Welche Auswirkungen hat der Konsum von Social-Media-Angeboten auf unser Verhalten, Familienleben und die soziale Kompetenz von Heranwachsenden?
Soziale Medien enthalten für junge Nutzerinnen und Nutzer viele Fallstricke. Wir müssen bedenken, dass hinter den beliebtesten Plattformen Großkonzerne stehen, die ökonomische Interessen verfolgen. Diese möchten vor allem, dass die Nutzungsdauer möglichst hoch ist. Die Folgen sind oft Suchtgefahr, Datenschutzverletzungen oder gar politische Manipulation. Die auf Social-Media-Plattformen entstandenen Echokammern gefährden den demokratischen Diskurs. Wir verlernen, statt miteinander nur mit Gleichgesinnten übereinander zu diskutieren. Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk zeigt zum Beispiel, was die Bündelung von ökonomischer Macht und Medienmacht bedeuten kann. Gleichzeitig können digitale, öffentliche Plattformen den politischen Diskurs stärken und damit auch unsere Gesellschaft. Die Entstehung der weltweiten Bewegung von Fridays for Future wäre ohne Social Media nicht vorstellbar gewesen. Aber öffentliche Plattformen sind in öffentlicher Hand besser aufgehoben. Es braucht demokratische Kontrolle über Algorithmen. Die Kinder und Jugendlichen, die Social-Media-Apps verwenden, müssen dabei gut begleitet werden – von den Eltern aber auch von der Schule. Dazu ist eine fundierte, fächerübergreifende Medienkompetenz nötig.
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Wie kann man Kinder und Jugendliche für manipulative Funktionen bei Social-Media-Plattformen sensibilisieren?
Medienbildung muss zum Gegenstand aller Schulstufen und Bildungsbereiche werden. Dies bedeutet ein Lernen mit und über Medien und den gesellschaftlichen Kontext, in dem Medien wirken. Hierzu gehören gerade auch kulturelle und gesellschaftliche Bezüge und ein kritisch-reflexiver sowie kreativer Umgang mit Medien. Wir möchten, dass Kinder und Jugendliche sich mündig in der digitalen Welt zurecht finden können und diese aktiv gestalten. Ein striktes Medienverbot halte ich für falsch. Mit Kindern und Jugendlichen gemeinsam Social-Media-Plattformen zu betrachten und zu reflektieren halte ich für besser. Denn wir dürfen als Pädagog*innen nicht die Lebensrealität der Schüler*innen ausblenden. Sensibilisieren heißt im pädagogischen Kontext, ausprobieren, reflektieren und auch datenschutzkonforme und nichtkommerzielle Alternativen zu besprechen. Hierfür gibt es inzwischen wirklich ausgezeichnete Materialien und Projekte, zum Beispiel den Internetführerschein, das Portal Klicksafe oder auch Materialien des Unblack-the-Box Netzwerkes. Ganz wichtig ist aus meiner Sicht auch, in der Lehrkräftebildung anzusetzen, also bereits im Lehramtsstudium die Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenz groß zu schreiben, entsprechende Lehrinhalte und später auch entsprechende Fortbildungen anzubieten. Aber auch die Medienbildung in der außerschulischen Jugendarbeit spielt eine wichtige Rolle.
Strategien wie Dark Patterns und Digital Nudging wurden als manipulativ entlarvt. Sollte es gesetzlich geregelte Grenzen für verhaltensbeeinflussende Mediendesigns geben?
Ja unbedingt. Es gibt immer zwei Ansatzpunkte. Auf der einen Seite ist die Stärkung individueller Medienkompetenz wichtig, um eben diesen Mechanismen nicht anheim zu fallen. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch eine Regulierung, die von der politischen Ebene ausgehen muss. Die EU-Ebene spielt da derzeit eine wichtige Rolle und hat mit verschiedenen Gesetzgebungen neue Möglichkeiten der Regulierung eröffnet. Zum Beispiel wurde mit dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) ein Verbot von Dark Patterns zumindest bei großen Plattformen angestrebt. Die verschiedenen Gesetzgebungsprozesse auf EU-Ebene zeigen aber ebenso wie die angestrebte Wirkung durch die Lobbyarbeit der Digitalwirtschaft verwässert wird.
Wie kann die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen insgesamt gestärkt werden?
Medienkompetenz sollte als Schlüsselqualifikation großgeschrieben werden. Das bedeutet, sie zum Gegenstand aller Schulstufen und Bildungsbereiche zu machen. Medienkompetenz bedeutet auch, zu wissen, wo die eigenen Grenzen und Rechte liegen und wann man aus- und abschalten muss. Wir setzen uns als Bildungsgewerkschaft dafür ein, dass ein produktiv-kreativer Umgang mit Medien gefördert wird, der die Kinder und Jugendlichen nicht zu Konsument*innen und Follower*innen erzieht, sondern Gestaltungskompetenz eröffnet. Einfluss zu nehmen darf nicht auf wenige Influencer*innen beschränkt bleiben. Sonst fördern soziale Medien die soziale Spaltung.