Sprachnachrichten werden insbesondere bei jüngeren Zielgruppen immer beliebter. Welche Auswirkungen kann das auf die Schriftkultur haben?
Sprachnachrichten nehmen in der Tat deutlich zu. Hauptvorteil einer Sprachnachricht ist nach einer repräsentativen Untersuchung von forsa im Auftrag der Gesellschaft für deutsche Sprache die Sprachökonomie. 54 Prozent der Befragten nennen die damit verbundene Zeitersparnis bzw. Schnelligkeit als entscheidenden Faktor. Dies bedeutet, dass Sprachnachrichten primär für ein spezifisches kommunikatives Erfordernis genutzt werden, schriftsprachliche Nachrichten für viele andere. Die Bedeutung des Schreibens im digitalen Raum wird aus diesem Grund nicht verschwinden. Interessant in diesem Zusammenhang ist die immer häufigere Verwendung von Spracherkennungssystemen (Siri, Alexa), die einerseits die sprechsprachliche Interaktion mit digitalen Medien/Objekten erhöht, andererseits eine standardsprachliche Eingabe erzwingt und bei Umwandlung in Texte zu normierten Schreibungen führt. Es findet also gegenüber den stark von orthografischen Normen abweichenden Texten, wie sie in der Forschung ausführlich beschrieben sind, durch die Sprachassistenten eine Art Re-Standardisierung der Schriftsprache statt.
Das Telefonieren verliert im Verhältnis zur Kommunikation über Messenger und Soziale Netzwerke an Bedeutung. Wie verändert das das soziale Miteinander?
Zwar verliert das Telefonieren relativ an Bedeutung, dennoch wird immer noch viel und intensiv über das Smartphone telefoniert. Zudem führt die erhöhte Kommunikation in den Social Media zu einer immer intensiveren und verdichteten Interaktion. Die Kommunikationsdichte erhöht sich also, aber dies kostet auch einen Preis: die Tiefe, der Gehalt der Kommunikation nimmt partiell ab. Als Konsequenz sehen wir viele ,oberflächliche‘, wenig bis nichtssagende Postings in den Social Media. Zum zweiten werden Barrieren des Respekts eingerissen, Shitstorms und unfreundliche bis hassvolle Postings haben zugenommen. Wir beobachten eine Defragmentierung des sozialen Zusammenhalts, teilweise verbunden mit wenig respektvollen Kommunikationsformen. Dies ist allerdings eingebettet in gesamtgesellschaftliche Entwicklungen.
Sprachassistenten erleichtern den Umgang mit digitalen Angeboten. Doch welche Auswirkungen hat es, wenn etwa bei einer Suchabfrage nicht mehr tausende Treffer sondern eine Antwort ausgegeben werden?
Hier verschärft sich ein Problem, das mit Suchalgorithmen (wie PageRank), Datenextraktion und digitalen Megakonzernen zusammenhängt. Wenn bei einer Suchanfrage nur wenige oder gar ein Treffer angegeben wird, dann stellt sich natürlich verschärft die Frage, nach welchen Kriterien dieser Treffer ermittelt wird. Ich habe die Befürchtung, dass irgendwann passgerecht über die Datenanalyse eines Users personalisierte Treffer ausgegeben werden, die letztlich den ökonomischen Interessen des Anbieters dienen. Googles Entwicklung von der Suchmaschine zum Digitalkonzern Alphabet reflektiert genau diese Entwicklung. Konsequenz dieser Entwicklung ist der gläserne (digitale) Mensch, dessen Verhalten analysiert und prognostiziert werden kann.
Auch das eigentlich Bild-lastige Netzwerk Instagram springt auf den Trend auf und bietet eine Sprachnachrichten-Funktion an. Ergänzen Audio-Inhalte das Visuelle, oder wird Audio künftig gar - wie einige Experten vermuten - zum Leitmedium?
Die digitale Revolution integriert alle Errungenschaften vorangegangener Medienrevolutionen unter einem Dach. Multimedialität und -modalität, Medienkonvergenz und Transmedialität sind die Schlüsselbegriffe dieses Prozesses. Doch im Kern führt diese ,Mediamorphose‘ zu einem integrierten, allumfassenden Kommunikationssystem, einem Unimedium, und dieses globalisiert Sprache und Kommunikation in einer neuen Qualität. Sie macht Kommunikation frei konvertierbar und die Währung sind Bits und Bytes. Dabei verschmelzen Formen der Sprache, lösen sich in bestimmten Domänen ab. Aber geschriebene und gesprochene Sprache, die beiden grundlegenden Existenzformen der Sprache, werden auch weiterhin in ihren Funktionalitäten gebraucht. Für soziale, stark interaktive, spontane Kommunikationsformen mag die gesprochene Sprache sich zum Leitmedium entwickeln, für Wissensaneignung braucht es die Schriftsprache und andere Symbolsysteme wie die mathematische Sprache, erweitert durch Abbildungen und Videos. Entscheidend also ist die Funktionalität, ihr folgen die Ausdrucksformen (Schrift, Bild, Laut etc.) nach.
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