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Kinderrechte ins Grundgesetz

Warum Clips mit Kids reguliert werden sollten

Dr. Michael Haas, Leiter der Bildungsinitiative Media Smart e.V. Quelle: Media Smart e.V. Dr. Michael Haas Leiter Media Smart e.V. 30.10.2018
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Können Kinder überhaupt gesund aufwachsen, wenn sie (von ihren Eltern) für die mediale Öffentlichkeit inszeniert werden", fragt Dr. Michael Haas. Der Medienpädagoge leitet die Bildungsinitiative Media Smart e.V. Der gemeinnützige Verein setzt sich für die Förderung von Werbe- und Medienkompetenz bei Heranwachsenden ein.







Kinder sind inzwischen häufig als Protagonisten in Internetvideos zu sehen. Sehen darin eher eine Chance, weil Kinder so mit moderner Kommunikationstechnik umgehen lernen - oder eher Gefahren für die Persönlichkeitsentwicklung?
Prinzipiell ist es aus pädagogischer Perspektive eine positive Entwicklung, dass Heranwachsende zunehmend Medien nicht bloß passiv rezipieren, sondern sie als Werkzeug verwenden mit dem sie Dinge, die ihnen wichtig sind, anderen mitteilen. Medien erweitern das Spektrum, sich in der Welt auszudrücken. Um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, ist es für Heranwachsende hilfreich, verschiedene Arten der digitalen Kommunikation zu kennen und für sich gebrauchen zu können. So ist auf den ersten Blick nichts dagegen einzuwenden, wenn ein 12-Jähriger seine Skateboardtricks filmt und sein Ergebnis auf eine Plattform hochlädt. Außerdem sind nicht selten Internetvideos von jungen Medienproduzenten äußerst kreativ. Durch die aktive Medienanwendung der Filmherstellung wird gewissermaßen die audiovisuelle Ästhetik des Heranwachsenden geschult. Ein solch trainierter Blick kann auch hilfreich sein, sich bewusst gegen die Rezeption von qualitativ schlechten Medieninhalten zu entscheiden. Davon gibt es in der Medienwelt schließlich zur Genüge. Jedoch - und dies ist entscheidend - können Kinder allein schon aufgrund ihrer noch nicht ausgereiften kognitiven und sozialen Entwicklung sowie ihrer fehlenden Lebenserfahrung die Auswirkungen ihrer (Medien-)Handlungen häufig nicht einschätzen. An dieser Stelle sind erst mal die Eltern gefragt, ihre Kinder medial zu begleiten und sie dabei vor entwicklungsbeeinträchtigen Gefahren zu schützen.

Neben vielen unkommerziellen Videos gibt es auch solche, in denen Kinder als sogenannte Influencer auftreten – sehen Sie auf diesem Gebiet Regulierungsbedarf?
Ich stehe dem Influencerkonzept mit Kindern äußerst kritisch gegenüber. Können Kinder überhaupt gesund aufwachsen, wenn sie (von ihren Eltern) für die mediale Öffentlichkeit inszeniert werden? Gegenwärtig mag der Markt der Kinderinfluencer zwar noch relativ überschaubar sein, jedoch zeichnet sich ein Trend ab, den es aus medienpädagogischer Perspektive genau zu beobachten gilt. Als exemplarisches Beispiel möchte ich auf die 9-jährige Miley verweisen. Ihr YouTube-Kanal bzw. der Kanal ihrer Eltern „Mileys Welt“ gibt regelmäßig Einblicke in das private Freizeitleben dieses Kindes. Die Eltern verdienen mit der Vermarktung von Miley scheinbar so viel Geld, dass beide ihren Job aufgegeben haben. Wie viel Druck mag wohl auf so einem jungen Wesen liegen, das für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich ist? Zum Schutz der Kinder sehe ich auf diesem Gebiet weiteren Regulierungsbedarf. Ein bedeutungsvoller Schritt wäre sicher die Übernahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Neben den Eltern sehe ich auch die Akteure des Kinderwerbemarkts inkl. der Plattformanbieter in einer gesellschaftlichen, moralischen Verantwortungspflicht gegenüber Kindern, die als Influencer tätig sind.

Kinder sind als Protagonisten besonders für andere Kinder vertrauenswürdig – vor welche Herausforderungen stellen junge Influencer die Medienbildung?
Influencer haben für viele Gleichaltrige eine Vorbildfunktion, ihren Ansichten wird entsprechend in gewisser Weise schneller vertraut. Aus der Forschung wissen wir, dass Kinder in aller Regel sehr empfänglich für werbliche Botschaften sind. Sie sind in ihrer Rolle als Produzent sowie als Rezipient unerfahrene Marktteilnehmer. Wenn Werbeformen - wie dies im Influencermarketing häufig noch der Fall ist - nicht eindeutig vom Content getrennt sind, dann ist dies für Kinder nicht immer erkennbar. Aufgrund der vielseitigen Facetten von Onlinewerbung steht die Medienbildung vor der Herausforderung, die Förderung von Werbekompetenz wieder verstärkt auf ihre Agenda zu setzen: Dazu gehört auch, Eltern „aufzuklären“, Pädagog(inn)en weiterzubilden, die Politik zu sensibilisieren und Werbetreibende sowie Agenturen zu motivieren, sich aktiv an der Vermittlung von Werbekompetenz zu beteiligen.

Auf den großen Plattformen kommen Kindern mitunter auch mit nicht altersgerechten Inhalten in Berührung – sehen Sie in dieser Frage Regelungsbedarf?
Kinder kommen nicht selten bereits mit drei Jahren über die Eltern oder ältere Geschwister mit Onlineplattformen wie YouTube in Berührung. Die gezeigten Inhalte werden oft sogar als Alltagshelfer eingesetzt, um die Kleinen zu belohnen oder anstehende Erledigungen, wie z.B. eine längere Zugfahrt, erträglicher zu machen. Mit einem Klick können sie auf Plattformen jedoch prinzipiell für ihr Alter verstörenden Content sehen, ganz abgesehen von der regelmäßig eingeblendeten Werbung. Die eingesetzten Algorithmen wissen nämlich nicht, ob ein 5- oder 20-Jähriger vor dem Tablet sitzt. Entscheidend finde ich in diesem Zusammenhang, ob Kinder unter 12 Jahren überhaupt auf Plattformen wie YouTube sein sollten. Hier sehe ich ganz dringend Diskussionsbedarf - auch auf (bildungs-)politischer Ebene.

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