Voice-Cloning, automatisierte Spot-Produktion, optimierte Programm-Planung - wie wird KI das Radio in den nächsten fünf Jahren ganz grundsätzlich verändern?
Wir erleben gerade, dass Stimmen von Moderator*innen teilweise nicht mehr menschlich sind, sondern KI-generierte Kopien. Wir sind damit Zeugen einer Radio-Revolution, die gleichwohl kaum als solche hörbar ist. Denn schon jetzt werden erste Sendungen durch KI-Stimmen moderiert, und diese sind – je nach Güte der eingesetzten KI - so gut wie nicht mehr als künstlich erkennbar. Modellprojekte wie die Chartshow bei Hitradio N1 oder KI-basierte Streams wie bei Absolut Radio AI sorgen derzeit für viel öffentliche Aufmerksamkeit, aber das ist erst der Einstieg. KI-generierte Ansagen, Verkehrshinweise oder Nachrichten werden nach meiner Einschätzung eher Regel als Ausnahme werden - nicht zuletzt, um Kosten zu sparen. Radio in fünf Jahren wird wohl ganz ähnlich klingen wie heute, aber dennoch in Teilen eben eine KI-Simulation sein. In welchem Umfang und bei welchen Moderationsinhalten Hörer*innen allerdings KI-Stimmen auf Dauer akzeptieren, bleibt abzuwarten. Für den Bereich Werbeerlöse bieten sich in jedem Fall neue Chancen durch KI-generierte Radiospots. Entsprechende Tools, die innerhalb weniger Minuten professionell klingende Radiospots produzieren, sind schon seit einiger Zeit verfügbar und erweitern aufgrund der geringen Produktionskosten den potenziellen Interessentenkreis für die Beauftragung von Radiowerbung enorm.
Welche Potenziale sehen Sie in KI generierten personalisierten Radioprogrammen?
Radio lebt auch davon, dass es ein Massenmedium ist, sich Hörer*innen als Teil einer größeren Community angesprochen fühlen, die ein gemeinsames Hör-Erlebnis verbindet. Daher sind meines Erachtens einer Personalisierung Grenzen gesetzt. Anderseits haben gerade jüngeren Hörer*innen den Wunsch, sowohl die Musik, als auch andere Inhalte frei wählen zu können. Technische Lösungen, um beide Bedürfnislagen zu vereinen, sind mittlerweile verfügbar, erste Sendern haben entsprechende Radioprogramme schon vor Jahren gestartet. Das Muster, einen gemeinsamen Programmrahmen mit personalisiert austauschbaren Anteilen von Musikstücken oder Nachrichtenthemen zu kombinieren, scheint mir vielversprechend, um gerade jüngere Hörer*innen zu gewinnen. Ein weiterer Erfolgsfaktor für Radio ist nachweislich, wenn Sender den Aufbau einer lokalen Hörer*innen-Community betreiben und diesen intensiv über gegenseitigen Austausch pflegen. Auch hier bietet sich Potential für personalisierte Anteile, so können über Geolokoalisierung mit Hilfe von KI noch zielgerichteter lokale Hörer*innenkreise angesprochen werden.
Grundsätzlich wird sich Radio aber aus meiner Sicht nur dann gegen die übermächtigen Streaming-Plattformen wie Spotify nachhaltig behaupten, wenn es sich nicht nur zu einer Art Spotify 2.0 entwickelt, bei dem die übliche KI-generierte, personalisierte Playlist im Unterschied zur Streaming-Konkurrenz lediglich angereichert wird mit geklonten Stimmen und Werbeblöcken.
In einer aktuellen Studie stehen viele Befragte KI namentlich im journalistischen Bereich kritisch gegenüber - wie bewerten Sie das?
Dass Mediennutzer*innen angesichts der Flut ungeprüfter und oft falscher Information, die vor allem über die Sozialen Medien täglich einprasseln, eher skeptisch gegenüber KI sind, sollte nicht verwundern. KI wird hier – teilweise zurecht – als Helfer für Manipulatoren gesehen. Gleichzeitig ist das Bedürfnis nach verlässlicher Information und kundiger, menschgemachter Einordnung groß. Da hilft meines Erachtens nur, konsequent die Nutzung von KI transparent zu machen, die Rolle der KI im Workflow zu erklären und journalistische Beiträge, die mit Hilfe von KI erstellt wurden, entsprechend zu kennzeichnen.
Befragte äußern zudem immer wieder, dass sie Arbeitsplätze in Gefahr sehen durch Nutzung von KI. Was die journalistische Arbeit angeht, teile ich diese Befürchtung im Moment. Denn ich bekomme von Kolleg*innen aus den Redaktionen verschiedener Medienhäusern übermittelt, dass unter dem allseits herrschenden Sparzwang Leitungsebenen dazu neigen, Ressourcen für journalistische Arbeit zu kürzen, nach dem Motto: „Das kann ja jetzt eine KI übernehmen“. Für mich wäre das ein Schritt in genau die falsche Richtung, insbesondere wenn es um Recherchen geht. Die wichtigste Basis für einen Journalismus, der seine demokratischen Funktionen erfüllt und gleichzeitig Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt, sind profunde und faktenbasierte Recherchen, die für Mediennutzer relevante Sachverhalte beleuchten. Hier können KI-Tools sehr gut unterstützen, so bei Datenauswertungen oder beim Fact-Checking. Dennoch entbindet dieser KI-Einsatz keinesfalls von der ständigen fachkundigen Überprüfung seines Outputs, denn KI-Expert*innen sprechen von einer Fehlerrate von bis zu 10 Prozent, beispielsweise bei Chat GPT. Darüber hinaus ist Qualitätsjournalismus ohnehin unvereinbar mit einer Mentalität, die einen guten Teil der Recherche auf das KI-getriebene Durchsuchen des Netzes und damit auf bereits veröffentlichte Information beschränkt. Denn Journalismus im Radio wie in anderen Mediengattungen wird nur dann relevant für Nutzer*innen bleiben, wenn er konstant neue, noch nicht erzählte Sachverhalte und Geschichten sucht und findet. Das ist zeitaufwendig, kostet Ressourcen - und durch KI nicht zu ersetzen.
Welchen Regulierungsbedarf aus der Politik sehen Sie in diesem Bereich?
Für mich ist – wie schon angedeutet – eine klare Kennzeichnung von allen KI-genierten journalistischen Werken oder Werk-Anteilen unabdingbar. Das gilt für Texte genauso wie für Audios und Videos. Ich begrüße daher sehr das soeben verabschiedete KI-Gesetz der EU, das eine solche verpflichtende Kennzeichnung ab 2026 vorsieht.