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Ist Facebook marktbeherrschend?

Wie das Bundeskartellamt in der digitalen Welt agiert

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes Quelle: © Bundeskartellamt Andreas Mundt Präsident Bundeskartellamt 27.06.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Deutschland ist eines der ersten Länder, "das spezifische Regeln für die Digitalwirtschaft aufgestellt hat", betont Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Gerade bei der Marktmacht von Unternehmen in der Internetwirtschaft müssten einige Besonderheiten beachtet werden. Namentlich Facebook ist gerade Gegenstand eines Verfahrens.







Die Politik strebt angesichts der Marktmacht einzelner Internetkonzerne eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt an. Was wären Ihre wichtigsten Forderungen für eine solche Modernisierung?
Mit der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Sommer 2017 hat der Gesetzgeber das Kartellrecht bereits kräftig modernisiert. Deutschland ist damit eines der ersten Länder, das spezifische Regeln für die Digitalwirtschaft aufgestellt hat. Beispielsweise müssen bei der Marktmacht von Unternehmen in der Internetwirtschaft einige Besonderheiten beachtet werden. Netzwerkeffekte können dazu führen, dass der Marktanteil einer führenden Internetplattform immer größer wird. Der Zugang zu Daten spielt ebenfalls oft eine entscheidende Rolle. Solche Parameter für die Bewertung von Marktmacht stehen nun im Gesetz. Außerdem wird durch die Novelle klargestellt, dass ein Markt im kartellrechtlichen Sinne auch dann vorliegen kann, wenn kein Geld fließt. Das ist wichtig, schließlich zahlen die Kunden im Internet anstatt mit Geld oft mit ihren Daten.

Natürlich müssen wir fortlaufend darüber nachdenken, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen noch weiter verbessert werden können. Wir müssen uns beispielsweise mit der Frage beschäftigen, wie wir das Spannungsverhältnis zwischen schnelllebigen Märkten und zeitintensiven rechtsstaatlichen Verfahren lösen. Wenn wir zu langsam Verfahren führen, könnten unsere Entscheidungen zu spät kommen. Dann hat zum Beispiel ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Wettbewerber vielleicht schon verdrängt. Wir müssen daher die richtige Balance finden zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit. Diskutiert wird zum Beispiel der Erlass einstweiliger Maßnahmen. Aber auch das ist sicherlich kein Allheilmittel, zumal enorme Haftungsrisiken entstehen könnten.

Die Missbrauchsregeln selbst sind flexibel genug, um auf die Herausforderungen in der digitalen Wirtschaft reagieren zu können. Dennoch ist ein Feintuning denkbar. Außerdem gibt es Bereiche, in denen punktuell die Eingriffsschwellen für die Missbrauchsaufsicht abgesenkt werden könnten, zum Beispiel um eine Monopolisierung von Plattformmärkten zu verhindern und Abhängigkeiten besser erfassen zu können. Vorstellbar wären auch Erleichterungen beim Nachweis der Eingriffsvoraussetzungen. Das sind alles Punkte, über die wir derzeit diskutieren.

Einige Experten fordern eine eigene Regulierungsbehörde für das Internet, weil die klassischen Institutionen inhaltlich, rechtlich und personell nicht für die schnelle digitale Welt geschaffen seien. Wie sehen Sie das? Können z. B. Behörden wie die BNetzA, die nach Markt-Liberalisierungen entstanden sind, da ein Vorbild sein?
Das Bundeskartellamt und viele andere Wettbewerbsbehörden in Europa und weltweit sind gerade dabei, Korsettstangen für die Internetwirtschaft einzuziehen. Viele bislang offene Fragen werden durch unsere Verfahren geklärt. Ich denke, dass die Wettbewerbsbehörden hierfür auch die richtigen Institutionen sind, da das Wettbewerbsrecht ein atmendes, auf verschiedenste Fallkonstellationen anwendbares Recht ist und wir mit unseren Verfahren vergleichsweise schnell zu Ergebnissen kommen. Regulierung ist hingegen oft statisch und wenig flexibel, was bei schnelllebigen Märkten problematisch ist.

Natürlich werden wir mit dem Wettbewerbsrecht nicht alle Probleme lösen können. Sicherlich wird es auch regulatorische Maßnahmen geben müssen. Ob wir hierfür aber eine neue Behörde brauchen, sehe ich sehr skeptisch. Ich denke, dass Behörden wie das Bundeskartellamt bereits einen wichtigen Beitrag leisten.

Soziale Netzwerke leben vom Austausch einer möglichst breiten Nutzerschaft. Wie könnten sich solche Angebote kartellrechtlich regulieren lassen, ohne ihren Sinn zu verlieren?
In der Tat führen die Netzwerkeffekte dazu, dass sich in vielen Bereichen nur ein, zwei große Plattformen herausbilden. Unternehmen wie Facebook und Google haben ihre enorme Größe vor allem durch Netzwerkeffekte erreicht. Ich vergleiche das gerne mit einer Kneipe: Niemand will in eine leere Kneipe gehen. Und niemand will auf eine soziale Plattform gehen, wo niemand ist. Ich gehe in die Kneipe, wo ich meine Freunde und Bekannte treffe. Und sobald einige da sind, kommen immer mehr dazu. Allerdings hat eine Kneipe nur einen begrenzten Platz. Das ist bei sozialen Netzwerken anders, daher sind dem Wachstum nur wenig Grenzen gesetzt.

Viele Nutzer lieben diese großen Plattformen, sie bieten ja auch viele Vorteile. Ich halte daher derzeit wenig davon, in solchen Fällen ernsthaft über so etwas wie eine Zerschlagung zu diskutieren. Ein wichtiges kartellrechtliches Instrument in der Internetwirtschaft sind Missbrauchsverfahren. Wir müssen eingreifen, wenn marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Unser Facebook-Verfahren ist ein solcher Fall. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, aber nach unserer bisherigen Einschätzung ist Facebook im Bereich der sozialen Netzwerke marktbeherrschend und missbraucht seine Marktmacht, was das Sammeln und Verwerten von Daten betrifft.

Bei solchen Missbrauchsverfahren geht es weniger um Bußgelder, sondern eher darum, ob Unternehmen Verträge oder ihr Geschäftsmodell ändern müssen. Das ist ein sehr scharfes Schwert. Ich denke, das ist die richtige Herangehensweise für kartellrechtliche Probleme in der Internetwirtschaft.

Die Internetriesen wachsen auch, weil sie Start-ups kaufen, bevor diese zu echten Konkurrenten heranwachsen – wie lässt sich das kartellrechtlich steuern?
Hierauf hat der Gesetzgeber mit der jüngsten Novelle des Wettbewerbsrechts reagiert und eine neue Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle eingeführt. Bislang ging es bei der Frage, ob eine Fusion anmeldepflichtig ist oder nicht, vorrangig um die Umsätze der Unternehmen. Gerade in der Internetwirtschaft oder anderen innovativen Branchen kann es aber Unternehmen geben, die noch nicht viel Umsatz erzielen, aber trotzdem ein hohes wettbewerbliches Potenzial haben. Der Wert des Unternehmens spiegelt sich dann oft im Kaufpreis wieder. Fusionen sind daher seit der jüngsten Gesetzesnovelle auch dann anmeldepflichtig, wenn der Transaktionswert bei mehr als 400 Millionen Euro liegt. Das ist auch eine Lehre aus dem Facebook/Whatsapp-Fall, der fast durch das Raster der Fusionskontrolle gerutscht wäre, obwohl Facebook stattliche 19 Milliarden Dollar für Whatsapp bezahlt hat – damals ein Unternehmen mit nur 55 Mitarbeitern und nur wenig Umsatz.

Die fünf größten Konzerne sind Wachstumstreiber an der Börse, die sogenannten FAANG-Aktien haben Billionen-Werte. Welche Auswirkungen könnten regulatorische Maßnahmen auf die Finanzwelt haben?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten, sondern hängt natürlich davon ab, wie die Entscheidungen von Behörden oder regulatorische Maßnahmen durch den Gesetzgeber genau aussehen. Den Mitarbeitern in unserem Amt ist sehr bewusst, dass ihre Entscheidungen weitreichende Folgen für Unternehmen haben können. Wichtig ist dabei aber auch eine Gesamtschau, nicht nur der Blick auf ein einzelnes Unternehmen: Wettbewerbliche Strukturen bringen für die Volkswirtschaft als Ganzes den größten Nutzen.

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