Mit dem neuen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag (GlüNeuRStV) sollen ein Einsatz-Limit von 1000 Euro pro Monat für Online-Spieler und eine Spieler-Sperrdatei kommen. Inwiefern schützen die Regeln aus ihrer Sicht vor Spielsucht?
Das auf 1000 Euro bemessene Einsatzlimit dürfte die einschneidende Maßnahme sein, mit der der neue Glücksspielstaatsvertrag das Online-Glücksspiel regulieren will. Dabei wird die - staatliche - Aufgabe, das Glücksspiel zu regulieren, auf die individuelle Ebene übertragen. Jeder Spieler/jede Spielerin hat nur ein streng limitiertes Budget zur Verfügung – ungeachtet individueller monetärer Dispositionen.
Diese pauschale, Anbieter und spielformübergreifende Einzahlungs-Begrenzung kollidiert nicht nur mit anderen Konsumgewohnheiten, wenn etwa für Immobilien, Reisen oder Kraftfahrzeugen hohe Summen – zum Teil über Kredite finanziert - aufgewandt werden. Es tangiert auch individuelle Persönlichkeitsrechte, Geld für Produkte auszugeben – unabhängig von quantitativen Wertungen durch Dritte, die die individuelle Situation nicht kennen. Das Limit schnürt den Handlungsraum sowohl für die ein, für die ein Limit eventuell wirksam ist, da sie abweichendes Spielverhalten zeigen. Es trifft aber auch pauschal Spieler und Spielerrinnen ohne deviantes Spielverhalten. Typologien weisen Spieler aus, für die das monatliche Online-Maximum einen relativ kleinen Teil des Budgets bedeutet. Sie agieren aber diszipliniert. Sie sind Fun Spieler, ohne problematisches Spielverhalten. Die Realität der stationären Spielbanken zeigt: Der durchschnittliche Spieler zeigt keine Auffälligkeiten und macht geringe Einsätze - unterhalb der 1000 Euro-Grenze. Ein anderer Teil zeigt ebenso wenig abweichendes Spielverhalten, gibt aber mehr Geld aus. Die Einsatzhöhe differenziert nicht zwischen gefährdeten und ungefährdeten Spielern. Sie ist kein Trenn-Kriterium. Es besteht die Gefahr, dass das Limit kontraproduktiv wirkt. High Roller, Spieler mit hohen Einsätzen, könnten auf – ausländische – Angebote ohne Limit ausweichen.
Datenschützer kritisieren, dass durch die Regeln „gläserne Spieler“ entstehen – was sagen Sie dazu?
Die Vorgabe des 1000 Euro-Limits im Online-Spiel könnte nicht nur Folgen haben für die Anbieter, sondern auch für die einzelnen Spieler. Das Limit setzt ein Verbot eines parallelen Logins bei verschiedenen Angeboten und erfordert zur Umsetzung zudem eine Überwachung und Weitergabe der Daten an eine zentrale Kontrollinstanz. Sie baut in Echtzeit eine Schnittstelle zum Spieler- bzw. dessen Budget auf, um persönliche Daten der Spieler zur Kontrolle abzurufen und Verstöße zu erkennen. Eine Trennung des Spielerkontos in Unterkonten je Spielform führt zudem dazu, dass der Spieler eine Ausweg aus der subjektiv empfunden Kontroll-Dichte sucht - und auf andere Angebote ausweicht.
Geplant ist eine zentrale Glücksspielbehörde der Länder. Wie bewerten Sie das?
Die Vergangenheit zeigt, dass die föderalistische Struktur des Glücksspiels nicht nur zu einer bundeseinheitlichen Rechtslage führte, die Konsument wie Anbieter gleichermaßen verunsicherte. Es führte auch zu einer nicht-kohärenten Rechtsprechung. Der Sonderweg Schleswig-Holsteins, Lizenzen für Online-Casinospiele auszuweisen, erodierte das Rechtsbewusstsein. Der DSbV hat darauf hingewiesen und einen weitgefassten Rahmen gefordert. Nur so sei Rechtssicherheit für Spieler und Spielbanken zu erreichen. Wenn eine zentrale Glücksspielbehörde pragmatisch, zeitgemäß digital und länderübergreifend agiert, ist eine Regulierung möglich, die für alle Spielformate verbindlich ist. Wir hoffen, dass diese Glücksspielbehörde als Anstalt des öffentlichen Rechts die aus der Verwaltungszuständigkeit der Länder rührenden Irritationen ausräumt. Wir begrüßen eine Anstalt, die auch den Spielbanken ein Fairplay im digitalen Wettbewerb ermöglicht. Wir stehen einer Anstalt positiv gegenüber, die die Spielbanken in die Lage versetzt, den ihr vom Staat übertragenen Auftrag, das Spiel zu kanalisieren und sichere Glücksspiel nachfragegerecht anzubieten, zu erfüllen.
Die Werberegeln für Glücksspiele sollen eingeschränkt werden – beispielsweise im Rundfunk auf die Nachtzeit. Was halten Sie von diesen Vorgaben?
Die Beschränkung der Werbung für Glücksspiele ist zunächst von grundsätzlicher, auch vom Bundesverfassungsgericht so bewerteter Position zu betrachten: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst auch kommerzielle Meinungsäußerungen. Danach ist die Werbung für ein nicht verbotenes Produkt, das kein Verdikt der rassistischen oder etwa jugendgefährdeten Äußerung trifft, erlaubt. In der Ausgestaltung greifen Werberichtlinien und Selbstverantwortlichkeiten. So unterliegen staatlich konzessionierte Spielbanken werblichen Auflagen, um suggestiv-manipulative Inhalte auszugrenzen oder etwa Kinder und Jugendliche herauszunehmen.
Abseits dieser Einschränkungen erfordert der öffentlich-rechtliche Auftrag der Spielbanken, für das legale Produkt „Glücksspiel“ zu werben. Dieses Ziel wird in der Wettbewerbssituation mit anderen, auch online-basierten Anbietern, größer. Der Grund: Die Spieler müssen das legale, von Spielbanken ausgelegte und durch Spielsuchtprävention und Spielerschutz flankierte Spiel auch als solches erkenne und von anderen unterscheiden. Werbung dient dazu, Alleinstellungsmerkmale der staatlichen Spielbanken als Werte kenntlich zu machen.
Der DSbV folgt hier der Auffassung der Wissenschaft, dass ein geöffneter Online-Glücksspielmarkt die Zahl der Wettbewerber vergrößern, die Konkurrenz zwischen den „neuen“ und „alten“ Anbieter verschärfen und sich die werbliche Ansprache der Konsumenten intensivieren dürfte. Glücksspielwerbung der Spielbanken dient dazu, ihr legales, reguliertes Angebot zu kommunizieren und die Nachfrage in den regulierten Markt zu führen. Eine Bewerbung dieser legalen Angebote ist über zielgruppennahe Medien zu realisieren. Dies geschieht unter der grundsätzlichen Prämisse, legale Angebote öffentlich und damit wettbewerbsfähig zu machen. Werbung und Kommunikation dienen also auch dem Spielerschutz, wenn sie verhindern, dass Spieler in schutzärmere, unsichere Spielwelten migrieren. Dies ist möglich, wenn sichere Spiele unbekannt sind oder deren soziale Akzeptanz und Wahrnehmung über Medien eingeschränkt ist.
Eine Beschränkung der Werbung etwa auf Radio-Formate in der Nachtzeit verkennt die veränderte Rezeption. Junge Nutzer nutzen immer seltener konventionelle Hörfunk- und TV-Programme. Sie präferieren Streaming-Inhalte oder agieren auf Plattformen der Sozialen Medien, die sich einer Sanktion oft verschließen.
Der neue Glücksspielstaatsvertrag soll Mitte 2021 in Kraft treten. Welche Regeln müssen aus Ihrer Sicht unbedingt noch aufgenommen oder entfernt werden?
Ein gemeinsamer Staatsvertragsentwurf für das künftige Glücksspiel in Deutschland ist zunächst zu begrüßen, um die „Wildwest“-Lage zu beenden. Künftig wird sich Gesetzgeber jedoch stärker danach ausrichten müssen, dass die durch die Öffnung forcierte Marktdynamik das Ziel der Regulierung überformen könnte und bestehende Spielstrukturen und -kulturen gefährdet: Verschärft sich die Konkurrenz, könnten Spielbanken, die ein komplexes System zum Spielerschutz vorhalten, geschwächt werden. Attraktive und den Bedürfnissen der Spieler entsprechende Angebote sind für eine effiziente Kanalisierung zukünftig entscheidend. Spielbanken müssen zusätzlich zum stationären Eigenvertrieb auf dem Markt agieren, damit die digitale Transformation nicht vor dem Roulette-Tisch endet. Zur konventionellen sicheren „Distributionsplattform Spielbank“ kommt dann ergänzend eine Online-Plattform hinzu, auf der neben digitalem Glücksspiel auch die Prävention von Spielsucht und der Schutz von Minderjährigen ein zentrales und wichtiges Element sind.
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