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Interview09.03.2018

Digitalpolitik in mehreren Ministerien hat nicht viel vorangebracht

Worauf bei der Netzregulierung geachtet werden sollte

Jimmy Schulz (FDP), Vositzender des Bundestagsausschusses „Digitale Agenda“ Quelle: FDP Fraktion Jimmy Schulz Vorsitzender Bundestagsausschuss Digitale Agenda
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Das Internet kennt keine Grenzen, wir brauchen einen koordinierten Ansatz zwischen nationalen, europäischen und internationalen Behörden", sagt Jimmy Schulz (FDP), Vorsitzender des Bundestagsausschusses „Digitale Agenda“ mit Blick auf die digitale Regulierung. Änderungen des Kartellrechts müssten dem besonderen Charakter der Plattformökonomie Rechnung tragen.





Die Politik strebt angesichts der Marktmacht einzelner Internetkonzerne eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt an. Was wären Ihre wichtigsten Forderungen für eine solche Modernisierung?
Neue, innovative Technologien bieten enorme Chancen für unsere Gesellschaft und Wirtschaft, stellen jedoch auch neue Anforderungen an den aktuellen Rechtsrahmen. Wir müssen hierfür Lösungen finden, die Innovationen unter Wahrung der Privatsphäre ermöglichen, Wettbewerb gewährleisten und eine Monopolbildung verhindern.
Dabei gilt es, über den nationalen Tellerrand hinaus zu denken, denn Digitalisierung ist global, wir sind weltweit vernetzt. Nationale Alleingänge bringen uns nicht weit, wir benötigen vielmehr einen gemeinsam europäischen Ansatz und müssen uns auch international koordinieren und Leitlinien entwickeln, etwa im Rahmen des Internet Governance Forums (IGF). Auch wenn das Thema aktuell viel Aufmerksamkeit bekommt, dürfen wir nicht in eine „blinde Regelungswut“ verfallen und sollten erst einmal evaluieren, welche bestehenden Regelungen ggf. modernisiert und angepasst werden können. Das Beispiel Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat gezeigt, welche negativen Konsequenzen unausgegorene Schnellschüsse haben können.

Auf Nutzerseite ist es wichtig, die Portabilität ihrer Daten sicherzustellen und Transparenz darüber zu gewährleisten, welche Daten erhoben und verarbeitet werden. Zudem muss es ihnen im Sinne der Datensouveränität möglich sein, gegebenenfalls auch Einspruch dagegen zu erheben und (alternative) Services zu Nutzen. Bei einer erneuten Überprüfung des Kartellrechts, wie sie im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigt wurde, sollte auf eine niedrigere Aufgriffsschwelle bei Fusionen hingearbeitet und die Weiterentwicklung so ausgestaltet werden, dass sie dem besonderen Charakter der Plattformökonomie Rechnung trägt.

Einige Experten fordern eine eigene Regulierungsbehörde für das Internet, weil die klassischen Institutionen inhaltlich, rechtlich und personell nicht für die schnelle digitale Welt geschaffen seien. Wie sehen Sie das?
Das Internet kennt keine Grenzen, wir brauchen einen koordinierten Ansatz zwischen nationalen, europäischen und internationalen Behörden. Wir brauchen keine neue BNetzA, sondern sollten stattdessen die Kompetenzen bestehender Institutionen, insbesondere auf internationaler Ebene wie IGF, ISOC, IANA und ICANN stärken. Zudem brauchen wir mehr digitale Bildung, Austausch mit Experten und eine adäquate IT-Ausstattung in den existierenden Behörden und Institutionen.

In Deutschland waren in der letzten Legislatur mehrere Ministerien mit der Koordinierung der Digitalpolitik betraut – ein Ansatz, der die Digitalpolitik in den letzten vier Jahren kaum vorangebracht hat.  Als Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda werde ich mich dafür einsetzen, die Kompetenzen des Ausschusses zu stärken und mindestens geteilte Federführungen bei digitalpolitisch relevanten Gesetzesentwürfen zu übernehmen.

Soziale Netzwerke leben vom Austausch einer möglichst breiten Nutzerschaft. Wie könnten sich solche Angebote kartellrechtlich regulieren lassen, ohne ihren Sinn zu verlieren?
Daten sind oft die Grundlage für neue Geschäftsmodelle. Allerdings müssen wir hier ein Gleichgewicht finden, das es uns ermöglicht, Innovationen zu fördern und die Datensouveränität der Nutzer zu erhalten. Die Einhaltung hoher Datenschutzstandards und Wahrung der Privatsphäre müssen den Rahmen für Innovationen bilden.

Auch bei sozialen Netzwerken brauchen wir Wettbewerb: Der Nutzer soll entscheiden können, welche Angebote er nutzen möchte und die Möglichkeit haben, zu anderen Anbietern zu wechseln. Datenportabilität und ein Level Playing Field für alternative Anbieter sind hier wichtige Instrumente.

Die Internetriesen wachsen auch, weil sie Start-ups kaufen, bevor diese zu echten Konkurrenten heranwachsen – wie lässt sich das kartellrechtlich steuern?
Die Praxis, externes Knowhow  und Expertise in den eigenen Betrieb zu holen, hat lange Tradition und ist per se erst einmal nichts Schlechtes, geschweige denn verboten. Beispiele hierfür sind z.B. Übernahmen, Zusammenschlüsse oder Kooperationen. Allerdings muss sichergestellt werden, dass innovative Start-ups die Möglichkeit haben, ihren eigenen Weg zu gehen und erfolgreich zu werden – ein sogenannter Exit darf nicht die einzige wirtschaftlich attraktive Option für Gründer darstellen.

Start-ups brauchen faire Marktzugangsmöglichkeiten und ein Level Playing Field. Netzneutralität ist hierbei ein wichtiger Schutzmechanismus, gewährt sie doch die Gleichbehandlung von Daten im Netz und ermöglicht somit einen fairen Wettbewerb gerade für daten-basierte Innovationen.

Die fünf größten Konzerne sind Wachstumstreiber an der Börse, die sogenannten FAANG-Aktion haben Billionen-Werte. Welche Auswirkungen könnten regulatorische Maßnahmen auf die Finanzwelt haben?
Der wirtschaftliche Erfolg der in der FAANG-Aktion versammelten, global agierenden innovativen Unternehmen Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google zeigt erstmal, wie erfolgreich Innovationen als Wachstumstreiber fungieren können. Dieses Potenzial müssen wir auch für einheimische und europäische Unternehmen nutzbar machen, um so auch zum Erfolg des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der Europäischen Union beizutragen.






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