmen. Wenn sich die Art und Weise, wie wir künftig zusammenarbeiten, verändert, dann wird das auch die typische Gestaltung der Lehr- und Lernräume betreffen, also den ebenfalls sehr teuren Hochschulbau. Der Wandel, den wir etwa bei Büroimmobilien beobachten, wird sich auch an den Hochschulen zeigen. Denn der physische und der virtuelle Raum werden sich weiter verbinden. Ganz allgemein müssen wir uns deutlich machen, wo unsere Innovationskraft bei der Digitalisierung liegt: Hier in Europa hängt die Entwicklung der Digitalisierung oder auch von KI-Anwendungen am Datenschutz, während man in den USA viel freier damit umgeht oder in China sogar die autoritäre Herrschaft damit stärkt. Wenn wir aber unsere Datenschutzgrundverordnung ernst nehmen und zur Richtschnur bei der Entwicklung von neuen Anwendungen machen, dann können wir gegenüber der Konkurrenz in anderen Ländern einen echten Unterschied machen, nämlich eine datenschutz- und grundrechtskonforme Digitalisierung. Darauf sollten sich meiner Ansicht nach auch die staatlichen Förderprogramme für Forschung und Innovation fokussieren und eine solche Entwicklung gezielt voranbringen.

 

* https://www.hlb.de/fileadmin/hlb-global/downloads/Positionen/2024-01_Generative_KI_in_Lehre__Forschung_und_Transfer_-_Perspektiven_fuer_die_HAW.pdf

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