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Es würde keine veritablen Verlage mehr geben

Was ein Verleger vom Plan S befürchtet

Manfred Meiner, Geschäftsführer Felix Meiner Verlag GmbH Quelle: Felix Meiner Verlag GmbH Manfred Meiner Geschäftsführer Felix Meiner Verlag GmbH 22.10.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Deutschland debattiert über Open Access. Aus Sicht von Manfred Meiner, Geschäftsführer Felix Meiner Verlag GmbH "kann der „Plan S“ nur als ein Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung – und die der anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union - angesehen werden". Den Verfassern empfiehlt er, z.B. nach Ungarn oder Venezuela auszuwandern.







Mit dem Plan S wollen verschiedene europäische Forschungsförderer den Open-Access-Ansatz für die Veröffentlichung öffentlich geförderte Forschungsergebnisse forcieren – wie bewerten Sie den Vorstoß?
Nicht nur aus der Sicht eines geisteswissenschaftlichen Verlegers, vielmehr unter dem Aspekt, der sich aus dem Art. 5 der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland für das Deutsche Volk ergibt, dass nämlich Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei bleiben müssen, kann der „Plan S“ nur als ein Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung – und die der anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union - angesehen werden und ist daher auf das Schärfste zurückzuweisen. Die Idee, die hinter diesem Vorstoß steht, bewerte ich als totalitäre Träumerei, die frei von profunder Sachkenntnis Heilsversprechen generiert und an die Begeisterung erinnert, mit der einst die Entwicklung der Atomkraft begrüßt wurde. Sollte der Plan S in die Tat umgesetzt werden, dürfte seine Zerstörungskraft für die Wissenschaft ein ähnliches Ausmaß annehmen.

Der Plan S fordert unter anderem, die Publikationsgebühren zu deckeln. In welcher Form und Höhe sollte das aus Ihrer Sicht erfolgen?
Allein dieses Detail belegt den Versuch, mit dem „Plan S“ einen sehr großen Teil wissenschaftlicher Publikationen unter die Knute der Finanzstrategen staatlicher Institutionen zu zwingen. Mich erinnert das an die Aufgaben des „Kulturellen Beirates“ der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch einmal zu den Voraussetzungen, die Publikationsgebühren überhaupt erst ins Spiel bringen: Völlig ungeklärt ist ja, was „öffentlich geförderte Forschungsergebnisse“ eigentlich sein sollen. Könnten darunter letzten Endes nicht z.B. auch Dissertationen fallen, die zu einem wesentlichen Teil in der öffentlich geförderten Universitätsbibliothek verfasst wurden? Was ist mit Editionen, deren Herausgeber die Finanzierung der Arbeit mit Geldern von privaten Stiftungen, öffentlichen Förderinstitutionen, aber auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Hochschullehrer leisten? Ein weiteres Bürokratiemonster würde geboren zum Nachweis der Anteile privater sowie öffentlicher Förderung.

Ferner: Was ist mit den Investitionen der Verlage, deren Existenz, insbesondere für die Veröffentlichung geisteswissenschaftlicher Werke, von zentraler Bedeutung ist?

Zwei Beispiele: Seit 1968 erscheint im Felix Meiner Verlag die historisch-kritische Ausgabe der Werke von Hegel, deren Abschluss wir in wenigen Jahren erwarten dürfen. Es besteht kein Zweifel, dass ohne Zutun des Verlages dieses Großprojekt längst zur Ruine verkommen wäre.

In diesem Jahr besteht die „Philosophische Bibliothek“ des Verlages seit 150 Jahren. Heute sind rd. 500 Textausgaben aus rd. 2.400 Jahren Philosophiegeschichte lieferbar. Unter den Bedingungen des „Plan S“ würde nicht ein einziger dieser Texte mehr für Lehre und Forschung zur Verfügung gestellt werden. Auch künftig wird es für die Kultur der Geisteswissenschaften von existentieller Bedeutung sein, auch abseits der Experimente der sich als Avantgarde gerierenden Ideologen, bewährte Medien wie das gedruckte Buch für ihre Tätigkeit zur Verfügung zu haben und nutzen zu können.

Der Plan lehnt auch sogenannte Hybrid-Modelle ab, bei denen kostenpflichtige Publikationen einzelne Arbeiten freigeben – was bedeutet das für den Markt der Wissenschafts-Publikationen?
Die Frage setzt voraus, dass der Plan S Wirklichkeit werden wird, was ich aktuell für nicht sehr wahrscheinlich halte. Im Übrigen belegt auch diese Regelung die irrwitzige Idee einer staatlichen Allmacht über Wirtschaft und Wissenschaft. Ich empfehle den Verfassern, z.B. nach Ungarn oder Venezuela auszuwandern.

Kritiker wenden ein, dass Verlage im Falle einer Open-Access-Pflicht die Qualitätsprüfungen nicht mehr in gleichem Umfang ausführen könnten – wie sehen Sie das?
Unter den Bedingungen des Plans S würde es keine veritablen Verlage mehr geben, und leider ist es ja auch heute schon so, dass die internationalen Großkonzerne der Publikationsindustrie mit dem eigentlichen Wesen wissenschaftlicher Verlage nicht mehr viel gemein haben, sondern sich als effiziente Dienstleister verstehen, die – auf welchem Weg immer – die Kommunikation zwischen „Researchern“ weltweit organisieren. Dabei spielt zum Erhalt der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens die Qualität der angebotenen Dienstleistungen und Waren eine zentrale Rolle. Mit anderen Worten: wenn die Rechnung nicht aufgeht, kann die Leistung nicht mehr erbracht werden. Dann werden aus multinational operierenden Verlagen vielleicht Telekommunikationsunternehmen, wie einst der Röhrenhersteller Mannesmann.

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