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Individuelle Aboschranken für Bezahlangebote

Wie Paid Content besser von den Nutzern angenommen wird

Daniel Tschentscher, Partner bei wdp Quelle: wdp Daniel Tschentscher Partner wdp GmbH 21.03.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Nach den Erfahrungen von Berater Daniel Tschentscher ist im Internet "nur ein kleiner Teil der Zielgruppe überhaupt zahlungsbereit". Wdp ist eine der führenden Strategie- und Umsetzungsberatungen für digitale Geschäftsmodelle und digitale Transformation.







Wie schätzten Sie die aktuelle Entwicklung für Paid-Content-Geschäftsmodelle in Deutschland ein?
Der Markt für Paid Content kann im Wesentlichen in drei Bereiche unterteilt werden: Audio-, Video- und Textinhalte. Im Bereich Textinhalte stellt die Studie „Paid Content in Deutschland 2018“ eine positive Entwicklung für Bezahlinhalte fest. Diese sehen wir auch. In Deutschland schaffen es Verlage zunehmend besser, eigene Paid-Content-Modelle zu etablieren.
 
Ein Vorreiter ist der Springer-Verlag, der innerhalb der letzten drei Jahre knapp 350.000 Abonnenten für sein Digitalangebot BILDplus gewinnen konnte und dabei teilweise Wachstumsraten von etwa 10% verzeichnete.
 
Nach meiner Einschätzung ist der wichtigste Erfolgsfaktor natürlich die Qualität der Inhalte. Dies gilt vor allem, da nur ein kleiner Teil der Zielgruppe überhaupt zahlungsbereit ist. Die spannende Frage ist, wie Verlage es schaffen, diese zahlungsbereiten Kunden zu erreichen. Ich sehe hier drei wesentliche Säulen:
 
1. Kontinuierliches Testen, Messen und Lernen
Redaktionen von Verlagen, die mit Paid Content erfolgreich sind, haben kein starres Redaktionsprogramm. Die redaktionelle Arbeit basiert auf Thesen, die nach dem Trial-und-Error-Prinzip verifiziert bzw. falsifiziert werden. So entsteht ein kontinuierlicher, nicht endender Lernprozess.
 
2. Hohe Transparenz
Die Performance einzelner Artikel, Themenfelder und Redakteure wird in den Redaktionen kontinuierlich überwacht. Es werden Tages- und Wochenziele definiert, deren Status für alle Redaktionsmitglieder jederzeit ersichtlich ist.
 
3. Technologie
Nach den über viele Jahre vorherrschenden „Metered Paywalls“, bei denen Leser ab einer bestimmten Anzahl von Gratis-Artikeln zum Abschluss eines Online-Abos aufgerufen wurden, setzen sich in jüngster Zeit zunehmend dynamische Paywalls durch. Diese basieren auf „lernenden Algorithmen“, die anhand von einer Vielzahl von Variablen (wie z.B. Geographie, gelesene Themengebiete, Devices und Interfaces) automatisch testen, zu welchem Zeitpunkt idealerweise eine Abo-Schranke aufgerufen wird. Durch den lernenden Algorithmus werden individualisierte Abo-Schranken etabliert, die auf einzelne Nutzer zugeschnitten werden und die Konversionsraten gegenüber herkömmlichen Zahlungsschranken deutlich erhöhen.
 
Betrachtet man die Kunden erfolgreicher Paid-Content-Modelle, wird schnell ersichtlich, dass Digital-Abonnenten deutlich jünger sind als Print-Abonnenten. Um diese Zielgruppe möglichst lange zu binden, haben erfolgreiche Paid-Content-Anbieter technisch komplexe Kundenbindungs-Programme entwickelt („Churn Prevention Management“). Hierzu gehört beispielsweise eine Analyse des Leseverhaltens der Nutzer, um Erkenntnisse über Vorlieben und mögliche Kündigungszeitpunkte zu gewinnen. Basierend darauf werden Nutzern individualisierte Inhalte ausgespielt, um die Zufriedenheit mit dem Abonnement zu erhöhen und eine Kündigung zu verhindern.
 
Die vier beliebtesten Paid-Content-Plattformen sind die amerikanischen Internetriesen Amazon, Netflix, Google und Apple. Warum haben es deutsche oder europäische Anbieter so schwer, in die Phalanx einzubrechen?
Auch im Bereich Textinhalte wird oft auf erfolgreiche amerikanische Paid Content Anbieter wie The New York Times und The Wall Street Journal verwiesen. So weit muss man aber gar nicht gucken. Ein europäischer Vorreiter in diesem Bereich ist Skandinavien. Hier erzielen einige Verlage wie Schibsted und amedia im Verkauf von Digital-Abos teils zweistellige Wachstumsraten. Digital-Abos machen mittlerweile ein Drittel ihrer verkauften Abonnements aus.

Trotz erster Erfolge mit Paid Content können Verlage in Deutschland von solchen Meilensteinen (noch) nur träumen. Dass Verlage es mit Bezahlinhalten hierzulande schwerer haben, liegt hauptsächlich an zwei Faktoren:
 
1. Die skandinavische Marktstruktur der Verlage ist oligopolistisch, es gibt also nur wenige Anbieter. In Deutschland buhlen deutlich mehr Verlage um die gleichen Leser, was die Konkurrenzsituation klar verschärft. Hinzu kommt, dass in Deutschland auch deutschsprachige Inhalte aus dem DACH-Raum mitkonkurrieren. In Ländern wie Dänemark oder Norwegen spielt ausländische Konkurrenz hingegen so gut wie keine Rolle, da die Sprachen außerhalb des eigenen Landes kaum gesprochen werden. Als letzten wichtige Punkt kann man hier auch noch nennen, dass Google in Skandinavien eine weniger starke Stellung als in Deutschland innehält.
 
2. In Skandinavien besteht zudem allgemein eine höhere Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte: Der Anteil an Spotify und Netflix Kunden ist hier je 100 Einwohnern deutlich höher als in Deutschland. Auch bei der Markenbindung gibt es klare Unterschiede. Leser in Skandinavien sind loyaler gegenüber ihren Verlagen. Sehen kann man dies am Anteil des Direct Traffic (also die Nutzer, die eine Nachrichtenseite direkt ansteuern und nicht über Links oder Suchmaschinen kommen). Dieser liegt in Skandinavien im Schnitt bei 70 - 85%. Sogar starke deutsche Marken erreichen nicht einmal ansatzweise solche Quoten.

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