Kinder sind inzwischen häufig als Protagonisten in Internetvideos zu sehen. Sehen darin eher eine Chance, weil Kinder so mit moderner Kommunikationstechnik umgehen lernen - oder eher Gefahren für die Persönlichkeitsentwicklung?
Man kann problemlos die Technik erlernen, ohne dass man sich der ganzen Welt präsentiert. Ich sehe die Gefahr aber weniger in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung, sondern beim Persönlichkeitsschutz. Kinder sind sich nicht bewusst, was sie da gerade machen und sie haben auch keine Vorstellung von langfristigen Folgen. Es sind ja leider oft die – man muss es so deutlich sagen – geldgierigen oder einfach auch nur doofen Eltern, die ihre Kinder in Situationen filmen, die dem Kind in 15 oder 20 Jahren extrem unangenehm sein könnten. Das Internet vergisst ja nichts. Ich habe auch witzige Videos meiner Töchter gemacht und bei manchen freue ich mich diebisch darauf, die mal auf der Hochzeit zu zeigen – aber niemals gegen den Willen der Braut!
Neben vielen unkommerziellen Videos gibt es auch solche, in denen Kinder als sogenannte Influencer auftreten – sehen Sie auf diesem Gebiet Regulierungsbedarf?
Kinder-Influencer sind mir tatsächlich ein Dorn im Auge, weil die jungen User das trotz Kennzeichnung oft einfach nicht als Werbung erkennen können. Ich appelliere hier immer wieder an das Verantwortungsbewusstsein der Industrie: Alle müssen sich klar machen, dass sie eine stärkere Regulierung des Werbemarktes insgesamt befördern werden, wenn das so weitergeht. Vieles, was auf YouTube zu sehen ist, wäre ein gefundenes Fressen für jeden Verbraucherschützer und es wundert mich, dass das Thema noch nicht breit durch die Medien gegangen ist. Deswegen befürworte ich hier klar eine Regulierung oder – noch besser – eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft: Das ist letztlich im Interesse aller, die im Kindermarkt Werbung betreiben müssen.
Kinder sind als Protagonisten besonders für andere Kinder vertrauenswürdig – vor welche Herausforderungen stellen junge Influencer die Medienbildung?
Kinder-Influencer sind deswegen so erfolgreich, aber auch so gefährlich, weil sie den jungen Usern auf Augenhöhe begegnen. Von Erwachsenen ist man es als Kind gewohnt, dass die einen belehren und beeinflussen wollen, von anderen Kindern aber nicht. Medienbildung kann das zwar vermitteln, aber das wird nichts bringen: Das fundamentale Problem ist nicht nur bei Kindern, dass die Narrative, die Influencer vermitteln, extrem wirksam und überzeugend sind: "Ich kenne den, der ist nett, er erzählt mir eine logisch klingende Geschichte und bebildert das auch noch schön … also glaube ich das." Gegen so eine emotional unterfütterte Story hat rationale Information keine Chance. Influencer funktionieren hier im Prinzip genauso wie die Populisten, weil sie bequem zu nutzen sind und anstrengende, kognitive Kontrollmechaniken einfach umgehen. Jugendliche wissen z.B. sehr genau, dass ihre Influencer für Posts bezahlt werden, das schmälert deren Wirksamkeit aber nicht. Das einzige, was man dagegen tun kann, ist immer und immer wieder Misstrauen zu schüren. Aber leider sind wir Menschen faul und glauben lieber die einfache Lösung, als dass wir mühsam die Wahrheit suchen.
Auf den großen Plattformen kommen Kindern mitunter auch mit nicht altersgerechten Inhalten in Berührung – sehen Sie in dieser Frage Regelungsbedarf?
Es wäre schön, wenn man da etwas machen könnte, aber daran glaube ich nicht. Früher oder später sind die Kids ihren Eltern den entscheidenden Schritt voraus und werden alles finden, wonach sie suchen. Deswegen brauchen Kinder vor allem ein starkes, moralisches Rüstzeug, das ihnen dabei hilft den Schmutz einzuordnen, den sie online finden werden. Und das können nur die Eltern leisten.
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24.10.2018 | INTERVIEW ZUR DEBATTE: ZUM DEBATTENVERLAUF →
FORSCHER FORDERT SELBSTVERPFLICHTUNG DER WIRTSCHAFT
Warum Kinder-Influencer so gefährlich werden können

Axel Dammler,Geschäftsführender Gesellschafter iconkids & youth international research GmbH [Quelle: iconkids & youth]
Kinder-Influencer sind dem Kinder- und Jugendforscher Axel Dammler "ein Dorn im Auge, weil die jungen User das trotz Kennzeichnung oft einfach nicht als Werbung erkennen können". Er sieht die Eltern in der Pflicht - aber auch die Wirtschaft.
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