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Interview29.08.2022

Digitalstrategie braucht belastbare Zeithorizonte

Und was noch für eine digitale Zukunft nötig ist

Dr.-Ing. Günther W. Diekhöner - Geschäftsführender Gesellschafter, DD Die Denkfabrik Forschungs und Entwicklungs GmbH Quelle: DD Dr. Günther W. Diekhöner Geschäftsführender Gesellschafter DD Die Denkfabrik Forschungs und Entwicklungs GmbH
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"In Summe sehe ich wichtige Elemente, die für die Zukunft für Deutschland wettbewerbsentscheidend sind, als nicht gegeben an", mahnt Dr. Günther W. Diekhöner von DD Die Denkfabrik. An eine Digitalstrategie für Deutschland hat er klare Anforderungen.





In einem ersten Entwurf für eine Digitalstrategie der Bundesregierung heißt es nach Medienberichten, Deutschland stehe bei der Digitalisierung seit Jahren nur im Mittelfeld. Wie gefährdet sehen Sie die Zukunft des Landes?
Medienberichte, wonach Deutschland bei der Digitalisierung seit Jahren nur im Mittelfeld agiert, sind vorbehaltlos zu bestätigen. Es mag Teilbereiche geben, in denen bereits Fortschritte erzielt wurden, im Großen und Ganzen befindet sich Deutschland aber – z.B. im Vergleich mit Asien und den baltischen Staaten - sehr weit im Hintertreffen. Ob damit die Zukunft des Landes gefährdet ist, vermag ich als Techniker und Technologe nicht vorherzusagen, der Eindruck ist aber, dass gerade die Wettbewerbsfähigkeit im technisch/technologischen Bereich stark unter der mangelnden Digitalisierung leidet. Man denke hier nur an die immer wieder aufkeimende Diskussion, wann und wo autonomes Fahren möglich sein wird. Die dafür zwingenden Voraussetzungen im Digitalbereich sind nach meiner Einschätzung zurzeit in Deutschland nur rudimentär verfügbar. Mir erschließt sich auch nicht, wie die Bundesregierung die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren realisieren will. In Summe sehe ich wichtige Elemente, die für die Zukunft für Deutschland wettbewerbsentscheidend sind, als nicht gegeben an. Hier fehlt mir absolut auch die Bereitschaft, seitens der Politiker, sich wirklichem Sach- und Fachverstand zu öffnen. Niemand erwartet von einem Verkehrsminister, dass er Digitalexperte ist, dafür gibt es genügend neutrale Fachleute, die aber auch in entsprechender Form parteiübergreifend in die Vorgaben und Richtlinien einzubinden sind.

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Ende 2025 soll die Hälfte aller Haushalte mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard versorgt sein. Wie bewerten Sie dieses Ziel?
Ich bin ziemlich sicher, dass bis Ende 2025 mindestens die Hälfte aller Haushalte mit Glasfaser versorgt sein könnten. Allerdings ist es dafür notwendig, Aktivitäten der jeweils Marktbeteiligten besser zu bündeln. Ich beobachte, dass unterschiedliche Anbieter zeitversetzt Glasfaserkabel in den Boden einbringen. Warum gibt es hier nicht eine behördliche Synchronisation und ggfls. eine gemeinsame Nutzung der Infrastruktur gegen eine entsprechende Vergütung. Beispiel Technologiepark der Universität Bremen: Bis vor drei Jahren gab es keinerlei Ambitionen der Telekom halbwegs schnelle Internetleitungen den Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Erst als lokale Anbieter dieses Feld für sich entdeckt haben, ist auch die Telekom “aufgewacht“. Werden im Glasfaserausbau Kräfte gebündelt, ist ein erheblicher Beschleunigungseffekt zu erzielen.

Für die digitale Verwaltung soll es eine sichere digitale Identität geben. Welche Herausforderung sehen Sie diesbezüglich?
Die sichere digitale Identität ist seit langem in der Diskussion und damit längst überfällig. Wesentliche Herausforderungen sind natürlich die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung der EU und Rahmenbedingungen, die eine Kopier- oder Angreifbarkeit ausschließen. Dies klingt in deutschen Ohren nach einer hundertprozentigen Lösung, die eigentlich technisch nie realisierbar ist. Auch hier zeigen andere Länder, wie die digitale Identität zu einer deutlich schnelleren Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen führen wird. Es darf aber nicht wieder passieren, dass wir an die Datenschutzstandards endlose Diskussionen knüpfen, was dann letztendlich dazu führt, dass wir einen viel unsicheren Status der nicht digitalen Identität aufrechterhalten und den Fortschritt unnötig bremsen.

Was sollte unbedingt noch in der endgültigen Digitalstrategie stehen - und was keinesfalls?
Erstens muss die endgültige Digitalstrategie belastbare Zeithorizonte nennen. Vagen Formulierungen, wie “man wolle sich 2025 daran messen lassen“, ob sich der Digitalisierungsgrad signifikant verbessert hat, sind der falsche Weg. In jedem Unternehmen, das projektbezogen arbeitet, gibt es ein koordinierendes Projektmanagement, das Ressourcen, Zwischenergebnisse, Meilensteine und Eskalationsstrategien professionell managt. Leider zeigen zu viele Projekte, die von der Politik angeschoben werden, dass es an diesen grundlegenden Fähigkeiten immer wieder mangelt. Nur zu häufig werden dann während der Projektlaufphase Zielvorgaben geändert, Mengengerüste unnötig vergrößert und damit Zeithorizonte verwässert (siehe z. B. Projekt eBeihilfe in Niedersachsen). Zweitens ist eine klare Zuständigkeit zwingend notwendig, da immer noch in zu hohem Maße den Ministerien die fachliche Qualifikation fehlt und deshalb eine konsequente Projektumsetzung scheitert. Nur eine klare Aufteilung, welche Themen in welchem Ministerium behandelt werden, führt zum Erfolg, Eitelkeiten haben in der Digitalstrategie nichts zu suchen! Kommt dazu noch die Konzentration auf nur zwei oder drei Schwerpunktbereiche, wie die digitale Identität und den Ausbau der digitalen Infrastruktur, sind wir gut aufgestellt. Allerdings ist eins für mich ganz klar: Sommerworkshops, in denen Ideen quick and dirty entwickelt werden (und sei es auch mithilfe professioneller Unterstützung) nur um die Vorgaben zu erfüllen, haben nichts mit einer durchgreifenden, nachhaltigen Digitalstrategie zu tun. Das mag für punktuelle Umsetzungen im regionalen Bereich ein geeignetes Werkzeug sein, für die große landesweite Strategie scheint es mir doch etwas zu kurz gesprungen.

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