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Hierarchisch aufgebaute Infrastruktur ist kontraproduktiv

Wie der gesetzliche Rahmen an die neue Realität angepasst werden muss

Prof. Dr. Alexander Bade,  Professur "Energiewirtschaft und Management" an der Hochschule Albstadt- Sigmaringen Quelle: HAS Prof. Dr. Alexander Bade Professur Energiewirtschaft und Management Hochschule Albstadt-Sigmaringen 04.08.2022
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Die größten Herausforderungen in Sachen Stromversorgung und Energiewende liegen nach der Meinung von Prof. Dr. Alexander Bade,  Inhaber der Professur "Energiewirtschaft und Management" an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, "in der Anpassung der Infrastruktur und insbesondere in der organisatorischen Umsetzung der notwendigen Prozesse". Was das genau heißt, erläutert er detailliert.







In welchen Bereichen liegen die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der Stromherstellung und -verteilung?
Die größten Herausforderungen liegen in meinen Augen in der Anpassung der Infrastruktur und insbesondere in der organisatorischen Umsetzung der notwendigen Prozesse. Die deutsche Infrastruktur ist im Strombereich aus historischen Gründen hierarchisch aufgebaut: Die Stromerzeugung erfolgt auf höchster Spannungsebene durch relativ wenige zentrale Großkraftwerke. Von dort aus wird der Strom überregional verteilt und dann in die niedrigeren Spannungsebenen des Netzes zu den Verbrauchern abgegeben. Wind- und vor allem PV-Anlagen sind aber auf niedrigen Spannungsebenen angeschlossen, so dass Strom immer häufiger auch „von unten nach oben“ fließen muss. Dies erfordert ein vollständiges Umdenken nicht nur in Bezug auf die technische Infrastruktur, sondern auch auf die Rollen von Transport- und Verteilnetzbetreibern und deren Abstimmung untereinander.

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Als Problem gilt die zeitliche Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen: Wie muss ein System gestaltet sein, dass deutschlandweit (europaweit) für stabile Netze sorgt?
Das momentane System ist hierfür grundsätzlich gut geeignet, da an den Großhandelsmärkten Strom in stündlicher und zunehmend auch in viertelstündlicher zeitlicher Auflösung gehandelt wird. Das Produkt Strom hat also zu jedem Zeitpunkt einen unterschiedlichen Wert. In Stunden, in denen Strom knapp wird, steigt also der Preis an der Börse. Somit entsteht ein Anreiz, in solchen Situationen Strombezug einzusparen oder Technologien – wie z. B. Speicher – an den Markt zu bringen, die von solchen Situationen profitieren. Je mehr sich derartige Situationen häufen, um so stärker wird entsprechend der finanzielle Anreiz, hierauf zu reagieren. Bereits jetzt gibt es Anbieter, die beispielsweise PV-Batteriespeicher in Haushalten digital vernetzen und deren Flexibilität vermarkten. Mit dem vermehrten Einbau intelligenter Messsysteme (sogenannte Smart Meter) werden auch Privathaushalte technisch in die Lage versetzt, Flexibilitäten bereitzustellen. Diese können auch regional eingesetzt werden, um lokale Netzengpässe zu vermeiden. Auch hier gibt es bereits erste Umsetzungsbeispiele.

Sind diesbezügliche Modernisierungsinvestitionen – unter Beachtung der Sicherheit der Netze vor unbefugten Eingriffen Dritter –, kurz- bzw. mittelfristig machbar?
Die Betreiber bzw. Vermarkter dezentraler Erzeugungsanlagen sind bereits in großem Umfang digitalisiert, da sie in direktem Wettbewerb zueinander stehen. Auch bei den Stromnetzen gibt es bereits Fortschritte. Allerdings sind Investitionen in Netzinfrastruktur kostenintensiv und müssen langfristig geplant werden. Die Netzbetreiber müssen immer abwägen, ob neue Infrastruktur gebaut oder die vorhandene effizienter genutzt werden soll. Die Tatsache, dass hierfür Prognosen über die Stromflüsse der nächsten Jahrzehnte erstellt werden müssen, machen die entsprechenden Entscheidungen komplex. Allerdings investieren Verteilnetzbetreiber bereits jetzt in großem Umfang beispielsweise in automatisierte Betriebsführung oder Prozesse zur bidirektionalen Abstimmung der Netzbetreiber untereinander. Die Sicherheit und Stabilität des Netzes stehen dabei stets an oberster Stelle.

Wie können Staat und Verwaltung die Branche unterstützen?
In erster Linie ist es notwendig, dass gesetzliche Rahmenbedingungen und Verordnungen der neuen Realität angepasst werden, so dass Preisanreize des Marktes auch wirken können. Als Beispiel kann hier das System der Netzentgelte genannt werden. Diese werden aktuell in Abhängigkeit der aus dem Netz bezogenen Strommenge berechnet – unabhängig davon, ob der Strombezug in einem bestimmten Moment netzdienlich ist oder nicht. Wenn z. B. gerade aufgrund einer hohen Einspeisung aus erneuerbaren Energien ein Stromüberschuss vorhanden ist und ein Verbraucher seinen Strombezug in diesen Zeitraum verschiebt, hat er in Bezug auf die Netzentgelte dadurch keinen Vorteil. Das Preissignal des Marktes wird also verwässert. Zum Teil wird dem bereits Rechnung getragen. Beispielsweise sind Stromspeicher gemäß § 118 Abs. 6 EnWG bereits von Netzentgelten befreit. Allerdings machen Umlagen, Abgaben und Entgelte für Haushalskunden nach wie vor einen Großteil des Strompreises aus, so dass Preissignale hier nur eingeschränkt greifen können. Dies ist nur ein Beispiel, wo der Gesetzgeber durch das Setzen geeigneter Rahmenbedingungen die Einführung systemdienlicher Innovationen unterstützen könnte.

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