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Für einen fairen digitalen Wahlkampf

Welche Regeln die Heinrich-Böll-Stiftung befürwortet

Vérane Meyer - Referentin Digitale Ordnungspolitik der Heinrich-Böll-Stiftung Quelle: Martin Klemmer Vérane Meyer Referentin Digitale Ordnungspolitik Heinrich-Böll-Stiftung 24.01.2022
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Digitale Kommunikationsplattformen werden immer wichtiger für die politische
Meinungsbildung, die Reichweite von Plattformen als Nachrichtenquelle steigt immer weiter an", weiß Es antwortete Vérane Meyer von der Heinrich-Böll-Stiftung. Deswegen begrüßt sie der Vorstoß der EU für entsprechende Regeln. Bei den Details hat sie klare Vorstellungen.







Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für Vorschriften für politische Werbung, Wahlrecht und Parteienfinanzierung vorgelegt. Wie dringend ist der Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht in diesem Bereich?
Dringend. Schon lange diskutiert die Politik, wie politische Werbung zu regulieren sei. Systematisch erfasst wird politische Onlinewerbung bisher nicht. Digitale Kommunikationsplattformen werden immer wichtiger für die politische Meinungsbildung, die Reichweite von Plattformen als Nachrichtenquelle steigt immer weiter an. Die Bundestagswahl fand im vergangenen Jahr zudem aufgrund der Pandemie vor allem digital statt. Parteien greifen dabei auf zielgerichtete Werbung (sog. Micotargeting) auf Plattformen zurück, kommunizieren vermehrt via Messengerdienste oder beauftragen Influencer*innen. Das Problem dabei ist: Politische Wahlwerbung ist im digitalen Raum – im Gegensatz zu „traditioneller“ Wahlwerbung im Fernsehen oder auf Plakaten – bisher kaum reguliert. Es fehlt vor allem an Transparenz: Warum wird mir ausgerechnet die Wahlwerbung von Partei xy zugespielt, anderen aber nicht? Wer gibt wie viel Geld für Online-Anzeigen aus? Werden mir Werbeanzeigen ausgespielt, die mich dazu verleiten, eine bestimmte Hautcreme zu kaufen, mag das nicht immer sinnvoll für meinen Geldbeutel sein. Werden mir politische Versprechen anhand höchstpersönlicher Merkmale ausgespielt, stellt dies eine Gefahr für den demokratischen Prozess dar – denn dieser hängt vom Wettstreit der Argumente vor den Augen aller ab.

Ist dieser Prozess gänzlich undurchsichtig, profitieren nicht nur diejenigen, die viel Geld für Werbeanzeigen ausgeben können. Undurchsichtige Werbekampagnen verzerren die öffentliche Debatte und begünstigen die Verbreitung von Desinformation, die häufig auf negativen Emotionen aufbaut und nicht an die Wahrheit gebunden ist. Negative und populistisch vereinfachte Inhalte polarisieren und erzielen ein höheres User Engagement.

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Der Vorschlag sieht einen ausdrücklichen Transparenzvermerk für politische Werbung vor. Wie finden Sie die vorgeschlagenen Regeln dafür?
Der Vorschlag sieht vor, dass politische Werbung als solche gekennzeichnet wird – dabei muss zudem ersichtlich sein, wer die Anzeige in Auftrag gegeben hat, wie viel dafür gezahlt wurde, wie die Anzeige finanziert wird und was die Verbindung zwischen der Anzeige und der Wahl ist. Das sind wichtige Schritte in die richtige Richtung, denn die Selbstauskünfte der Plattformen waren bisher wenig hilfreich. Im Bundestagswahlkampf haben die politischen Parteien Millionen für Wahlwerbung auf Facebook und Instagram ausgegeben. Das ZDF-Magazin Royale hat mit der Recherche „TargetLeaks“ herausgefunden, dass nur ca. die Hälfte der geschalteten Anzeigen auch im Facebook-Werbearchiv zu finden sind. Der Kommissionsvorschlag sieht nun vor, dass jede politische Werbung erfasst wird.

Es soll Auflagen für Targeting und Amplifikation geben. Wie bewerten Sie das?
Es ist erfreulich, dass der Gesetzesvorschlag Auflagen für das Targeting und die Amplifikation von politischer Werbung enthält. Dadurch wird es bald Hürden für die Nutzung hochsensibler personenbezogener Daten wie über Religion, ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung geben. Am Ende kommt es aber darauf an, ob die Auflagen durchsetzbar sind und bestimmte verhaltens- und personenbezogene Daten wirklich nicht mehr für das Microtargeting verwendet werden dürfen. Der Kommissionsvorschlag regelt bisher nur, dass sensible personenbezogene Daten nur noch nach Zustimmung durch die Nutzer*innen verwendet werden dürfen. Um ein echtes Verbot handelt es sich hier also nicht. Hoffnung machen aber die Transparenzvorschriften, die bei der Nutzung von personenbezogenen Daten für politische Werbung vorgesehen sind. So können Nutzer*innen in Zukunft besser nachvollziehen, auf Grundlage welcher persönlicher Daten ihnen Werbung ausgespielt wird und welche Rechte sie über ihre Daten wahrnehmen können.

Was sollte noch in den endgültigen Vorschriften stehen - und was keinesfalls?
Bisher lässt sich noch nicht gut genug nachvollziehen, wie viele Anzeigen von welchen Parteien wo geschalten werden. Informationen dazu geben die Plattformen selbst raus. Für eine demokratische politische Meinungsbildung braucht es hier Transparenz. Ein öffentliches und plattformübergreifendes Werbearchiv, das Auskunft über politische Werbeanzeigen gibt, könnte dazu beitragen, Online-Werbekampagnen und ihren Einfluss besser zu verstehen. Wichtig ist auch, dass die Definition politischer Werbung nicht allein für die großen Plattformen gelten. Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass auch Influencer*innen eine immer größere Rolle bei der politischen Meinungsbildung einnehmen und gezielt Werbung für bestimmte Parteien oder Personen betreiben.

Bis die endgültigen Vorschriften in Kraft sind, können auch die politischen Parteien mehr Verantwortung übernehmen, indem sie sich gemeinsam auf einen parteiübergreifenden Kodex für einen fairen digitalen Wahlkampf einigen. Im Sommer 2021 hat ein Bündnis aus 21 zivilgesellschaftlichen Organisationen Vorschläge für einen fairen digitalen Wahlkampf gemacht, wie Wähler*innen vor Manipulation, Diskriminierung und Eingriffen in die Privatsphäre geschützt werden können.

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