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Interview30.05.2017

Keine United States of Europe im Medienmarkt

Warum Filme Land für Land vermarktet werden sollten

Dr.jur. Werner Müller, Geschäftsführer Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband Film- und Musikwirtschaft Quelle: Fama Dr. Werner Müller Geschäftsführer FAMA (Film and Music Austria)
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Film-Verwerter brauchen exklusive Rechte, sagt Dr. Werner Müller vom Fachverband Film- und Musikwirtschaft in Österreich. Deswegen ist er gegen eine europaweite "one for all"-Lösung für jede Art von Filmen.





Bei der EU ist die Aufhebung des Territorialprinzips im Gespräch – danach müssten TV-Sender die Online-Rechte eines Films nur noch für ein EU-Mitgliedsland erwerben und könnten diesen dann in der ganzen EU zugänglich machen. Was halten Sie davon?
Zum Verständnis des Themenkomplexes ist es wichtig zu wissen, dass Film ein teures Kultur- und Wirtschaftsprodukt ist. Und zwar sowohl in der Finanzierung, der Entwicklung und der Produktion, als auch in der Verwertung ist es wichtig, dass sich Filmförderungen, Kinoverleiher und sonstige Verwerter und – in Österreich besonders wichtig - die Sender (in Österreich primär der ORF) an der Finanzierung des Filmes und später an der Lizenzierung und Verwertung beteiligen. Nur das sichert die finanzielle Möglichkeit, weiter das riskante Filmgeschäft durchzuführen. Diese Verwerter inklusive der Sender tun dies aber nur, wenn sie territoriale oder Verwertungs-Exklusivitäten haben – so wird sich klarerweise ein Kinofilmverleiher für die nationale Kinofilmverwertung nur dann beteiligen, wenn nicht gleichzeitig der filmische Content auf einem anderen Kanal (z. B.: im Fernsehen) vorher ausgespielt wird.

Die Produzenten wehren sich. Wie sehr bedroht eine Aufhebung des Territorialprinzips die Filmwirtschaft in Europa?
Territoriale Verwertung ist deshalb wichtig, da nur sie sichert, dass diese Exklusivität erhalten bleibt und produziert werden kann. Sie aufzubrechen ist aber auch aus Sicht des Konsumenten nicht rechtfertigbar. Viele Filme sind eben für den regionalen Markt gemacht. Sie darüber hinaus verpflichtend zugänglich zu machen, macht weder wirtschaftlich Sinn noch besteht für diese Art von Filmen tatsächlich ein überregionaler Bedarf. Die Möglichkeit, Finanzierung für die Entwicklung von Filmen zu gerieren, wird aber durch die teureren multilateralen Lizenzen nochmals stark geschmälert, ohne dass der Konsument wirklich etwas davon hat.

Im konkreten Fall geht es um die Einführung des Ursprungslandprinzipes für bestimmte fernsehnahe Dienstleistungen wie z. B.: die zeitlich beschränkte (in Österreich 7 Tage, in Deutschland 30 Tage) Nutzung von Fernsehinhalten in den Internetangeboten der Sender – unter anderem also sog. Catch-up TV. An sich unproblematisch. Allerdings wird auch hier die Exklusivität beeinflusst was z. B. im Verhältnis ORF und deutschen Sendeanstalten, die ja oft gemeinsam koproduzieren, sehr wohl ein hochsensibles Thema ist. Mag auch der Online-Bereich derzeit noch aus österreichischer Sicht nicht jene Erwartungen in der Verwertungshinsicht erfüllen wie die klassische Verwertung im Kino, Fernsehen und auf DVD, so wird es doch ohne Zweifel ein wesentlicher medialer Strang der Zukunft sein. Da sollte aber dann schon gesichert sein, dass nicht nur die großen Online-Konglomerate – die großen Serviceanbieter a la Amazon, Google, Netflix mit ihren speziellen Abo- und Werbe-basierten Geschäftsmodellen die Gewinner sind, sondern filmische Inhalte auch weiterhin hergestellt werden können - zum Nutzen derer, die sie produzieren und der kreativen Urheber und Filmschaffenden.

Das Territorialprinzip aufzugeben – dafür gibt es weder Gründe aus der Wirtschaft selbst, noch eine relevant nachweisbare Konsumenten-Nachfrage nach nicht nationalen europäischen Inhalten. Nicht zu vergessen: Der Wunsch mancher Konsumenten, möglichst schnell und möglichst gratis ihr tägliches Game Of Thrones nach Hause geliefert zu bekommen, ist davon ja nicht betroffen.

Inwieweit ist der Filmmarkt in der EU überhaupt ein gemeinsamer?
Der Filmmarkt in der EU ist ein gemeinsamer und gleichzeitig nicht gemeinsam ist er deswegen, weil die Tatsache von Koproduktionen aus verschiedenen Gründen bedeutet, dass speziell Österreich und Deutschland als gemeinsamer Sprach- und Verwertungsraum natürlich eine sehr lebendige Partnerschaft darstellen. Gleichzeitig gibt es im Medienmarkt aber keine United States of Europe. Viele Inhalte sind sehr regional und für ihren Heimmarkt interessant, nicht aber notwendigerweise für das Publikum in anderen Ländern. Das ist  im Hinblick auf die kulturelle Diversität der einzelnen Länder auch gut so. Auch nicht jeder amerikanische Film ist ein auf den internationalen Markt ausgerichteter Blockbuster und in Europa gibt es zwar solche im Fernseh- (The Killing, Das Team) und Kinobereich, es gibt aber eben auch die auf regionale Märkte spezialisierten Inhalte.

Film ist eben kein Produkt wie ein anderes „Industrieprodukt“ und ist daher auch anders zu behandeln. Es ist immer eine Mischung aus Kultur/Kunst- und Wirtschaft und es ist bekanntlich an risikobehaftetes „Geschäft“ mit sehr heterogenen Ausformungen. Daher müssen auch die europäischen Antworten komplex sein.

Von einer Aufhebung des Territorialprinzips würden insbesondere auch Zuschauer profitieren, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Land gewählt haben. Welche wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung spielt diese Nutzergruppe?
Mit der Portabilitätsverordnung wird den Nutzern nun ohnehin ermöglicht, ihre Abo-Dienste bei zeitlich beschränkten Auslandsaufenthalten, wie Urlauben und dgl. ohne zusätzliche Kosten quasi „mitzunehmen“. Das ist auch im Grunde eine nachvollziehbare Aktion der EU – wenngleich die juristische Qualität des Entwurfs aus meiner Sicht in vielerlei Hinsicht zu kritisieren ist und sicher nicht zu einer europaweiten Harmonisierung führen wird. Dass der Konsument aber seine bezahlten Inhalte auch für kurze Auslandsaufenthalte im Ausland nutzen will, ist aber ein durchaus nachvollziehbares Verlangen. Noch einmal aber dazu: natürlich ist es das Ziel der Filmwirtschaft, das die Filme möglichst breit verwertet und überall gesehen werden. Eine „one for all“-Lösung für jede Art von Filmen - vom international verwertbaren Blockbuster über Arthouse-Content bis zum mit gutem Grund regional geerdeten Fernsehfilm - ist aber definitiv kontraproduktiv.

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

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Prof. Dr. Mathias Schwarz
Direktor für Internationales, Service & Recht II
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