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Interview24.09.2024

Die drei Forderungen der Chemieindustrie für Wettbewerbsfähigkeit

Wie Transformation und Wachstum zusammengehen sollen

Dr. Wolfgang Große Entrup - Hauptgeschäftsführer, Verband der Chemischen Industrie (VCI) Quelle: VCI/Lohnes Dr. Wolfgang Große Entrup Hauptgeschäftsführer Verband der Chemischen Industrie (VCI)
INITIATORIN DIESER FACHDEBATTE
Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
Meinungsbarometer.info
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"Die klimaneutrale Transformation unserer Industrie darf ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden", betont VCI-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Große Entrup. Deswegen fordert er von der Politik andere Rahmenbedingungen zu schaffen - und zwar in mehrerer Hinsicht.





Die energieintensiven Unternehmen fordern einen neuen Industrievertrag in Europa und Unterstützung. Welche Rahmenbedingungen brauchen die Unternehmen in Ihrer Branche konkret?
Die klimaneutrale Transformation unserer Industrie darf ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden. Um die Rückkehr auf den Wachstumspfad zu ermöglichen und unseren Standort wieder für Zukunftsinvestitionen attraktiv zu machen, brauchen wir eine deutliche Korrektur der politischen Prioritäten. Deshalb fordern wir, den Green Deal durch einen Industrial Deal zu flankieren. Industriepoltischen Belange sollten endlich wieder ein größeres Gewicht bekommen. Sonst stehen in Deutschland und Europa über kurz oder lang Wertschöpfung und Wohlstand auf dem Spiel, ohne dass dem globalen Klimaschutz geholfen wäre.

Wir müssen jetzt den Aufbruch wagen! Ich will drei besonders dringende Punkte hinsichtlich der Rahmenbedingungen herausgreifen: Die Politik muss erstens dafür sorgen, dass die Stromkosten international wettbewerbsfähig werden. Der Stromnetzausbau ist zu einem zentralen Kostentreiber geworden. Die Netzentgelte haben sich seit 2023 verdoppelt. Wir brauchen daher einen staatlichen Zuschuss zu den Netzentgelten, wie es im Energiepaket der Bundesregierung geplant war. Die neuen Industrienetzentgelte müssen eine gleichwertige Entlastungswirkung haben wie im bisherigen System. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen die Ausschreibungen der Kraftwerksstrategie und der geplante Kapazitätsmechanismus schnell auf den Weg gebracht und mit der Carbon-Management-Strategie verzahnt werden. Dass die Stromsteuersenkung über 2025 hinaus verstetigt wird, begrüßen wir.

Zweitens: Eine immer größere Belastung für unsere Unternehmen ist die überbordende Bürokratie. Sie verschlingt Zeit, Geld und lähmt gleichermaßen Staat und Unternehmen. Europa, Bundesländer und Kommunen müssen den Bürokratieabbau leben. Konkret bedeutet dies: Der Bund-Länderpakt zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren muss unverzüglich umgesetzt werden. Und bei neuen Gesetzen das „One in, one out-Prinzip“ gelten. Sonst verstricken wir uns immer weiter im Gesetzesdickicht.

Ein weiterer Punkt ist die Steuerpolitik. Steuerpolitik ist Standortpolitik. In der Höhe der Unternehmenssteuern sind wir Deutschen spitze. Die Belastung von Unternehmen von derzeit knapp 30 Prozent sollte auf höchstens 25 Prozent begrenzt werden.

Gefordert wird auch ein schnellerer Ausbau der Windenergie - welche erneuerbaren Energiequellen sind für Ihre Branche besonders bedeutsam?
Aus welchen Quellen die erneuerbare Energie kommt, ist für uns erst einmal zweitrangig. Viel wichtiger für das Gelingen der klimaneutralen Transformation unserer Industrie ist, dass die Unternehmen genügend grünen Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen bekommen. Und zwar verlässlich rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Mit der Elektrifizierung von Prozessen und der zunehmenden Nachfrage nach grünem Wasserstoff aus Elektrolyse wird in Zukunft auch der Strombedarf stark zunehmen. Unsere Klimaschutz-Plattform „Chemistry4Climate“ geht davon aus, dass der für die Transformation nötige Strombedarf der chemischen Industrie bis 2045 um ein Vielfaches ansteigen wird.

Gefordert wird auch, beim Ausbau der Windenergie möglichst viel Wertschöpfung in Europa zu behalten - was muss dafür geschehen?
Ich kann hier nur für meine Branche sprechen. Die Chemie liegt ganz am Anfang der Wertschöpfungskette. Wir liefern wichtige Komponenten, ohne die der Ausbau der Windenergie und auch der Photovoltaik-Anlagen nicht möglich ist. Gute Rahmenbedingungen für die chemische Industrie – wie die oben beschriebenen - nutzen daher auch der nachgelagerten Wertschöpfung.

Energieintensive Unternehmen müssen nach der EU-Energieeffizienz-Richtlinie in Kürze Maßnahmen ergreifen - welche Potenziale und Herausforderungen sehen Sie hier?
Effizient mit Energie umzugehen, ist im ureigensten Interesse unserer energieintensiven Unternehmen – das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern spart auch Kosten. Seit 1990 hat unsere Branche beispielsweise durch Effizienzmaßnahmen, Energie- oder Umweltmanagementsysteme ihren Energieverbrauch bereits um mehr als 20 Prozent gedrückt. Mit Blick auf staatliche Effizienzvorgaben ist es wichtig, dass diese umsetzbar und nicht unwirtschaftlich sind und die Industrie angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage nicht überfordern. Beim Energieeffizienzgesetz haben wir daher die Bundesregierung aufgefordert nachzubessern. Vor allem die sehr weit gefassten Meldepflichten für die „Plattform für Abwärme“, bei der künftig jeder Kopierer und jede Dunstabzugshaube erfasst werden muss, sind für uns ein Schildbürgerstreich der Politik, die einerseits Bürokratieabbau verspricht und andererseits solche Vorgaben macht.

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