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Im Moment streamt jeder um sein Leben

Warum die Online-Präsenz die Künstler aber kaum retten kann

Bernd Schweinar - Bayerischer Rockintendant, Geschäftsführer, Verband für Popkultur in Bayern e.V. (VPBy) Quelle: VPBy Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 28.04.2020

Der Geschäftsführer des Verbandes für Popkultur in Bayern beklagt, dass die Politik "z.B. Clubkonzerte leichtfertig und oberflächlich als ´verzichtbar´ deklariert." Das ist für ihn nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht falsch, sondern wird der gesellschaftlichen Rolle der Kultur nicht gerecht. Er sorgt sich um die Zukunft einer Branche.







Rock-Musiker, DJs, klassische Orchester, Schriftsteller – immer mehr Künstler setzen in der aktuelle Krisen-Situation auf das Streaming ihrer Events im Internet. Welche Vorteile bringen solche Angebote aus Ihrer Sicht für die Künstler und Häuser?
In der aktuellen Situation ist es am wichtigsten, sichtbar zu bleiben – über die Medien in und für Öffentlichkeit und Politik. Der Situation geschuldet, versuchen alle auf ihr Dilemma aufmerksam zu machen, was kommunikativ inflationär wirkt. Sofern es in den nächsten Wochen für Teilbereiche der Wirtschaft wieder Lockerungen oder Öffnung geben wird, muss man realistischerweise kommunizieren, dass das für Publikumsveranstaltungen sicherlich noch länger nicht möglich sein wird. Das aber ist existenziell! Darauf gilt es vermerkt das Augenmerk der Politik zu lenken, die z.B. Clubkonzerte leichtfertig und oberflächlich als "verzichtbar" deklariert. Das ist aber elementar falsch! Wirtschaftlich sowieso, aber auch aus gesellschaftlicher Sicht. Kultur stärkt die Menschen in der Quarantäne auch psychisch und ist damit systemrelevant, um diesen inzwischen strapazierten Terminus zu nutzen! Das müssen wir jetzt und auch für die Zeit nach Corona in der Politik in den zentralen Fokus rücken.

Derzeit setzen viele Streams auf die Finanzierung durch Spenden – inwieweit kann das einen Beitrag zur Finanzierung von Kultur leisten?
Für die Clubs und Künstler hält sich der monetäre Nutzen in überschaubaren Dimensionen. Leider zwar, aber auch erwartbar. Denn zum einen streamt natürlich jeder im Moment um sein Leben. Und zum anderen müssen wir uns gegenwärtig sein, dass viele Menschen durch Kurzarbeit oder gar Kündigung merklich weniger Geld zur Verfügung steht. Nur von diesen Stream-Aktionen können weder Clubs noch Künstler*innen leben oder gar überleben.
 
Mit welchen anderen Finanzierungsmodellen können Streams vielleicht auch dauerhaft einen Produktionskostenbeitrag zu kulturellen Angeboten leisten?
Machen wir uns nichts vor: nur von Konzerten konnte auch früher schon kaum ein Veranstalter seinen Club wirtschaftlich betreiben, elementar waren, sind und bleiben die Gastroumsätze, über deren Querfinanzierung seit jeher schon auch der Künstleraufbau in den Clubs beträchtlich mitfinanziert bzw. überhaupt erst ermöglicht wurde. Insofern scheinen die Streaming-Angebote im Moment ein kleines Lebenszeichen zu sein, dass es (insbesondere die elektronischen) Clubs und ihre DJs noch gibt. Aber eine wirtschaftlich fundierte Zukunft ist derzeit kaum bis gar nicht darin zu orten – vom Live-Feeling ganz zu schweigen.

Zuletzt eine Prognose: Welche Teile der derzeit entstehenden Streaming-Kultur können auch nach der Krise noch relevant sein?
Die Frage ist eher eine andere! Wie lange können die Clubs mit ihren nicht zu umgehenden Grundkosten noch überleben, um sich dann in der Konsequenz den Kommunikations-Gimmick Streaming – als letztes SOS-Fähnchen für Gesellschaft und Politik – noch zu leisten. Der Terminus "Streaming-Kultur" wird meiner subjektiven Meinung nach das Live-Feeling nicht ersetzen können – und ich würde auch sagen, nicht ersetzen wollen!

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