In vielen Ländern gehört die Dashcam längst zur Auto-Ausstattung. Machen Dashcams den Verkehr wirklich sicherer?
Nein. Ich kenne hierzu keine validen statistischen Erhebungen, aus denen sich das ergeben würde. Dashcams sind nur zur Aufklärung von stattgefundenen Unfällen und stattgefundenem Fehlverhalten im Straßenverkehr geeignet – und das auch nur eingeschränkt:
Mehr Sicherheit würde entstehen, wenn Ordnungsbehörden konsequent gegen „Elefantenrennen“ vorgehen und die OWis von durchreisenden Fahrzeugen konsequent verfolgen würden. Heute ist es bspw. in Bayern so, dass alle nichtdeutschen und nichtösterreichischen Geschwindigkeits- oder Abstandsverstöße, die nicht sofort kurz nach der Messstelle geahndet werden, noch von dem Auswertebeamten der Polizei aussortiert werden.
In Deutschland ist die Nutzung im europäischen Vergleich noch sehr gering. Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung der deutschen Autofahrer?
Autofahrer vertrauen der Aufklärungsarbeit und der Integrität der an einer Unfallaufnahme in Deutschland beteiligten Polizisten – das mag in anderen Ländern anders sein. Es kann auch sein, dass in hier die Wege für Polizeikräfte, die zur Unfallaufnahme gerufen werden, kürzer sind, als etwa in Staaten mit einer geringeren Bevölkerungsdichte.
Was sollten Autofahrer ggf. beachten um Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte Dritter einzuhalten?
Teilnehmer am Straßenverkehr in Deutschland haben sich nicht nur an die StVO zu halten, sondern auch an andere Gesetzte, wie das BSDG und die DSGVO. Das bedeutet (auch nach der Entscheidung des BGH), dass sie fremde Personen nicht einfach ohne deren Einverständnis aufzeichnen und die Aufzeichnung nicht dauerhaft speichern dürfen. Wenn es also unbedingt eine Dashcam sein soll, dann sollte es eine sein, die automatisch sicherstellt, dass nur die letzten Minuten vor dem Unfall aufgezeichnet werden und zu Beweiszwecken erhalten bleiben.
Das BGH hat aktuell ein Urteil zu Dashcams gesprochen, nach dem Aufnahmen von Dashcams bsw. bei Unfällen vor Gericht verwendet werden dürfen. Ist damit die Rechtsunsicherheit jetzt vollkommen vom Tisch, oder bleiben weiter ungeklärte Fragen? Was empfehlen Sie ggf. Ihren Mandanten?
Der BGH ist vielfach falsch verstanden worden, denn er hat eben keinen „Persilschein“ für die Verwendung jedweder Dashcam ausgestellt. Er hat lediglich für Fälle, in denen es Dashcam-Aufnahmen gibt und in denen eine Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, die Verwertbarkeit im Zivilverfahren gestattet. Es bleibt aber für das Gericht, das den Sachverhalt aufklären soll, eine Einzelfallabwägung, in es die Rechtsgüter des Klägers und des Beklagten gegeneinander abzuwägen hat. Der BGH hat auch festgehalten, dass dies nichts an der Sanktionierbarkeit eines Verstoßes gegen den Datenschutz ändert. Es ist absehbar, dass die Abwägung von grundgesetzlich geschützten Rechtsgütern früher oder später auch Gegenstand einer Entscheidung des BVerfG sein wird, dass dann (wohl erst in einigen Jahren) für Rechtssicherheit sorgen kann.
Als Anwalt würde ich einem Mandanten unbedingt davon abraten, das Videomaterial ungeprüft an den gegnerischen Haftpflichtversicherer weiterzuleiten, etwa um die Regulierung zu beschleunigen: Zum einen erkennt er vielleicht zunächst gar nicht, ob das Video für oder gegen ihn spricht. Zum anderen wird er nicht wissen, ob seine konkrete Aufnahme gegen den Datenschutz verstoßen hat und ob dessen Verfolgung an der Verjährung scheitert, oder nicht. Daher sollte der Geschädigte einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsuchen, und sich dort kompetent beraten lassen.

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