Wie schätzen Sie das aktuelle Bewusstsein über Nachhaltigkeit in der Fitnessbranche ein?
Obwohl wir mit Wirelane erst seit etwa einem Jahr aktiv im Fitnessmarkt tätig sind, konnten wir durch zahlreiche Gespräche, Branchenveranstaltungen und Messen einen guten Einblick gewinnen. Unser erstes Fazit: Nachhaltigkeit trifft grundsätzlich auf Zustimmung und Sympathie – in der praktischen Umsetzung hat das Thema jedoch (noch) keine hohe Priorität.
Solange nachhaltige Maßnahmen nicht direkt mit Einsparungen verbunden sind, fehlt es oft an Anreizen. Die Branche ist derzeit stark geprägt von Expansion, Konsolidierung und Angebotsdiversifizierung – was vielen Marktteilnehmern kaum Raum für langfristige Nachhaltigkeitsstrategien lässt. Zudem scheint das Thema von den Mitgliedern bzw. Kund:innen bislang nur selten aktiv eingefordert zu werden, wodurch der wirtschaftliche Druck zur Veränderung fehlt.
Gerade das birgt jedoch großes Potenzial: Wer als erster Anbieter Nachhaltigkeit strategisch in den Mittelpunkt stellt, kann sich damit klar vom Wettbewerb abheben. Denn wie in anderen Branchen gilt auch hier: Die Nachfrage der Verbraucher:innen bestimmt langfristig das Handeln der Unternehmen.
Nachhaltigkeit sollte dabei nicht bei Mehrwegflaschen oder LED-Beleuchtung und Digitalisierung enden. Sie umfasst auch Infrastrukturprojekte wie E-Mobilität oder ressourcenschonendes Bauen. Entscheidend ist eine ganzheitliche Strategie, die ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen sinnvoll verbindet.
Eine gute Nachhaltigkeitsstrategie wirkt nicht über Nacht – sie braucht Planung, Zeit und sollte integraler Bestandteil von Neubau-, Umbau- oder Übernahmeprozessen sein. Wenn große Anbieter das Thema auf die Agenda setzen, kann das die gesamte Branche nachhaltig verändern.
Wie kann die Fitnessindustrie selbst mehr Nachhaltigkeit in ihre Produkte und Dienstleistungen bringen?
Die Fitnessbranche sollte aufhören, rein wirtschaftlich motivierte Maßnahmen als „nachhaltig“ zu vermarkten, und stattdessen echte Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln, die über reine Kosteneinsparungen hinausgehen. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – ökologisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich.
Konkret heißt das:
1. Ganzheitliche Gesundheitskonzepte:
Integration mentaler Gesundheit, Achtsamkeit und nachhaltiger Ernährung (z. B. pflanzenbasierte Angebote) in Kurspläne und Studioangebote.
2. Nachhaltige Mobilitätslösungen:
Kooperationen mit ÖPNV und Fahrradverleihsystemen, Bonusprogramme für klimafreundliche Anreise, Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, Stellplätze für E-Bikes oder Carsharing.
3. Ressourcenschonender Studiobetrieb:
Verzicht auf Einwegprodukte, digitale Prozesse statt Papier (Verträge, Trainingspläne, Check-in), Refill-Stationen, umweltfreundliche Reinigungsprodukte.
4. Energieeffizienz und Eigenerzeugung:
Einsatz von LED-Beleuchtung, intelligenter Heizungs- und Klimatechnik (z. B. Wärmerückgewinnung), Nutzung von Ökostrom oder PV-Anlagen, stromerzeugende Fitnessgeräte.
Einige dieser Maßnahmen finden sich bereits in der Branche – allerdings oft nur, wenn sie sich kurzfristig rechnen. Wirklich nachhaltiges Handeln beginnt dort, wo langfristige Strategien greifen und ökologische Verantwortung nicht nur ein Marketingargument, sondern Teil der Unternehmens-DNA ist.
Wirelane als Spezialist für Ladeinfrastruktur hat einen eigenen Geschäftszweig für die Fitnessindustrie, dem Sie vorstehen. Was ist Ihr Anliegen?
Unser Ziel ist es, das sogenannte „Henne-Ei-Problem der Elektromobilität“ aufzulösen: Viele Menschen interessieren sich für E-Fahrzeuge, zögern jedoch wegen offener Fragen zur Reichweite oder fehlender Ladeinfrastruktur im Alltag. Genau hier setzen wir an.
Als einer der führenden Anbieter im Destination Charging bringen wir Ladeinfrastruktur dorthin, wo Menschen ohnehin parken – zum Beispiel im Fitnessstudio. Jedes Mitglied verbringt durchschnittlich 75 bis 120 Minuten pro Besuch im Studio, rund 1,1-mal pro Woche. Dieses ritualisierte Verhalten ist ideal für das Laden von E-Fahrzeugen.
Mit unseren bedarfsorientierten 50 kW-Ladelösungen ermöglichen wir genau das: komfortables Laden während des Trainings. Und das völlig kostenfrei für den Betreiber / die Betreiberin – wir übernehmen die Investition und setzen damit bewusst auf die Zukunft der E-Mobilität. Für Fitnessstudiobetreiber:innen entsteht ein klarer Mehrwert: Sie binden bestehende Mitglieder, gewinnen neue Zielgruppen und erfüllen zukünftige Erwartungen schon heute.
Unser CEO Constantin Schwaab bringt es auf den Punkt, er sagt: „Das Laden von Elektrofahrzeugen ist ein Grundrecht – wie der uneingeschränkte Zugang zum Internet. Für alle. Immer. Überall.“ Diesen Anspruch erfüllen wir – und setzen dabei einen klaren Fokus auf die Fitnessbranche.
Braucht es andere Rahmenbedingungen, um mehr Nachhaltigkeit in die Branche zu bringen?
Lassen sie mich den Fokus legen auf unseren Fachbereich der Ladeinfrastruktur, da sind teilweise die Rahmenbedingungen bereits vorhanden. Ein zentrales Beispiel ist das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG): Es verpflichtet seit dem 1. Januar 2025 alle gewerblichen Liegenschaften mit mehr als 20 Stellplätzen zur Bereitstellung von Ladepunkten. Das ist ein wichtiger Schritt – aber nur ein Teil der Lösung.
Die wirkungsvollste „Rahmenbedingung“ bleibt aus unserer Sicht die Nachfrage der Mitglieder selbst. Schon heute fahren rund 3–5 % der Fitnessstudiomitglieder ein E-Fahrzeug, regional sogar bis zu 10 %. Durch aktuelle politische Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Dienstwagenregelung, wird dieser Anteil in den kommenden Jahren deutlich steigen.
Doch Ladeinfrastruktur lässt sich nicht über Nacht realisieren. Wer erst reagiert, wenn 25–40 % der Mitglieder elektrisch fahren, kommt zu spät – besonders bei großen Ketten mit dutzenden oder sogar hunderten Standorten. Die Prozesse sind komplex: Zunächst muss oft die Systemzentrale überzeugt werden, dann der Franchise-Nehmer, anschließend der Liegenschaftseigentümer. Erst danach beginnt die technische Planung mit Netzbetreiber und Bauunternehmen. Hier braucht es Voraussicht – und Zeit.
Ein weiterer wichtiger, oft unterschätzter Hebel: die CO₂-Bilanzierung und CO₂-Bepreisung von Immobilien. Diese wird in Zukunft massiv an Bedeutung gewinnen – ebenso wie die Berichtspflichten rund um Nachhaltigkeit.
Unser Fazit: Die regulatorischen Voraussetzungen sind größtenteils vorhanden, bestimmt auch in anderen Bereichen der Branche. Was es jetzt braucht, sind Macher:innen – Menschen, die bereit sind, Nachhaltigkeit strategisch anzugehen und konsequent umzusetzen.