Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz soll die Digitalisierung von Krankenhäusern mit Milliarden vorangetrieben werden. Wie stehen die deutschen Krankenhäuser in Sachen Digitalisierung derzeit da?
Wir sehen hier ganz erheblichen Handlungsbedarf, wenn Deutschland das Potential der Digitalisierung im stationären Sektor ausschöpfen möchte. Legt man den Branchenstandard EMRAM zugrunde, erreicht von rund 1.200 Akutkrankenhäusern zurzeit nur eines die höchstmögliche Punktzahl von sieben, zwei weitere sechs Punkte. Andere europäische Länder sind da deutlich weiter.
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Das Fördervolumen soll bis zu 4,3 Milliarden Euro betragen, dabei können aber auch Corona-bedingte Ausfälle geltend gemacht werden. Ist die Summe angemessen für die nötige digitale Transformation der Branche?
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung hier die Initiative ergriffen hat und selbst 3 Milliarden Euro bereitstellen möchte. Die Gesamtsumme kann aber angesichts des aktuellen „digitalen Reifegrads“ der deutschen Krankenhäuser nur ein erster Impuls sein. Hier wird in den nächsten Jahren noch erheblich nachgelegt werden müssen, wenn die Krankenhäuser ihre im Krankenhauszukunftsgesetz formulierten Verpflichtungen im Jahr 2025 erfüllen sollen. Das Problem ist, dass die Bundesebene hier gesetzliche Vorgaben macht, die ab 2025 zu finanziellen Abschlägen für Krankenhäuser führen werden. Die Finanzierung der Krankenhausinfrastruktur, und hierzu gehören unserer Einschätzung nach auch alle Hard- und Softwarelösungen, ist aber Aufgabe der Bundesländer. Angesichts bisheriger Erfahrungen und der heute noch gar nicht abschätzbaren finanziellen Folgen der Corona-Pandemie auch für die Bundesländer, sind wir skeptisch, dass diese ihrer Verpflichtung nachkommen werden können.
Investitionen in digitale Patientenportale oder moderne Telemedizin-Anwendungen bedingen regelmäßig erhebliche Kosten beim späteren Betrieb. Wie lässt sich sicherstellen, dass die geförderten Investitionen den Patienten dauerhaft helfen?
Auch wir sehen durch die Digitalisierung ganz erhebliche Chancen für die Verbesserung der Patientenversorgung. Für uns ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen, ob die Digitalisierung für die Krankenhäuser so grundlegende Prozessoptimierungen ermöglicht, dass sich Investitionen „aus sich selbst heraus“ refinanzieren. Daher muss nach unserem Verständnis unbedingt eine gesetzliche Lösung gefunden werden, welche den Krankenhäusern die Refinanzierung verlässlich ermöglicht. Durch die methodische Systematik der Fallpauschalen-Kalkulation gelangen flächendeckende Innovationen in der Patientenversorgung jedoch erst mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren „ins System“. Darüber hinaus wird das Geld in den Fallpauschalen nur umverteilt, nicht aufgestockt. Folgt man dem Gedanken, dass Telemedizin-Anwendungen von Krankenhäusern auch im vertragsärztlichen Sektor zum Einsatz kommen, müssen auch hier entsprechende Finanzierungsmodelle konzipiert werden.
Ausdrücklich soll auch die IT-Sicherheit gefördert werden. Wie schätzen Sie die Gefahr von IT-Angriffen auf Krankenhäuser ein?
Einschlägige Pressemitteilungen zeigen deutlich, dass schon heute ein angemessenes Sicherheitsniveau für digitale Informationen ein sehr relevantes Thema für Krankenhäuser ist. Dieses Risiko wird unserer Meinung nach mit steigendem digitalen Reifegrad der Krankenhäuser noch deutlich zunehmen. Die jeweiligen Entscheidungsträger sollten daher unbedingt darauf achten, dass die Informationssicherheit mit der Dynamik der Digitalisierung Schritt hält.