Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Das private Radio bereichert die Radiolandschaft mit einer Vielzahl an wertvollen Programmen. Nur in Ergänzung durch den privaten Hörfunk können wir eine vielfältige Landschaft auch beim Radio erhalten. Privatradio dient der individuellen freiheitlichen Meinungsbildung und stellt insofern eine Notwendigkeit in und für unser duales System dar, welches grundgesetzlich gesichert ist. Dieser „Schutz“ für das Privatradio ist natürlich nicht grenzenlos. Politik und Gesellschaft haben aber die Aufgabe, gute Grundbedingungen für eine wirtschaftliche Betätigung von privaten Radios zu gestalten.
Wie lässt es sich gesellschaftspolitisch erklären, dass Radio für den Eintritt in die digitale Welt einen Rettungsschirm verlangt, während andere Branchen den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgeliefert sind?
Ein besonderes Schutzbedürfnis ist der Aufgabe des Rundfunks zuzuschreiben: Die Gesellschaft hat einen grundgesetzlich gesicherten Anspruch auf eine unabhängige und eben auch vielfältige Rundfunklandschaft. Das umfasst neben dem Fernsehen auch den Hörfunk. Das duale Rundfunksystem beschreibt ein Nebeneinander von öffentlich gefördertem und privat finanziertem Rundfunk. Nur wenn auch der private Rundfunk eine gewisse Vielfältigkeit aufweist, ist gesichert, dass die Gesellschaft eine umfassende Meinungsbildung erfahren kann. Das bedeutet nicht, dass alle anderen Branchen, die auch wichtige Aufgaben erfüllen, völlig schutzlos gelassen werden sollen. Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung. Hier muss die Politik darauf achten, dass angemessene Rahmenbedingungen für alle Bereiche geschaffen werden.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Gerade in Zeiten von Konvergenz und Digitalisierung halte ich einen starken, inhaltlich umfassenden und auf drei Säulen (Radio, Fernsehen, Internet) aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in unserem Land für unverzichtbar, damit er alle Menschen erreichen und seine gesetzlich zugewiesene Aufgabe erfüllen kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Bestands- und Entwicklungsgarantie des ÖR RF in diesem Sinne betont. Dennoch ist klar, dass die Geschäftsgrundlage für private Medien - hier die privaten Radios - nicht gefährdet werden dürfen. Private Radios müssen sich auch weiterhin auf dem Markt finanzieren können und dürfen durch die öffentlich finanzierten Medien nicht verdrängt werden.
Der wesentliche Aspekt zur Stärkung des privaten Radios sind Werbebeschränkungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser muss sich in der Werbeintensität von privaten Angeboten massiv unterscheiden. Dies unterstreicht auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Für den Hörfunk fordern wir daher Werbebeschränkungen nach dem „NDR-Werbemodell“. Danach dürfen in einem Radioprogramm werktäglich maximal 60 Minuten Werbung gesendet werden. Bereits eine Studie vom mabb aus dem Jahr 2013 hat die Auswirkungen einer solchen Regelung untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass dies sogar „erhebliche Bedeutung für die ökonomische Nachhaltigkeit des dualen Hörfunksystems in Deutschland“ haben könnte.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
Auch wir sind keine Befürworter eines schnellen UKW-Abschaltdatums. Vielmehr bedarf es eines sanften Übergangs im Interesse der Radiosender und der Hörerinnen und Hörer. Der Empfang darf nicht abrupt geändert werden. Alles andere würde einerseits die wirtschaftliche Finanzierungsgrundlage, die derzeit weit überwiegend noch über UKW stattfindet, abgraben und auch die Empfangbarkeit torpedieren. Derzeit ist DAB+ noch nicht weit genug bei den Empfangsgeräten von Hörerinnen und Hörern verbreitet, zumal auch die Sendernetze für DAB+ noch nicht vollständig ausgebaut sind, und es vor allem noch in ländlichen Gebieten Versorgungslücken gibt. Klar ist aber auch: Das Radio wird zukünftig nicht alleine auf der analogen Insel stehenbleiben. Hier soll und wird es eine Umstellung geben, die aber schrittweise vollzogen werden sollte.
Während die Einführung von Digitalradio läuft, werden in Deutschland immer noch UKW-Frequenzen vergeben oder verlängert. Halten Sie das für zielführend, wenn es um die Zukunft des Radios geht?
Wir brauchen eine klare Strategie, die zu einer möglichst breiten Umstellung führt. Die fehlt aber bislang. Sicherlich sollten auf Dauer die Frequenzen nicht querbeet verteilt werden. Es ist aber auch sinnvoll, die Interessen mancher Radios hinsichtlich des UKW-Bandes weiterhin zu berücksichtigen. So könnte UKW etwa für lokale, private und nicht-kommerzielle Radioinitiativen auch in Zukunft noch eine Rolle spielen. Die meisten DAB+-Empfangsgeräte ermöglichen noch den Empfang von UKW-Radios. Das sollte man nicht unterbinden, wenn es hierfür begründete Interessen gibt.