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Es braucht den Abschied von traditionellen kontroll-orientierten Führungsbildern

Wie Home Office funktionieren kann - und was Arbeitnehmer und Arbeitgeber dafür tun müssen

Cornelia Daheim - Future Impacts, Zukunftsforscherin und Autorin der Studie „Arbeit 2050“ Quelle: Arnd Drifte Cornelia Daheim Zukunftsforscherin Future Impacts 15.05.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Zukunftsforscherin Cornelia Daheim sieht im Trend zu mehr Flexibilität bei den Arbeitsmodellen einen "notwendigen und längst überfälligen Wandel der Arbeitskultur in Zeiten zunehmend digitalisierter und flexibilisierter Arbeit". Die Paradigmen des Industriezeitalters haben nach ihren Erkenntnissen längst geändert.







Die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Arbeit im Home Office erlauben, ist stark angestiegen. Worin liegen die Vorteile der Heimarbeit für Unternehmen und Beschäftigte?
Die Vorteile sind klar: Sie erlauben eine höhere Flexibilität, und das sollte und darf nicht nur im Sinne der Arbeitgeber, sondern muss insbesondere im Sinne der Arbeitnehmer gedacht und geregelt sein. Letztendlich ermöglicht die Digitalisierung für die Arbeit, die traditionell in Büros stattfindet, dass sie zumindest theoretisch zu großen Teilen auch an anderen Orten, ob nun im Home Office oder woanders, erledigt werden kann. Damit wird es einfacher, Arbeit an private Bedürfnisse anzupassen – d.h. zum Beispiel die Arbeit zu unterbrechen, um Kinder früher aus der Kita abzuholen, einen älteren Elternteil bei einem Arztbesuch zu begleiten oder Handwerker in die Wohnung zu lassen. Wenn man dann einen Teil der Arbeit zuhause zu einer passenden Zeit erledigen kann, ist das für viele eine große Entlastung und Befreiung gegenüber dem fixen „9 to 5“. Ebenso schätzen viele den Wegfall des Arbeitswegs, wenn ganze Tage im Home Office oder anderen Orten möglich sind. Und den Arbeitgebern kommt es zu Gute, wenn Mitarbeiter zufrieden und damit motivierter sind. Gesamtgesellschaftlich gedacht ist es ebenso sinnvoll, wenn wir das Pendeln zur Arbeit aus Umweltgründen möglichst weitgehend einschränken.

Untersuchungen zeigen, dass im Home Office mehr Überstunden geleistet werden. Wie sollten die Mitarbeiter vor sich selbst und den Erwartungen ihrer Vorgesetzten geschützt werden?
Hier geht es um den notwendigen und längst überfälligen Wandel der Arbeitskultur in Zeiten zunehmend digitalisierter und flexibilisierter Arbeit. Wir denken Arbeit oft noch in den Paradigmen des Industriezeitalters, wo Arbeit an festen Orten und mit klarem Beginn und Ende stattfand. Das hat sich aber – zumindest für alle so genannten „Wissensarbeiter“ - längst geändert. Faktisch ist es schon seit mindestens einer Dekade für die meisten von ihnen normal, auch mal nach Verlassen des Arbeitsorts etwas per Email zu erledigen oder sich bei Bedarf nochmal mit dem Laptop an den Küchentisch zu setzen. Sehen sie sich auf bestimmten Strecken in ICEs um, dann sind diese zu großen Teilen mobile Arbeitsplätze. Aber meist sind die Arbeitskulturen nicht so weit, dass es einen konstruktiven und bewussten Umgang mit dieser Form und den neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens gibt. Einerseits muss diese Zeit angerechnet werden, andererseits braucht die „Entgrenzung von Arbeit“ aber weit mehr als früher zum Schutz der Mitarbeiter deren Selbststeuerungsfähigkeiten. Denn arbeiten können sie heute – als Wissensarbeiter – immer und überall. Das heißt: neben klaren Regelungen über Anrechnungen von Arbeitszeit, die jenseits des traditionellen Arbeitsorts stattfindet, braucht es vor allem eine Stärkung der entsprechenden Fähigkeiten der Mitarbeiter (neben entsprechend agierenden und sensibilisierten Führungskräften). Hier gibt es noch einen immensen Bildungs- und Trainingsbedarf. Und auf der Führungsebene braucht es insbesondere Vertrauen und den Abschied von traditionellen kontroll-orientierten Führungsbildern.

40 Prozent der heutigen Arbeitsplätze wären Home-Office-fähig. In welchem Umfang wird das klassische Präsenz-Büro künftig überhaupt noch gebraucht?
Das brauchen wir schon noch. Zumindest in den meisten Fällen – es gibt ja durchaus inzwischen auch erfolgreiche gänzlich virtuell organisierte Unternehmen. Dennoch: Die meisten Menschen wollen auch gar nicht jeden Tag zuhause arbeiten, sondern die Freiheit haben, selbst bei Bedarf zu entscheiden, und landen in Bedingungen solcher Wahlfreiheit nach einiger Zeit zumeist bei ein bis zwei Tagen pro Woche im Home Office. Und es gibt eben viele Gründe, dass Kollegen gemeinsam an einem Ort arbeiten: Um zum Beispiel direkten Austausch zu fördern, Meetings zu erleichtern usw. Aus meiner Sicht wird es wahrscheinlich langfristig der neue Standard, dass Mitarbeiter Wahlfreiheit haben, ob und wann sie Teile der Arbeitszeit im Home Office leisten wollen, und zugleich ab und an „Präsenztage“, an denen möglichst viele Teammitglieder vor Ort sind. Das hat sich oft als praktikables Modell mit hoher Wirkung auf die Arbeitszufriedenheit erwiesen.

Die SPD strebt ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Home-Office-Arbeit für Arbeitnehmer mit entsprechenden Arbeitsplätzen an. Wie bewerten Sie das?
Ich halte das für eine kluge und wegweisende Initiative. Wichtig ist es jetzt, die Arbeitgeber „mitzunehmen“ (denn die meisten Arbeitnehmer sind aus meiner Sicht da schon weiter), und zugleich einen entsprechenden Wandel der Arbeitskultur hin zu mehr Orientierung am und Wertschätzung für den Einzelnen zu fördern.

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