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Interview09.07.2018

Keine Nachrichtenredaktion muss auf Textform verzichten

Unter welchen Bedingungen Texte für ARD, ZDF und Co im Netz auch künftig gehen

Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalt Quelle: StkSA/ Andreas Lander Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident Landesregierung Sachsen-Anhalt
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Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
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"Der Kompromiss dient gleichermaßen der Entfaltung der Rundfunkfreiheit und der Pressefreiheit," sagt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff mit Blick auf die Einigung über den Telemedienauftrag für die Öffentlich-rechtlichen. Der Entwurf biete einen angemessenen Interessensausgleich.





Bei öffentlich-rechtlichen Angeboten soll künftig der Schwerpunkt auf Audios und Videos liegen, Texte sollen aber weiter zulässig sein. Wie beurteilen Sie diesen Kompromiss?
Der Kompromiss dient gleichermaßen der Entfaltung der Rundfunkfreiheit und der Pressefreiheit, denn die Rundfunkanstalten sind als Grundrechtsträger ebenso schutzbedürftig wie die Zeitungsverlage. In dem neuen § 11 d Absatz 7 Rundfunkstaatsvertrag wird zunächst ausdrücklich klargestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote nicht presseähnlich sein dürfen. Diese Aussage wird dahingehend präzisiert, dass bei der Gestaltung der Schwerpunkt in Bewegtbild oder Ton zu setzen ist, wobei Text nicht im Vordergrund stehen darf. Zum anderen wird Text in den Telemedienangeboten aber nicht ausgeschlossen, da es völlig unstrittig ist, dass kein Telemedienangebot ohne Text auskommt. Daher bleiben Angebotsübersichten, Schlagzeilen, Sendungstranskripte, Informationen über die jeweilige Rundfunkanstalt und Maßnahmen zum Zweck der Barrierefreiheit unberührt. Unberührt bleiben ferner Telemedien, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützen, begleiten und aktualisieren, wobei der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden muss. Schließlich sieht die Neuregelung vor, dass auch bei den soeben erwähnten sendungsbezogenen Telemedien nach Möglichkeit eine Einbindung von Bewegtbild oder Ton erfolgen soll. Die Rundfunkanstalten werden also angehalten, Bewegtbild oder Ton in den Telemedien einzubinden, wenn für diese Art der Gestaltung eine Möglichkeit besteht. Dies ist unter journalistisch-redaktionellen Aspekten zu beurteilen. Stehen also beispielsweise bei einer Eilmeldung noch keine Bewegtbilder zur Verfügung oder wäre es zu aufwendig, sie zu beschaffen oder sprechen medienethische Gründe gegen die Einbindung von Bewegtbildern, etwa bei Unfällen oder Katastrophen, muss gleichwohl keine Nachrichtenredaktion auf eine Darstellung in reiner Textform verzichten.

Über Streit mit privaten Medien über die Online-Angebote soll künftig Schiedsgerichte entscheiden. Was erwarten Sie von deren Arbeit?
Der Regelungsvorschlag sieht keineswegs ein Schiedsgericht vor, das an die Stelle ordentlicher Gerichte treten würde. Vielmehr geht es um die Einrichtung einer Schlichtungsstelle. Von der Schlichtungsstelle, die nach der zwischen Rundfunkanstalten und Zeitungsverlegern erzielten Übereinkunft paritätisch besetzt werden und eine weitere Person als Vorsitzenden haben soll, erwarte ich mir, dass sie die bisherigen wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten überflüssig macht. In der Schlichtungsstelle soll gemäß dem Gebot gegenseitiger Rücksichtahme eine gütliche Einigung stattfinden. Sie soll lediglich Empfehlungen aussprechen. Grundlage dafür könnten meines Erachtens auch Best-Practice-Beispiele sein. Nicht wenige Rundfunkanstalten haben in der letzten Zeit bereits Telemedienangebote entwickelt, die nach meinem Eindruck audiovisuelle Inhalte stärker herausstellen, als dies bisher der Fall war. Das ist der gestalterische Ansatz, der sich im Regelungsgehalt des § 11 d Absatz 7 Rundfunkstaatsvertrag wiederfindet. 

Die Anstalten dürfen – in Absprache mit den Gremien – Videos und Audios künftig länger als sieben Tage in den Mediatheken lassen dürfen. Wie bewerten Sie das?
Die Rundfunkanstalten durften auch bisher Sendungen ihrer Programme länger als sieben Tage in den Telemedienangeboten zum Abruf bereithalten, sofern dies in den Telemedienkonzepten geregelt war. Davon haben die Rundfunkanstalten umfangreich Gebrauch gemacht, denn sonst gäbe es derzeit gar keine einigermaßen attraktiven öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Zukünftig wird die bisherige „Sieben-Tage-Regelung“ ganz gestrichen, aber es bleibt dabei, dass die Verweildauern der Sendungen und anderer Inhalte auf Abruf in den Telemedienkonzepten festgelegt werden müssen. Die Rundfunkanstalten könnten die Inhalte zukünftig daher so lange anbieten, wie sie die dafür notwendigen Nutzungsrechte von den Produzenten oder anderen Rechteinhabern vertraglich erworben haben. Das Urheberrecht bleibt für die Verweildauern also auch in Zukunft maßgeblich. 

Die Anstalten sollen zeit- und kulturgeschichtliche Archive mit informierenden, bildenden und kulturellen Inhalten aufbauen. Wie sollten diese aus Ihrer Sicht aussehen?
Die Regelung gibt es im Grundsatz schon heute. Das bisherige Regelungsziel war vornehmlich, die zeit- und kulturgeschichtlichen Archive gesetzlich von den Verweildauerregelungen auszunehmen, um es damit den Rundfunkanstalten von vornherein zu ermöglichen, Inhalte von dauerhaftem Wert zeitlich unbeschränkt in den Telemedienangeboten bereitzustellen. Die Regelung wird nun begrifflich erweitert um die „informierenden, bildenden und kulturellen Inhalte“, die bekanntlich die Kernkompetenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellen. Somit ist eine breite Palette von Inhalten denkbar, die aus journalistisch-redaktioneller Sicht für ein langfristiges Angebot attraktiv sein können. Auch insoweit gilt selbstverständlich, dass entsprechende Nutzungsrechte vorhanden sein müssen. In diesem Zusammenhang ist zudem auf die Neuregelung hinzuweisen, dass die Rundfunkanstalten auch auf Inhalte verlinken sollen, die Einrichtungen der Wissenschaft und der Kultur anbieten und die aus journalistisch-redaktionellen Gründen für die Telemedienangebote geeignet sind. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich ein Zusammenspiel dieser Verlinkungen mit den Archiven vorzustellen. Damit könnten die Rundfunkanstalten für die Gesellschaft zusätzliche und höchst notwendige Funktionen übernehmen. 

Nun muss der Telemedienauftrag noch durch die Parlamente der Bundesländer. Welche Regelungen müssten aus Ihrer Sicht noch ergänzt werden?
Viele Landesparlamente haben seit Jahren eine Novellierung des öffentlich-rechtlichen Telemedienauftrags gefordert, damit die Rundfunkanstalten im Internet zeitgemäß agieren können. Nun liegt ein Staatsvertragsentwurf auf dem Tisch, der durch umfangreiche Anhörungen gegangen ist und Der Ebntwurfanbietet. Ergänzungen halte ich nicht für erforderlich.

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