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Arbeitszeiten auf ein gesundes Maß begrenzen

Wie die Linke Home Office und Mobile Arbeit gestalten will

Jessica Tatti - Sprecherin für Arbeit 4.0 und Digitalisierung der Linksfraktion im Bundestag Quelle: trinkhaus Jessica Tatti Sprecherin für Arbeit 4.0 und Digitalisierung Fraktion DIE LINKE. Deutscher Bundestag 26.04.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Damit Homeoffice und Mobile Arbeit nicht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten geht, brauchen wir klare Schutzregel per Gesetz", betont Linken-Politikerin. Zudem müsse jede Überstunde im Homeoffice und bei Mobiler Arbeit erfasst und vergütet werden. Wenn dauerhaft mehr Arbeit anfällt, als in der normalen Arbeitszeit zu schaffen ist, "muss mehr Personal eingestellt werden".







Die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Arbeit im Home Office erlauben, ist stark angestiegen. Worin liegen die Vorteile der Heimarbeit für Unternehmen und Beschäftigte?
Beschäftigte schätzen am Homeoffice vor allem die Möglichkeit, sich die Arbeitszeit selbständiger einteilen zu können und damit unter Umständen eine bessere Work-Life-Balance zu schaffen. Auch können Fahrtzeiten zur Arbeit durch Homeoffice vermieden oder verkürzt werden. Wer morgens zum Beispiel zuerst ein paar Stunden im Homeoffice arbeitet, kann den Berufsverkehr umgehen und so schneller und entspannter zur Arbeit kommen. Wenn Beschäftigten zufrieden und motiviert sind, profitieren auch die Unternehmen davon. Homeoffice kann allerdings auch zu mehr Arbeitsstress, mehr Überstunden und einer zunehmenden Entgrenzung führen. Deshalb brauchen wir für Homeoffice klare Schutzregeln.

Untersuchungen zeigen, dass im Home Office mehr Überstunden geleistet werden. Wie sollten die Mitarbeiter vor sich selbst und den Erwartungen ihrer Vorgesetzten geschützt werden?
Im Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben schnell. Auch ist Homeoffice häufig mit Vereinbarungen zu Vertrauensarbeit gekoppelt, die Überstunden ebenfalls begünstigen. Homeoffice ist fest in der Arbeitsstättenverordnung geregelt. So muss es einen festen Arbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten geben, der vom Arbeitgeber eingerichtet und bezahlt wird und der klaren Schutzvorschriften unterliegt. Bei Mobiler Arbeit hingegen, die häufig in einem Zug mit Homeoffice genannt wird, fehlt dieser Schutzrahmen. Hier gelten derzeit nur sehr allgemeine Schutzregeln des Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetzes. Und das Arbeitszeitgesetz wird von den Arbeitgeberverbänden und den arbeitgebernahen Parteien CDU und FDP angegriffen: Sie fordern, die täglich zulässige Höchstarbeitszeit über zehn Stunden hinaus auszuweiten und Ruhezeiten auf unter neun Stunden zu kürzen. Angesichts der dramatischen Zunahme an Beschäftigten, die durch Arbeitsverdichtung und Arbeitsstress krank werden, ist das völlig inakzeptabel. Arbeitswissenschaftlich ist bewiesen, dass tägliche Arbeitszeiten über acht Stunden hinaus krank machen, das Unfallrisiko erhöhen und Beschäftigte sozial isolieren. Allein im letzten Jahr wurden in der Bundesrepublik 2,1 Milliarden Überstunden geleistet, davon eine Milliarde unbezahlt. Wir fordern, dass jede Überstunde im Homeoffice und bei Mobiler Arbeit erfasst und vergütet werden muss. Beschäftigte müssen zudem ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit haben. Arbeitsbedingte Belastungen im Homeoffice und bei mobiler Arbeit müssen identifiziert und minimiert werden. Geeignete Maßnahmen dafür müssen in einer „Anti-Stress-Verordnung“ festgeschrieben werden. Auf keinen Fall dürfen wichtige Schutzregeln im Arbeitszeitgesetz gelockert werden. Im Gegenteil: Wir fordern Arbeitszeiten auf ein gesundes Maß zu begrenzen, mit einer Reduzierung der Wochenhöchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden. Wenn dauerhaft mehr Arbeit anfällt, als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer vertraglichen Arbeitszeit schaffen können, muss mehr Personal eingestellt werden.

40 Prozent der heutigen Arbeitsplätze wären Home-Office-fähig. In welchem Umfang wird das klassische Präsenz-Büro künftig überhaupt noch gebraucht?
Wir wollen Homeoffice ausschließlich als für die Beschäftigten freiwillige Ergänzung zu einem festen Arbeitsplatz im Unternehmen. Die Alltagskommunikation mit Vorgesetzten, Präsenz, Teamarbeit und persönlicher Austausch mit Kolleginnen und Kollegen kann Homeoffice nicht ersetzen. All diese Faktoren sind jedoch wichtig, sowohl für die Kreativität und Motivation, für berufliche Karrierechancen, als auch für die Zufriedenheit der Beschäftigten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Beschäftigte einige Stunden pro Arbeitswoche im Homeoffice arbeiten, soweit sie das wünschen. Es darf aber für Unternehmen nicht möglich werden, ihre Beschäftigten komplett ins Homeoffice abzuschieben, um Büroflächen zu sparen.

Die SPD strebt ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Home-Office-Arbeit für Arbeitnehmer mit entsprechenden Arbeitsplätzen an. Wie bewerten Sie das?
Ich begrüße es grundsätzlich, wenn Beschäftigte mehr Einfluss auf ihre Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen erhalten. Dazu kann auch ein Recht auf Arbeiten im Homeoffice gehören, soweit das möglich ist. Wichtig ist, dass die Beschäftigten dies freiwillig tun und jederzeit die Möglichkeit haben, an einen festen Arbeitsplatz zurückzukehren. Damit Homeoffice und Mobile Arbeit nicht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten geht, brauchen wir klare Schutzregel per Gesetz. Das „Recht auf Homeoffice“ muss zudem durch betriebliche Mitbestimmungsrechte bei Fragen der Zeitsouveränität und der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ergänzt werden.

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