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Lässt sich Digital Detox erlernen?

Was Kunden in einem Offline-Urlaub wirklich suchen

Claudia Wagner, Geschäftsführerin Fit Reisen Quelle: Fit Reisen/ Torsten Spamer Claudia Wagner Geschäftsführerin Fit Reisen 03.05.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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„Die Nachfrage nach Reisen mit dem Ziel der Stressreduktion hat sich bei uns fast verdoppelt“, sagt Claudia Wagner. Als Geschäftsführerin von Fit Reisen, dem führenden Veranstalter von Wellness- und Gesundheitsreisen, ist sie Expertin für körperliche und geistige Erholung. In den vergangenen 10 Jahren hat sie ein zunehmendes Bedürfnis der Kunden nach Ruhe, Entschleunigung und bewusster Entspannung beobachtet. Aktuell wächst insbesondere das Interesse an Digital Detox-Angeboten.







Wie ordnen Sie den Trend Digital-Detox, dem Wunsch des „Technik-Fastens“, ein – erleben Sie eine größere Nachfrage?
Wir leben – vor allem auf Grund der Digitalisierung - in einem schnelllebigen Zeitalter. Das Smartphone ist unser ständiger Begleiter, das vieles vereinfacht, uns aber auch einer großen Reiz- und Informationsflut aussetzt: Wir beantworten Mails von unterwegs, tätigen noch schnell eine Überweisung auf dem Weg in den Supermarkt, schießen Fotos von Konzerten, die in der Bilder-Wüste in Vergessenheit geraten und scrollen nebenbei durch die nie endenden Newsfeeds in den „Sozialen“ Netzwerken. Dies verschlingt große kognitive Ressourcen und setzt uns unter Stress. Außerdem verschwimmen durch die ständige Erreichbarkeit die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Jeder kennt das Bedürfnis, sich dem – zumindest zeitweise – entziehen zu wollen. Auch Studien weisen ganz deutlich darauf hin: 11,3 Prozent aller Deutschen haben sich für dieses Jahr fest vorgenommen, in der Freizeit weniger aufs Handy und ins Internet zu schauen.

Viele Menschen finden ihren Internetkonsum zu hoch und versuchen diesen einzuschränken. Welches Maß an Digital Detox empfehlen Sie?
Menschen sind sehr unterschiedlich ausgestattet: Was dem einen zu viel ist, ist für den anderen gerade richtig. So verhält sich das auch beim Internetkonsum. Die meisten schätzen die Errungenschaften der modernen, medialen Welt. Allerdings empfinden viele das ständige Erreichbar sein als Stress. Gleichzeitig sind sie dem Gefühl ausgesetzt, etwas zu verpassen, wenn sie sich dem digitalen Strom versagen. Das hören wir immer wieder.

Heute ist das Problem erkannt und es gibt gute „Abschaltmöglichkeiten“ – physisch aber auch gedanklich. Durch die bewusste Auszeit schaffen wir es, den Fokus wieder mehr auf uns und das „hier und jetzt“ zu verschieben. Das Stichwort heißt „Achtsamkeit“. Meines Erachtens müssen wir wieder lernen, im Moment zu leben und uns bewusst der komplexen Welt und digitalen Reizüberflutung zu entziehen. Das richtige Maß ist eine sehr persönliche Sache, die jeder selbst bestimmen muss – außer es wird pathologisch.

Nach einer Bitkom-Untersuchung hat jeder Siebte Befragte es schon einmal Digital Detox versucht, ist aber gescheitert. Warum können so viele Menschen nicht von Ihren digitalen Devices lassen?
Das Internet ist eine Erscheinung unserer Zeit. Digital gehört zum Lebensstil und bietet ständig Neues: Nachrichten, Zerstreuung, Kontakte – da fällt es schwer, innezuhalten und sich nicht mitziehen zu lassen. Wenn ich zurückblicke auf die letzten 30 Jahre, die ich im Gesundheitsbusiness verbracht habe, hat aber selten eine Entwicklung so vehemente gesellschaftliche Veränderung mit sich gebracht. Der Zwang, dabei zu sein, ist riesengroß, sonst fühlt man sich „außen vor“.

Wichtiger ist es, sich eine andere Einstellung und einen anderen Konsum zur Gewohnheit zu machen. Das ist mit dem Essen nicht anders als mit dem Internet. Wenn es nur um Verzicht geht, fällt man leicht wieder in alte Muster zurück. Es gilt, für sich selbst ein gesundes Maß zu finden und genügend Ausgleich durch Bewegung oder Entspannung zu schaffen. Dann hat man eine reelle Chance auf eine gute Balance zwischen Online und Offline. Denn auch das wissen wir aus Erfahrung: Dauerstress – auch bedingt durch das Internet – macht krank. „Always on“ verändert unser Gehirn, unsere kognitiven Fähigkeiten verschlechtern sich. Ab wann es zur Sucht wird, muss allerdings ein Arzt entscheiden.

Für die digitale Enthaltsamkeit gibt es sogar digitale Apps. Wie sinnvoll ist Software, die Software-Nutzung verhindert?
Es ist wie bei allem: Was mir vorgeschrieben wird, hat meines Erachtens selten Aussicht auf Erfolg, weil die intrinsische Motivation fehlt. Wir müssen lernen, das richtige Maß für uns zu finden. Das gilt für alle Dinge, die es uns im Übermaß nicht guttun: Süßes, Salziges, Fettes, Alkoholisches aber auch Arbeit oder Medienkonsum. Der richtige Mix sorgt dafür, dass wir körperlich und geistig gesund bleiben.

Inzwischen haben auch Reiseanbieter wie Sie, spezielle Digital-Detox-Angebote im Programm. Was erwartet den Reisenden dabei?
Die Erwartungshaltung auf Kundenseite ist sehr unterschiedlich. Die Wenigsten sind „auf Entzug“. Viele sind mit einem starken Bewusstsein für die Thematik ausgestattet und gönnen sich eine Auszeit. Gerade diese Kunden möchten aber ungern bevormundet werden, sondern wollen ihren eigenen Rhythmus finden. Entsprechend variabel muss so ein Angebot zusammengestellt sein.

Einige Hotels bieten komplette Digital Detox Angebote an – das ist der totale Verzicht. Am Fuße des Wendelsteins im Kurort Bayrischzell inmitten von Wiesen, Wäldern und Bergen liegt beispielsweise das Naturhotel und Gesundheitsresort ‚Tannerhof‘. Hier können Gäste das Mobiltelefon auf Wunsch gleich beim Check-in abgeben. In den Hütten und Türmen, die als Hotelzimmer dienen, gibt es kein WLAN. Auch findet man in keinem der Zimmer einen Fernseher. Wer hierher reist, sucht bewusst Entschleunigung und Entspannung in unberührter Natur.

Aus Erfahrung wissen wir aber, dass die meisten Kunden einen beschränkten Zugang schätzen. Kein WLAN auf dem Zimmer, aber dafür in der Lobby. Dann kann jeder Gast die Nutzung selbst dosieren – und auch dosieren lernen. Bestenfalls ist das Reiseprogramm so abwechslungsreich, dass der Konsum gar nicht fehlt. Dafür finden sich vielleicht interessante Inspirationen, die auch im Alltag von allzu viel Internetkonsum abhalten. Die siebentägige Wanderung durchs Gebirge ohne Internetzugang klingt zwar erholsam und ist es auch, in der Realität wird sie bisher aber nur selten nachgefragt.

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