In der aktuellen Corona-Krise gerät das klassische Schulfernsehen wieder verstärkt in den Fokus. Welche Vorteile bieten linearen AV-Formate heute noch?
Erfreulicherweise hat bisher niemand den Versuch gemacht, das klassische Schulfernsehen wieder zu beleben. Viele KollegInnen gestalten derzeit Lernumgebungen mit digitalen Technologien, in die durchaus auch verschiedene Formate audiovisueller Unterrichtsmittel eingebunden werden. In den Lernumgebungen wird in der Regel die aus pädagogischer Sicht unverzichtbare Kommunikation zwischen den beteiligten Menschen und die Tätigkeit der Lernenden in den Mittelpunkt gerückt. Die Kommunikation wird oft mit rezeptiven Inhalten (wie den audiovisuellen Inhalten) und interaktiven Inhalten (wie Selbstkontrollfragen) ergänzt.
Für welche Schulfächer eignen sich lineare AV-Formate besonders - und für welche weniger?
Die Frage ist nicht zu beantworten, weil es keinen starren Zusammenhang zwischen Inhalten und Medientypen gibt. Medien und die mit der Medienwahl gestalteten Kommunikations-, Rezeptions- und Interaktionsformen können und müssen für jedes Schulfach und für jede Zielgruppe angemessen arrangiert werden. Entscheidend ist dabei wie in jedem anderen Unterrichtsarrangement die Berücksichtigung der Voraussetzungen der Lernenden und der Lehrenden sowie die Berücksichtigung der Struktur des Gegenstands. Auch die Rahmenbedingungen (wie derzeit etwa: vorgeschriebener Fernunterricht) spielen eine Rolle. Das Medienarrangement sollte diesen Bedingungen entsprechend gestaltet werden.
Welche begleitenden digitalen Angebote können die Wirkung von linearen AV-Formaten unterstützen?
Es ist weder sinnvoll, in pädagogischen Kontexten von Ursachen und Wirkungen zu sprechen, noch sinnvoll, audiovisuelle Formate zu "unterstützen". Entscheidend ist eine didaktische fundierte Gestaltung von Lernumgebungen, in die den didaktischen Anforderungen entsprechende audiovisuelle Formate, die den jeweiligen Unterrichtsabsichten entsprechen, eingebunden werden. Digitale Technologien bieten für die Gestaltung vielfältige und flexible Möglichkeiten, so dass es sehr oft möglich ist, Lernumgebungen so zu gestalten, dass damit Unterrichtsabsichten angemessen ausgedrückt werden können.
Welche Potenziale für den Schulunterricht sehen Sie in linearen AV-Formaten auch über die aktuelle Krisensituation hinaus, ggf. in Verbindung mit ergänzenden digitalen Angeboten?
Audiovisuelle Formate können immer dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn es in Unterrichtsphasen um die Rezeption von Inhalten geht. Dann können diese Formate sehr sinnvoll sein, weil damit z. B. eine Stelle, die erst nach mehrmaligem Nachsehen verständlich wird, auch ohne weiteres mehrfach angesehen werden kann - die meisten Lehrenden sind aus guten Gründen nicht bereit, den gleichen Inhalte für eine Person beliebig oft zu wiederholen. Zudem werden Anschauungen ermöglicht, die ohne eine audiovisuelle Darstellung nicht realisiert werden können. Entscheidend ist aber, eine Lernumgebung zu arrangieren, in der verschiedene didaktische Elemente zu einem ansprechenden Ensemble verbunden werden. Dabei können audiovisuelle Formate durchaus in verschiedenen Modellen, wie z. B. der programmierten Unterweisung, dem entdeckenden Lernen oder der kollaborativen Wissensproduktion, in unterschiedlicher Funktion angemessen verwendet werden.
Auf keinen Fall übersehen werden sollte jedenfalls, dass die Schülerinnen und Schüler audiovisuelle Formate herstellen können. Es ist zu vermuten, dass die handlungsorientierte Verwendung der rezeptiven Nutzung in vielen Fällen vorzuziehen ist. Die Produktion von Medien durch die Lernenden (sei es in Form von Webinaren (Onlinereferate), Hypertexten, Fließtexten, Podcasts, Videos, etc.) ist in sehr vielen didaktischen Arrangements ein wesentliches und unverzichtbares Element.
Wann ein didaktisches Arrangement ansprechend ist, kann dabei nicht vorhergesagt werden. Entscheidend ist daher immer, der Fähigkeit der Lehrenden, Ziele, Inhalte, Methoden und Medien so aufeinander abzustimmen, dass möglichst allen Lernenden ermöglicht wird, sich mit den Inhalten angemessen auseinander zu setzen, zu vertrauen.