Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Private Hörfunkanbieter unterliegen dem besonderen Schutz der Rundfunkfreiheit. Das Radio hat eine fast flächendeckende Verbreitung. Deshalb stellt der Hörfunk eine sehr wichtige Informationsquelle für die Bürgerinnen und Bürger dar. Private Hörfunkprogramme werden vor allem lokal, überregional und landesweit ausgestrahlt. Starke lokale oder regionale Bezüge sind für Mediennutzer in Zeiten der globalisierten Medienmärkte besonders wertvoll. Insofern ist der Gesetzgeber auch beim Übergang von der analogen zur digitalen Hörfunkverbreitung verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass die bestehende Meinungs- und Medienvielfalt erhalten bleibt. Mehr noch: der Übergang zu DAB+ soll gerade die Anbietervielfalt erhöhen, nicht schmälern. Jedoch unterliegen die Hörfunkprogramme auch einem hohen Kostendruck und starken Wettbewerb. Diesem sind alle Rundfunkanbieter ausgesetzt.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Der Gesetzgeber gestaltet bekanntlich auch die Rundfunkordnung. Ziel ist es dabei, einen angemessenen Ausgleich verschiedener verfassungsrechtlicher Positionen zu erreichen. Nach aktueller Rechtslage ist die Förderung technischer Infrastruktur im Lokalrundfunk auf der Grundlage des § 40 Absatz 1 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrages unter Vorbehalt einer besonderen landesgesetzlichen Ermächtigung möglich. Dabei ist zu beachten, dass eine finanzielle Unterstützung der privaten Hörfunkanbieter gegen das EU-rechtliche Beihilfenverbot verstoßen könnte. Die Förderung der Marktdurchdringung von DAB+-fähigen Geräten etwa durch Vorgaben an die Industrie erscheint mir jedenfalls langfristig zielführender.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
Die Zukunft des Radios ist digital. Die Kapazitäten im UKW-Bereich sind weitgehend ausgeschöpft. Die Frage kann also nur sein, wie schnell, effektiv und kostengünstig die Umstellung auf die digitale Übertragungstechnik gelingt. Nur so können die Interessen der privaten Hörfunkanbieter, Geräteeigentümer und Mediennutzer gewahrt werden. Die gesetzliche Festlegung eines Abschaltdatums für den analogen-terrestrischen Hörfunk ist dabei eine der Möglichkeiten, diesen Prozess voranzutreiben, von der bisher nur wenige Länder (z.B. Sachsen, Sachsen-Anhalt) in Ausübung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative Gebrauch gemacht haben. Auch das öffentliche Bekenntnis einiger Rundfunkveranstalter – wie z.B. ARD und Deutschlandradio – zu DAB+ leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Digitalradio in Deutschland.
Während die Einführung von Digitalradio läuft, werden in Deutschland immer noch UKW-Frequenzen vergeben oder verlängert. Halten Sie das für zielführend, wenn es um die Zukunft des Radios geht?
Ob der Umstieg auf DAB+ gelingt, ist von dessen Erfolg unter anderem von der Akzeptanz und Verbreitung DAB+-fähiger Endgeräte in der Bevölkerung abhängig. Vor diesem Hintergrund sind befristete Zuordnungen von analog-terrestrischen Übertragungskapazitäten im UKW-Bereich ein Gebot der wirtschaftlichen Ressourcennutzung. Je nach Ausbaustand wird eine zeitweise Fortführung der analog-terrestrischen Hörfunkverbreitung in bestimmten mit DAB+ nicht versorgten Teilgebieten notwendig sein.