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Digitalisierung des Energiesystems als riesige Chance

Wie ein digitales Energiesystem die stabile Stromversorgung sichern kann

Philipp Heilmaier, Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung, Deutsche Energie-Agentur (dena) Quelle: dena/Goetz Schleser Philipp Heilmaier Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung dena 20.07.2022
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Das Energiesystem der Zukunft ist digital und sicher, prognostiziert Philipp Heilmaier, Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung in der Deutschen Energie-Agentur (dena). Dafür seien freilich noch einige Voraussetzungen zu schaffen und auch die Abkehr von liebgewordenen Gewohnheiten nötig.







In welchen Bereichen liegen die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der Stromherstellung und -verteilung?
Die Digitalisierung des Energiesystems ist vor allem eine riesige Chance! Denn die Analyse von Daten, die Nutzung von Erkenntnissen daraus und Automatisierung sorgen nicht nur dafür, dass das System effizient und sicher betrieben werden kann, sondern erlauben es allen, beim Energiesystem der Zukunft mitzumachen – z.B. durch die Einspeisung des selbst erzeugten Stromes, durch einen flexiblen, systemdienlichen Verbrauch oder den Zusammenschluss in Energy Communities.

Das alte Stromsystem war stark zentralisiert: fossile Kraftwerke haben nach einem festgelegten Fahrplan Strom erzeugt, der sich an historischen Erfahrungen zum Verbrauchsprofil orientiert hat. Diese Welt gibt es nicht mehr. Heute werden fast 50 % des Stroms mit dezentralen erneuerbaren Anlagen erzeugt und schon bald sollen es nahezu 100 % sein. Gleichzeitig kommen durch den Abschied von fossilen Energieträgern im Verkehr (Elektroautos), beim Heizen (Wärmepumpen) und der Industrie (Elektrolyse und Prozesswärme) viele neue, größtenteils flexible Stromverbraucher hinzu. So wird in Zukunft nicht mehr die Erzeugung an einen unflexiblen Verbrauch angepasst, sondern der Verbrauch stellt sich zunehmend flexibel auf die Erzeugung ein.
Digitale Technologien spielen hier an vielen Stellen eine wichtige Rolle: für den Netzbetrieb, für Marktplattformen, für die Einbindung und Steuerung von Verbrauchern, für die Vernetzung in Energy Communities, für Prognosen von Erzeugung und Verbrauch, für die Planung, den Ausbau und die Wartung von Energieinfrastrukturen, für die Automatisierung von Prozessen und für vieles mehr.

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Als Problem gilt die zeitliche Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen: Wie muss ein System gestaltet sein, das deutschlandweit (europaweit) für stabile Netze sorgt?
Ein erneuerbares Stromsystem ist nachhaltig, resilient, sicher und unabhängig von fossilen Energieimporten. Allerdings muss noch einiges angegangen werden, um alle Elemente des Systems auch so umzustellen, dass es jederzeit zuverlässig funktioniert: Erneuerbaren Energien müssen stark ausgebaut werden. Die Stromnetze müssen auf allen Ebenen verstärkt und ausgebaut und die Verbindungen zu unseren europäischen Nachbarn erweitert werden. Für die wenigen Zeiten, in denen Sonne und Wind in Europa nicht ausreichen, um den Verbrauch zu decken, müssen außerdem flexible, mit erneuerbaren Gasen wie grünem Wasserstoff betriebene Kraftwerke aufgebaut und die Flexibilität von Verbrauchern nutzbar gemacht werden. Auch neuartige Speichertechnologien werden hierbei eine wichtige Rolle spielen.

Damit das System sicher und stabil betrieben werden kann, werden Systemdienstleistungen in Zukunft von erneuerbaren Energien, neuen Betriebsmitteln und von Verbrauchern zur Verfügung gestellt und die Stabilität wird zum Beispiel durch netzbildende Umrichter und schnelle Regelleistung gewährleistet.

Grundsätzlich liegen die dafür notwendigen Konzepte bereits vor. Im Koalitionsvertrag ist deshalb verankert, dass die Bundesregierung in dieser Legislatur eine Roadmap Systemstabilität erarbeitet. Digitale Technologien helfen, alle Potenziale zu nutzen und sorgen für eine schnelle Umsetzung.

Sind diesbezügliche Modernisierungsinvestitionen – unter Beachtung der Sicherheit der Netze vor unbefugten Eingriffen Dritter –, kurz- bzw. mittelfristig machbar?
Der Einsatz digitaler Technologien kann die Transformation zur Klimaneutralität beschleunigen und die Kosten insgesamt senken, z.B. indem Stromnetze effizienter ausgelastet oder Engpässe durch flexible Verbraucher vermieden werden. So kann teurer und zeitintensiver Netzausbau reduziert werden, auch wenn ein erheblicher Ausbau weiterhin nötig sein wird.
Wichtig ist vor allem, dass wir die Digitalisierung proaktiv gestalten und Anlagen, die jetzt an das Netz angeschlossen werden, die nötigen Fähigkeiten mitbringen, die das zukünftige Energiesystem benötigt.
Die nächsten Schritte in diese Richtung sind neben einem schnellen Smart-Meter-Rollout vor allem die Stärkung der Daten-Kompetenz in den Unternehmen.

Wie können Staat und Verwaltung die Branche unterstützen?
Bei den Stromnetzen gilt es nun, den Einsatz digitaler Technologien in der Breite voranzubringen. Während die Digitalisierung auf Übertragungsnetzebene schon sehr weit fortgeschritten ist, sind die Verteilnetze hier in großen Teilen noch nicht auf der Höhe der technischen Möglichkeiten – auch, weil das bisher noch nicht nötig war.

Um schnell voranzukommen, können Freiheiten zum Einsatz innovativer Technologien geschaffen und Standards gesetzt werden. Gleichzeitig muss die Netzentgeltsystematik dringend überarbeitet werden, die noch ein flexibles Verbraucherverhalten verhindert. Die gerade im Rahmen des Osterpakets beschlossene Reform des §14a EnWG ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, muss allerdings noch durch die Bundesnetzagentur ausgestaltet werden.

Nicht zuletzt gilt es, den Wissensaustausch zu fördern, Start-Ups mit Netzbetreibern zusammenzubringen und die Kompetenzen bei den Akteuren weiterzuentwickeln, denn die Innovationen müssen auch in der Breite ankommen.

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