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Hände weg von UKW!

Zu welchen Bedingungen die Privaten einen endgültigen Umstieg mitgehen würden

Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichsvorstandes Radio und Audiodienste im VPRT Quelle: VPRT Klaus Schunk Geschäftsführer Radio Regenbogen 02.03.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Auch wenn wir gelernt haben, dass es der politische Wille ist, das terrestrische digitale Radio durchzusetzen, ist es sinnvoll, dabei auch die tatsächlichen Hörergewohnheiten im Blick zu behalten", sagt VPRT- Experte Klaus Schunk. Er kann sich aber sogar einen Umstieg vorstellen - unter ganz klaren Bedingungen.







CDU, CSU und SPD haben sich im neuen Koalitionsvertrag darauf verständigt, das digital-terrestrische Radio weiterzuentwickeln. Wie bewerten Sie diese Maßgabe?
Uns und den Radiokollegen von der APR war es ein Anliegen, dass es in dem Koalitionsvertrag keine Vereinbarung zu einem konkreten Abschaltdatum gibt. Dieses Ziel ist erreicht. Eine UKW-Abschaltung durch die Hintertür des Koalitionsvertrags hätte bedeutet, die Existenzgrundlage der Privatradios in Deutschland in Frage zu stellen. Wir haben hierzu im letzten Jahr ausführlich mit allen Beteiligten diskutiert. Wir dachten eigentlich, dass es für die dramatischen Folgen einer solchen Entscheidung ein breites Verständnis in der Medienpolitik der Länder gibt. Umso unverständlicher war uns der der Versuch von interessierter Seite, die Radiodigitalisierung in dieser Form im Koalitionsvertrag festzuschreiben. Ein Abschaltdatum darf es bis zum Absinken der tatsächlichen analogen Nutzung auf unter 10 Prozent nicht geben. Die Erfahrungen in Norwegen lehren uns, dass der Umstieg bei einer höheren UKW-Nutzung zu solch‘ gravierenden Migrationsverlusten führt, die ein Geschäftsmodell der Privaten nicht mehr funktionieren ließen. Die Migrationsverluste in Norwegen betrugen bei einzelnen Veranstaltern mitunter ein Drittel der Hörerschaft.

Die Hersteller sollen zudem im Rahmen einer sogenannten Interoperabilitätsverpflichtung künftig nur noch digital-hybride Endgeräte verkaufen dürfen. Eine richtige Maßnahme?
Wie bereits gesagt: Die Frage der Geräte im Markt ist für das Geschäftsmodell der Privaten nicht entscheidend, entscheiden ist die tatsächliche Nutzung durch die Hörer. Die Verbraucher entscheiden, was sie auf welchem Verbreitungsweg sehen oder hören! Politische Verordnungen taugen hierzu wenig. Auch wenn wir gelernt haben, dass es der politische Wille ist, das terrestrische digitale Radio durchzusetzen, ist es sinnvoll, dabei auch die tatsächlichen Hörergewohnheiten im Blick zu behalten. Der noch nicht verabschiedete Koalitionsvertrag enthält auch Aussagen zu einer Interoperabilitätsnorm. Wir könnten eine solche Regelung unterstützen, wenn sie technologieneutral formuliert ist und nicht bewusst die IP-Verbreitung oder mobile Endgeräte wie das Smartphone ausgeklammert. Das verkennt komplett die heutigen Mediennutzungsgewohnheiten. Auch Smartphones sind Radios. Mit dieser Forderung sind wir übrigens nicht allein. Die amerikanischen Broadcaster fordern dies bereits seit einiger Zeit vehement: Niemand will auf diesen Geräten von Playern wie Apple Music, Google Music etc. ausgeschlossen werden, nur damit deren eigenen Produkte gepusht werden. Wenn man es mit der Digitalisierung tatsächlich ernst meint, dann müssen konsequent alle Player berücksichtigt werden. Alles andere ist beliebiges Flickwerk und macht bei dem Thema einer flächendeckenden Digitalisierung keinen Sinn. 

Steht das analog-terrestrische UKW damit vor dem Aus und wie kann der Verbraucher darauf vorbereitet werden, dass bald über 300 Millionen UKW-Empfänger im deutschen Markt Elektroschrott sind?
Wir erwarten das nicht, aber sind in diesem Thema auch nicht dogmatisch: Wenn die UKW-Nutzung bei 10 Prozent im Markt liegt, gehen wir eine Migration mit. Maßgeblich für die Messung der Nutzung muss dabei der Anteil der UKW-Verbreitung an der durchschnittlichen Stunden-Netto-Reichweite (Werbefunk Gesamt, 14-59 Jahre, Mo-Fr, 6-18 Uhr) sein, da das unsere Werbewährung und Finanzierungsgrundlage ist. Sollte diese Voraussetzung erfüllt sein und die Finanzierung des Umstiegs der Privaten - so wie es bei der ARD mit schätzungsweise 600 Mio. Euro bis 2025 auch der Fall ist – gesichert sein, würde in unserem Verständnis eine dreijährige Übergangsphase beginnen, in der dann die UKW-Verbreitung eingestellt würde.

Plädieren Sie für einen zeitlich klar definierten UKW-Ausstieg zugunsten von DAB+?
Nein. Vergangene gesetzliche Abschaltzeitpunkte mussten immer verschoben werden. Wie ausgeführt ist auch nur die Diskussion über ein konkretes Ab- oder Umschaltdatum für uns inakzeptabel. Eine Migration kann allenfalls von der tatsächlichen Hörernutzung abhängig gemacht werden, und die lässt sich kalendarisch nicht definieren. Bis dahin muss gelten: Hände weg von UKW!

Wie stehen Sie zu den Überlegungen, die Finanzierung künftiger 5G-Mobilfunknetze auch über den Verkauf der UKW-Netze abzuwickeln?
Der Ausbau breitbandiger digitaler Netze ist sinnvoll und ermöglicht die Teilhabe der Bevölkerung an der digitalen Welt. Er ist zusätzlich eine wichtige Voraussetzung der Geschäftsmodelle privater Medienangebote im Internet. Eine Verknüpfung der Finanzierung von 5G-Netzen mit dem Verkauf der UKW-Netze sehen wir nicht. Die Frequenzen sind noch eine ganze Weile für den Rundfunk gesichert. Solange möchte niemand auf den flächendeckenden Breitbandausbau warten.

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