Experten registrieren in der Pandemie einen Digitalisierungsschub an den Hochschulen. Inwieweit sehen Sie die Einrichtungen nun auf die Zukunft vorbereitet?
Digitalisierung ist an den Universitäten nicht erst seit der Pandemie ein Thema. Das zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass alle Universitäten über institutionelle Digitalisierungsstrategien verfügen und die Verantwortung dafür auf Rektoratsebene verankert ist. Bereits vor der Pandemie gab es an den Universitäten technische Strukturen und Services. So wurden bereits im Jänner 2020, also zwei Monate vor dem ersten Lockdown, 35 strukturentwickelnde Projekte, die über eine Ausschreibung des Ministeriums gefördert werden, präsentiert. Tatsächlich hat das Thema aber durch Corona eine unheimliche Beschleunigung erfahren, da mit einem Schlag alle Beteiligten gefordert waren, sich mit digitalen Hilfsmitteln in der neuen Wirklichkeit zurechtzufinden. Befand man sich im Sommersemester 2020 noch im Ad hoc-Krisenmodus, so war für das folgende Wintersemester die technische Infrastruktur schon stark aufgerüstet, Support-Strukturen eingerichtet und Organisationswissen aufgebaut. Was nun beginnt, ist eine kritische Evaluierung der Prozesse, Infrastrukturen und Erfahrungen. Man könnte also sagen: Universitäten sind nicht nur auf eine Zukunft der Digitalisierung vorbereitet, sie sind schon mittendrin angekommen.
IT-Experten an den Hochschulen befürchten, dass Mittel für Digitalisierung nach der Pandemie nicht mehr im gleichen Umfang zur Verfügung stehen - wie lässt sich der Digitalisierungsschub verstetigen?
Universitäten erhalten ihre Mittel in Österreich über dreijährige Globalbudgets, die für die kommende Leistungsvereinbarungsperiode (2022 – 2024) gerade mit dem Ministerium verhandelt werden. Aus diesen Mitteln wird auch die Digitalisierung bestritten werden müssen, wobei klar ist, dass dies nicht auf Kosten anderer Infrastrukturen gehen darf. Wir hoffen auch auf eine Fortsetzung der Digitalisierungsausschreibung, um diese erfolgreichen Projekte weiterzuführen bzw. neue zu starten. Es wäre aber eine verkürzte Sichtweise, nur auf die IT-Kosten schauen. So ändert sich zum Beispiel das Berufsbild der Lehrenden wesentlich, es werden neue didaktische und digitale Kompetenzen erforderlich und dazu braucht es laufend Personalentwicklung, Schulungen und Support.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in Kooperationen von Einrichtungen bei der Digitalisierung?
Digitalisierung ist immer ein Querschnittsthema und daher ohne Kooperation eine Themenverfehlung. Die Universitätenkonferenz hat ein eigenes Forum Digitalisierung eingerichtet, um die Etablierung und Koordination interuniversitärer Kooperationsprojekte zu ermöglichen. Geteilte Entwicklungskosten und Kostenreduktion durch Skaleneffekte sind klassische Synergien solcher Kooperationen. Die Entwicklung von übergreifenden Communities und Experimentierfeldern für neue Methoden und Formate sowie Qualitätssteigerung kommen hinzu.
Ein sehr anschauliches Projekt ist zum Beispiel iMooX: Es ermöglicht allen Universitäten ihre Lehrinhalte sämtlicher Fachrichtungen einem großen (inter-)nationalen Publikum anzubieten. Zielgruppen sind dabei nicht ausschließlich Studierende, sondern alle Interessierten im Themenfeld – kurzum die Gesellschaft.
Eine neue Dimension der Zusammenarbeit in der Lehre eröffnet sich auch mit der Schaffung von Open Educational Resources (OER), die allen Lehrenden, Studierenden und Interessierten frei zur Verfügung stehen. Im konkreten Projekt entwickeln die beteiligten Universitäten Services für Lehrende zur Entwicklung von OER, eine nationale OER-Zertifizierungsstelle sowie den Ausbau der technischen Infrastruktur. Diese Projektergebnisse stehen dann für den gesamten österreichischen Hochschulraum zur Nutzung bereit.
Neben der Digitalisierung der Lehre lassen sich insbesondere in der Hochschulverwaltung Prozesse digital effizienter gestalten - welche Potenziale sehen Sie auf diesem Feld?
Verwaltungsprozesse können durch Digitalisierung effizienter gestaltet werden, aber sie sollen dabei auch benutzerfreundlicher werden. Denken wir an den analogen Kauf eines Bahntickets oder einer Theaterkarte: Dies ist zwar mit einem gewissen Wegaufwand verbunden, aber eigentlich ein sehr einfacher Vorgang. Auf digitalem Weg hingegen muss man sich – vielleicht schon mit chronischer Bildschirmmüdigkeit – durch ein Dickicht von Registrierungen, Passwörtern und Sicherheitscodes kämpfen, um einen Bestellvorgang erfolgreich abzuschließen. D.h. in Summe sollte man sich bei jeder digitalen Umstellung fragen, was daran für wen besser oder einfacher wird. Oft werden Dienstleistungen eingespart, aber durch höhere Komplexität der Prozesse ersetzt, die zu Lasten der Benutzer:innen gehen. Da ist bei Digitalisierung insgesamt sicher noch viel Luft nach oben. Wie es funktionieren kann, zeigen zwei Digitalisierungsprojekte an österreichischen Universitäten: „Mobile First“ (WU Wien) ist ein universales Tool am Smartphone, mit welchem sich sämtliche Tätigkeiten am Campus erledigen lassen sollen (z. B. Ausdrucken von Unterlagen, Aufsperren von Zugängen, Einholen von Informationen). Mit „AHESN Next“ (Universität Klagenfurt) soll eine Plattform für alle studienbezogenen, administrativen Abläufe rund um ein Studium geschaffen werden – von der Anerkennung einzelner Prüfungen bis zur Erstellung ganzer Curricula.